OGH 12Os47/14z

OGH12Os47/14z11.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Mario S***** und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Tamara G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 4. Dezember 2013, GZ 12 Hv 20/13i‑34, sowie über deren Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494 Abs 1 Z 4 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./, weiters die zu I./B./ gebildete Subsumtionseinheit, in dem mit Schuldspruch II./ in Zusammenhang stehenden Zuspruch an den Privatbeteiligten Mario S***** in Höhe von 9.000 Euro, im Strafausspruch sowie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit ihrer Berufung und der Beschwerde wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihr fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mario S***** sowie gleichfalls unangefochten in Rechtskraft erwachsene Freisprüche des Genannten sowie der Tamara G***** enthält, wurde die Letztgenannte der Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall (I./B./) und der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat Tamara G*****

„I./B./ in W***** und anderen Orten in der Zeit von Oktober 2011 bis 5. Juni 2012 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eines schweren Betrugs eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Mario S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung ihrer (Rück‑)Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zu Handlungen, und zwar zur Übergabe von insgesamt 99.850 Euro als Darlehen, verleitet, wodurch Mario S***** an seinem Vermögen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag geschädigt wurde, sowie

II. am 5., 6., 7. und 8. Mai 2012 in nicht mehr feststellbaren Orten im österreichischen Bundesgebiet mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mario S***** durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, die diesen am Vermögen schädigte, nämlich zur Übergabe von 9.000 Euro genötigt, indem sie ihm SMS‑Nachrichten mit den Inhalten 'Du verarscht mi grod wieda und holtst mi nur hin und i würd mi am liebsten glei vor a Auto haun i kaun net mehr!', 'Bitte moch des für mi bitte Mario i bin wirklich so weit das i mit olln abschließ! I schoffs net mehr i hob nur mehr bis 19 Uhr. Bitte i wird di jo dann a net entäuschen bitte i fleh di an', 'I hätts ma net gedacht! Jetzt kau i mi echt erschießn!' sowie 'Na hilft nix na red du nomol mit iam bitte i bin jetzt kurz davor das i mi echt vor an Auto schmeiß' schickte und solcherart Drohungen mit ihrem Selbstmord äußerte, die geeignet waren, Mario S***** begründete Besorgnisse einzuflößen.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Tamara G*****, die ihr Ziel verfehlt.

Widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) sind zwei Aussagen nur dann, wenn sie unter Einbeziehung von Erfahrungswerten als zueinander im Widerspruch stehend, somit als nach den Denkgesetzen unvereinbar zu bewerten sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439). Weshalb die Feststellungen, wonach die Angeklagte ein monatliches Karenzgeld in Höhe von 700 Euro bezieht, über kein nennenswertes Vermögen verfügt, Schulden in Höhe von etwa 50.000 Euro hat (US 8) sowie dem Mario S***** „ab Jänner 2012“ erzählte, dass sie in Bedrängnis von „Kredithaien“ gekommen sei (weshalb sie weitere Geldbeträge in beträchtlicher Höhe benötigt habe, um die Spielschulden ihres Vaters und andere private Verbindlichkeiten zu begleichen; vgl US 12), zu den Konstatierungen, sie habe Mario S***** stets versichert, die geliehenen Geldbeträge zurückgeben zu können und auch zu wollen, und der Genannte hätte ihr die Geldbeträge nicht ausbezahlt, hätte er gewusst, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen ihm gegenüber nicht nachkommen werde, „in einem nach den Denkgesetzen unlösbaren Widerspruch“ stehen sollten, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, sodass dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.

Gegenstand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Indem die gegen den Schuldspruch I./B./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Verweis auf den Ausspruch des Erstgerichts, dass die Angeklagte Mario S***** im Jänner 2012 ‑ nachdem dieser ihr bereits 48.000 Euro übergeben hatte ‑ informierte, „in Bedrängnis von Kredithaien gekommen zu sein“ (weswegen sie weitere Geldbeträge in beträchtlicher Höhe benötigt habe; US 12), (sinngemäß) den inkriminierten und festgestellten Betrugshandlungen die Täuschungseignung abspricht, orientiert sie sich nicht am die mangelnde Rückzahlungswilligkeit und Rückzahlungsfähigkeit annehmenden Urteilssachverhalt (insb US 21), sondern wendet sich vielmehr nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung und verfehlt damit die gesetzlichen Anfechtungskriterien (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 593). Die Behauptung, das Urteil sei demnach mit einem Rechtsfehler mangels Feststellungen zur objektiven Tatseite behaftet, leitet nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff), weshalb noch weitere (und welche [konkret zu bezeichnende]) ‑ über die ohnedies vorliegenden Urteilsannahmen hinausgehende ‑ Konstatierungen für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich gewesen wären.

Genauso wenig leitet die den Schuldspruch II./ bekämpfende Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit der Behauptung, das Erstgericht könne der Nichtigkeitswerberin aufgrund der bei ihr festgestellten ‑ auf ihre „prekäre Situation“ zurückzuführende ‑ Suizidgefahr das Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB nicht zur Last legen, eine materiell‑rechtliche Nichtigkeit methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen war:

Denn die Ankündigung des Suizids erfüllt nicht die Kriterien einer gefährlichen Drohung nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB (RIS-Justiz RS0125246; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 105 Rz 51). Dies gilt insbesondere auch für den Fall, in dem eine „Sympathieperson“ (das ist eine dem Bedrohten nahestehende Person wie etwa insbesondere ein[e] Angehörige[r] oder zB auch ein Arbeitskollege) ankündigt, sich „sonst“ das Leben zu nehmen. § 74 Abs 1 Z 5 StGB geht davon aus, dass Drohender und bedrohte Person nicht identisch sind (Kienapfel/Schroll, StudB BT I³ § 105 Rz 51; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 53; R. Sailer SbgK § 105 Rz 55).

Eine Drohung mit Selbstmord könnte nur dann eine zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 144 Abs 1 StGB geeignete gefährliche Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB sein, wenn sie auch mit einer Drohung gegen den Bedrohten selbst oder eine diesem nahestehende dritte Person (Sympathieperson) verbunden wird (vgl RIS-Justiz RS0123065 [= 15 Os 148/07i], RS0120471 [T1]; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 53).

Infolge seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Erstgericht allerdings keine ausreichenden, die Tatbeurteilung in Richtung einer in diesem inkriminierten Verhalten zum Ausdruck kommenden allfälligen weiteren Betrugshandlung (wie von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift angenommen) ermöglichenden ‑ nach der Aktenlage aber indizierten ‑ Feststellungen zu einer Täuschungshandlung und zur subjektiven Tatseite getroffen, sodass insofern eine Entscheidung in der Sache selbst noch nicht möglich ist. Insoweit war daher Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Demgemäß waren der Schuldspruch II./, aufgrund des oben Dargelegten auch die zu I./B./ gebildete Subsumtionseinheit, der Strafausspruch, der mit dem Schuldspruch II./ in Zusammenhang stehende Zuspruch an den Privatbeteiligten in Höhe von 9.000 Euro ebenso wie der Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und dem Landesgericht Eisenstadt die neue Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang aufzutragen.

Mit ihrer Berufung und ihrer (gemäß § 498 Abs 3 StPO impliziten) Beschwerde war die Angeklagte Tamara G***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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