OGH 12Os64/05m

OGH12Os64/05m15.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wladimir W***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 242/1989 über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 12. Jänner 2005, GZ 34 Hv 70/03b-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wladimir W***** - abweichend von der in Richtung § 201 Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB erhobenen Anklageschrift (ON 18) - des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 202 Abs 2 StGB (ersichtlich in der zum Tatzeitpunkt geltenden - gegenüber der Fassung - BGBl I 15/2004 niedrigere Strafdrohungen aufweisenden Fassung BGBl 242/1989) zu einer mit Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt.

Danach hat er am 20. August 2002 in Linz außer dem Fall des § 201 StGB Regina F***** mit Gewalt, nämlich dadurch, dass er sie an einer Hand festhielt, sie zu küssen begann, ihre linke Brust entblößte und daran saugte, ihr das Kleid nach oben und den Slip zur Seite schob und mit seinem Finger ihren Schambereich betastete, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, Z 9 [lit] a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Durch die Abweisung des Antrags des Angeklagten auf „Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis darüber, dass die Schilderungen der Zeugin Regina F***** über die sexuellen Übergriffe des Angeklagten Fiktionen darstellen und dass die Zeugin F***** bereits vor dem 20. August 2002 psychisch durch sexuelle Ereignisse traumatisiert war. Dabei wird Bezug genommen, diese psychische Traumatisierung erlitt die Zeugin F***** durch ihr geschildertes sexuelles Erlebnis mit einem Exfreund und während ihrer Ehe mit einem psychisch kranken Ehepartner. Weiters stützt sich dieser Beweisantrag auf den vorgelegten Artikel der O***** Nachrichten vom 22. Juli 2002, worin der Salzburger Rechtspsychologe H***** empfiehlt, jedenfalls einen zweiten Sachverständigen beizuziehen, der vom ersten nichts weiß" (S 265 iVm 196 f, 200) wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht beeinträchtigt:

Zum einen hatte die Zeugin in der Hauptverhandlung ausdrücklich ihre Ankündigung anlässlich ihrer Vernehmung gemäß § 162a StPO, nicht mehr aussagen zu wollen, bekräftigt (S 101, 184); es wäre bei dieser Verfahrenslage Sache des Antragstellers gewesen, dem Gericht Anhaltspunkte dafür zu liefern, die Zeugin würde ihre - unumgängliche - Zustimmung zur begehrten Untersuchung geben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350; Tipold, WK-StPO § 134 Rz 9, 10).

Zum anderen legte der Beschwerdeführer im Antrag nicht dar, aus welchem Grund eine allfällige „psychische Traumatisierung durch sexuelle Ereignisse" und eine „Ehe mit einem psychisch kranken Ehepartner" die in Frage gestellte - und allein erhebliche - Glaubwürdigkeit der Zeugin beeinträchtigen sollte. Ein Sachverständigengutachten lediglich darüber („dass die Schilderungen ... Fiktionen darstellen") ist der Strafprozessordnung grundsätzlich fremd (Tipold aaO Rz 11).

Die Tatrichter gingen ausdrücklich davon aus, es gebe keine objektiven Anhaltspunkte für das Vorliegen von Einschränkungen der Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der Zeugin (S 200, 265; vgl Ratz aaO Rz 346, 347). Da über die Sachverhaltsgrundlage einer prozessualen Verfügung das dafür zuständige richterliche Organ in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) entscheidet und diese nur nach den Kriterien der Z 5 und 5a überprüft werden kann (Ratz aaO Rz 40, 41, 43, 46, 48, 50 sowie Vor § 280 Rz 13; 12 Os 104/03, 11 Os 34/04 ua), versagen die eigenständig beweiswürdigenden Hypothesen des Angeklagten über eine Beeinflussung der Zeugin durch angebliche Suggestivfragen seitens der psychologischen Sachverständigen. Das darüber hinausgehende Vorbringen der Verfahrensrüge - vor allem die angestrebte Einholung eines Obergutachtens nach § 126 Abs 2 StPO - widerstreitet dem Neuerungsverbot in Nichtigkeitsverfahren und ist schon deshalb unbeachtlich; abgesehen davon mangelt es der Tauglichkeit der Forderung nach Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Experten an der unabdingbaren Voraussetzung eines erfolglos gebliebenen Verbesserungsverfahrens nach §§ 125 f StPO (ON 28, 40; jüngst 12 Os 134/04).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entfernt sich mit der selbstgewählten - vermissten - Prämisse, die Erfüllung des Tatbildes des § 202 Abs 1 StGB fordere ein intensives Betasten der Brüste und ein qualifiziertes Betasten des Geschlechtsteiles über der Unterhose, nicht nur vom den faktischen Anfechtungsrahmen absteckenden Sachverhaltssubstrat des angefochtenen Urteils, wonach die Tatrichter unter anderem ein Saugen an der Brust und ein minutenlanges festes Drücken und Betasten des Schambereiches der Frau annahmen (US 4), sondern bleibt dafür auch jede Ableitung aus dem Gesetz schuldig. Sie entzieht sich somit sachbezogener Erwiderung. Bloß der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 Satz 2 StPO) sei daran erinnert, dass nur bloß flüchtige Berührungen der zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörigen Körperpartien keine geschlechtlichen Handlungen iSd § 202 Abs 1 StGB wären (vgl Schick in WK² § 202 Rz 9 bis 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufung des Angeklagten folgt (§§ 280, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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