Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian T***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und des Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (3), des Verbrechens der Kuppelei nach §§ 15, 213 Abs 2 StGB (4/a), des Vergehens der Kuppelei nach § 213 Abs 1 StGB (4/b) und mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 und Z 3 zweiter und (richtig: nur) fünfter Fall StGB (ersichtlich) idF BGBl I Nr 2004/15 (5) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wels
(1) von 2003 bis 18. Oktober 2006 mit seiner am 18. Oktober 1992 geborenen, mithin unmündigen Stieftochter Tanja R***** etwa einmal pro Woche eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er sie jeweils dazu veranlasste, Oralverkehr an ihm vorzunehmen;
(2) von 2002 bis 2003 außer dem Fall des § 206 StGB mehrmals dadurch geschlechtliche Handlungen an Tanja R***** vorgenommen, dass er sie im Brust- und Genitalbereich betastete;
(3) von 2003 bis 18. Oktober 2006 durch die zu 1 und 2 beschriebenen Tathandlungen (a) sowie dadurch, dass er von November 2006 bis Ende September 2008 in zahlreichen Fällen fast täglich den Geschlechtsverkehr mit Tanja R***** unternahm (b) mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von diesem an sich vornehmen lassen;
(4) jeweils im September 2008 seine minderjährige Stieftochter Tanja R***** zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person verleitet und zu verleiten versucht, indem er
a) sie in der Absicht, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, dazu überredete, „Geld mit Sex“ zu verdienen, zu diesem Zweck unter gleichzeitiger Schaltung eines Inserats des Inhalts „Suche nette Männer“ Nacktfotos von ihr im Internet veröffentlichte, mit dem User M***** ein Treffen zwecks Vollziehung des Geschlechtsverkehrs zum Preis von 70 Euro vereinbarte und die anfänglich ablehnende Tanja R***** durch Überredung dazu veranlasste, sich mit „M***** aus S*****“ zwecks Vollziehung des Geschlechtsverkehrs zu verabreden, wobei die Tat infolge der kurzfristigen Absage von Tanja R***** beim Versuch geblieben ist;
b) sie dazu überredete, seinem Freund Günther M***** anzubieten, mit ihr ins Bett zu gehen und sich sodann mit Letzterem nackt ins Bett zu legen, worauf es zum Austausch von „Zärtlichkeiten“ und der Simulierung eines Geschlechtsverkehrs kam;
(5) von November 2006 bis Ende September 2008 pornographische Darstellungen der minderjährigen Tanja R***** hergestellt und anderen zugänglich gemacht, indem er sie bei der Vornahme bzw Simulierung von Oralverkehr, beim Geschlechtsverkehr, während der Penetration ihrer Scheide mit einem Gegenstand bzw der Berührung ihrer Vagina mit der Zunge fotografierte sowie Nacktfotos von ihr anfertigte, die sie in aufreizender Pose stehend oder mit gespreizten Beinen liegend zeigen bzw auf denen allein ihre Genitalien bzw auch ihre entblößten Brüste zu sehen sind, und zumindest zwei dieser Abbildungen im Internet veröffentlichte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter die - sexuelle Handlungen mit Tanja R***** vor Vollendung deren 14. Lebensjahrs leugnende - Verantwortung des Angeklagten gar wohl erörtert und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie diese aufgrund der - mit ausführlicher Begründung für glaubwürdig erachteten - Angaben des Tatopfers im Verein mit den aktenkundigen Lichtbildern für widerlegt erachteten (US 8 ff). Dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei nicht verhalten, den vollständigen Inhalt seiner Aussage im Einzelnen darzustellen.
Zur Tatsachenrüge (Z 5a) ist festzuhalten, dass diese nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern will. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem der Beschwerdeführer - unter Außerachtlassung von den Tatrichtern hervorgehobener Belastungsmomente - vorbringt, dass aus den dem Urteil teilweise ohnehin zugrunde gelegten Prämissen für ihn günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können und diejenigen des Erstgerichts für nicht überzeugend erachtet, überschreitet er die Grenze zur im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099674). Mit dem Hinweis auf einzelne Passagen aus der Aussage der Mutter des Tatopfers, der Zeugin Waltraud W***** (zu den Wohnverhältnissen der Familie, ihren eigenen Schlafgewohnheiten und ihrer subjektiven Einschätzung, wonach sexuelle Übergriffe nur in ihrer Abwesenheit stattgefunden haben können [wovon das Erstgericht in Ansehung des Vollzugs von Oralverkehrs ohnehin ausging], weil sie „das sonst mitbekommen hätte“), werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht geweckt. Der Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) schließlich ist kein Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS-Justiz RS0102162).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) vermisst (in Betreff des Schuldspruchs 3/b) für die Beurteilung des Vorliegens eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums als wesentlich erachtete Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die Rechtsauskunft einer kompetenten Stelle einholte, „ob und in welchem Umfang hiebei sein Intelligenzgrad zu berücksichtigen sei“ und ob es sich gegebenenfalls um eine irreführende, unvollständige oder unrichtige Rechtsauskunft gehandelt habe.
Gesetzeskonformes Ausführen einer Rechtsrüge (Z 9) erfordert das strikte Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis, dass bei der Beurteilung dieses Tatsachensubstrats ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter konkretem Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch das Beweisverfahren (§ 258 Abs 1 StPO) indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung (Z 10) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600; RIS-Justiz RS0118580).
Diesen Anforderungen wird die Rüge nicht gerecht, indem sie - unter Verzicht auf jede Argumentation zu den in § 9 Abs 2 StGB angeführten Kriterien - bloß auf isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen und solcherart den vom Genannten dargestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit außer Betracht lassend zitierte Teile der eigenen Einlassung des Beschwerdeführers verweist, der sich damit verantwortete, nach dem ersten Geschlechtsverkehr mit Tanja R***** bei einer Hotline („Rat auf Draht“, TelNr 147“) telefonisch um Rechtsauskunft ersucht zu haben ohne dabei jedoch das Verwandtschaftsverhältnis zum Tatopfer bekannt zu geben, worauf ihm die Auskunft erteilt worden sei, dass unter Zugrundelegung der Richtigkeit seiner Angaben kein strafbares Verhalten vorliege (ON 2 S 67 f, ON 36 S 6, 19), und solcherart die Einholung einer den gesamten Sachverhalt erfassenden sachverständigen Rechtsauskunft gar nicht behauptete.
Sie lässt nämlich einerseits offen, inwiefern bei der gegebenen Fallkonstellation eine solche Erkundigung das Vorliegen eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums indizieren sollte (vgl dazu RIS-Justiz RS0089613; Mayerhofer StGB5 § 9 E 28b; Leukauf/Steininger Komm³ § 9 RN 15) und lässt zudem die unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen, warum die begehrten Feststellungen zu einer nach dem ersten Geschlechtsverkehr mit Tanja R***** nach Vollendung deren 14. Lebensjahres eingeholten Rechtsauskunft schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen.
Der Beschwerdeführer wurde nämlich zum Schuldspruch 3 einer unbestimmten Anzahl - vor (a) und nach (b) Vollendung des 14. Lebensjahres des Tatopfers begangener - gleichartiger, jeweils dem § 212 Abs 1 Z 1 StGB subsumierter Taten schuldig erkannt (sogenannnte gleichartige Verbrechensmenge; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 21, 33, 291 f). Inwiefern der mit dem Einwand der Sache nach angestrebte Wegfall bloß einzelner vom Schuldspruch 3/b umfasster sexueller Missbrauchshandlungen, mit anderen Worten eine Reduktion der Anzahl der Tathandlungen einen „(Teil-)Freispruch“ des Beschwerdeführers „betreffend der inkriminierten Fakten nach Vollendung des 14. Lebensjahres“ bewirken sollte, erklärt die Rüge nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass die mit Blick auf §§ 1, 61 StGB verfehlte Subsumtion der vom Schuldspruch 5 umfassten Tathandlungen unter § 207a Abs 1 Z 1 und 3 StGB idF BGBGl I 2004/15, statt unter die nicht ungünstigere Bestimmung des § 207a Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB idF BGBl I 2009/40 mangels für den Angeklagten nachteiliger Wirkung für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO keinen Anlass bietet.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)