OGH 12Os42/19x

OGH12Os42/19x7.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sysel als Schriftführer in der Strafsache gegen Enver M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten MMag. Dr. Rudolf J***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 2018, GZ 115 Hv 112/14d‑287, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00042.19X.1107.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten MMag. Dr. Rudolf J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde MMag. Dr. Rudolf J***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat zumindest vom 14. Februar 2008 bis Ende 2009 in W***** als faktischer Geschäftsführer (§ 161 Abs 1 StGB) der S***** GmbH das Vermögen der genannten Gesellschaft wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft, nämlich der W***** und zumindest 49 anderer Gläubiger laut Anmeldeverzeichnis im Konkursverfahren des Handelsgerichts Wien, AZ *****, vereitelt oder geschmälert, indem er den außer Verfolgung gesetzten Ronald S***** als weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft dazu „bestimmte“, einen zuvor von Enver M***** der Gesellschaft in der Krise gewährten Kredit in Höhe von 85.800 Euro, welcher Eigenkapital ersetzend war (§ 1 EKEG), vor Sanierung und entgegen der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG samt Zinsen im Betrag von zumindest 88.636,45 Euro durch Barzahlungen und Überweisungen zurückzuzahlen.

Hingegen wurde Enver M***** gemäß § 259 Z 3 StPO von der wider ihn erhobenen Anklage freigesprochen, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit MMag. Dr. Rudolf J***** zumindest vom 14. Februar 2008 bis Ende 2009 in W***** als faktischer Geschäftsführer (§ 161 Abs 1 StGB) der S***** GmbH, einen Bestandteil des Vermögens der genannten Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft, nämlich der W***** und zumindest 49 anderer Gläubiger laut Anmeldeverzeichnis im Konkursverfahren des Handelsgerichts Wien, AZ *****, vereitelt oder geschmälert, indem er den außer Verfolgung gesetzten Ronald S***** als weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft dazu bestimmte, einen zuvor von Enver M***** der Gesellschaft in der Krise gewährten Kredit in Höhe von 85.800 Euro, welcher Eigenkapital ersetzend war (§ 1 EKEG), vor Sanierung und entgegen der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG samt Zinsen von zumindest 23.132,10 Euro, somit einen Betrag von zumindest 108.932,10 Euro, durch Bezahlungen und Überweisungen zurückzuzahlen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte MMag. Dr. Rudolf J***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

 

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten MMag. Dr. Rudolf J*****:

Deren Behandlung ist voranzustellen:

Die Rückzahlung eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens an den Gesellschafter hat eine Verringerung des Haftungsfonds der Gläubiger zur Folge, weil solcherart das zur Verfügung stehende Vermögen der Gesellschaft reduziert wird, ohne dass damit – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – eine im Zeitpunkt der Kridasituation zu Recht bestehende Forderung beglichen wird. Der Vermögensstatus wird daher zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft wirklich verringert. Ein diese Transaktion vorsätzlich bewirkender Geschäftsführer einer GmbH verantwortet somit den Tatbestand der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (RIS‑Justiz RS0116824).

Eigenkapital ersetzend (zu den hier nicht relevanten Ausnahmen siehe § 3 Abs 1 EKEG) ist ein Kredit, den ein Gesellschafter (§ 5 EKEG) der Gesellschaft (§ 4 EKEG) in der Krise (§ 2 EKEG) gewährt (§ 1 EKEG).

In Ansehung eines solchen Kredits normiert § 14 Abs 1 EKEG eine Rückzahlungssperre dergestalt, dass der Gesellschafter einen Eigenkapital ersetzenden Kredit samt den darauf entfallenden Zinsen nicht zurückfordern kann, solange die Gesellschaft nicht saniert ist. Dies ist der Fall, solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf besteht oder einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Kredits eintreten würde.

Erwirbt hingegen jemand an einer in der Krise befindlichen Gesellschaft eine Beteiligung zum Zweck der Überwindung der Krise, so sind die im Rahmen eines Sanierungskonzepts zu diesem Zweck neu gewährten Kredite nicht Eigenkapital ersetzend (§ 13 EKEG) und unterliegen solcherart nicht der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG. Grundvoraussetzung für die Anwendung dieses Sanierungsprivilegs ist ein Beteiligungserwerb des nunmehrigen Kreditgebers in der Krise (

Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 13 EKEG Rz 4). Bereits beim Beteiligungserwerb muss das Ziel der Sanierung verfolgt worden sein (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 13 EKEG Rz 13; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 13 Rz 5 f; Vogt in Schopper/Vogt, Eigenkapitalersatzgesetz § 13 Rz 10). Zudem muss die Kreditvergabe zu Sanierungszwecken (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 13 EKEG Rz 14; Vogt in Schopper/Vogt, Eigenkapitalersatzgesetz § 13 Rz 10) und im Rahmen eines ex ante tauglichen Sanierungskonzepts (Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 13 EKEG Rz 15; Dellinger in Dellinger/Mohr, Eigenkapitalersatz-Gesetz § 13 Rz 9 f; Vogt in Schopper/Vogt, Eigenkapitalersatzgesetz § 13 Rz 18) erfolgen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 EKEG verneinte das Erstgericht (US 27).

Insoweit stellte es – soweit hier von Bedeutung – fest, dass für Enver M***** bei der Gewährung des Darlehens „die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund“ stand und es ihm nicht ausschließlich darauf ankam, das Unternehmen zu sanieren (US 10). Feststellungen zum Zweck des Beteiligungserwerbs des Enver M***** an der S***** GmbH (insbesondere dazu, dass dieser zu Sanierungszwecken erfolgte) sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.

 

Das Fehlen dieser für eine rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Kredits als nicht Eigenkapital ersetzend im Sinn des § 13 EKEG erforderlichen Feststellungsbasis bleibt vom Beschwerdeführer unbekämpft.

Vielmehr fordert er (der Sache nach Z 9 lit a) mit dem Hinweis auf seine Verantwortung (ON 244 S 6) und die Aussage des Zeugen Dr. W***** (ON 257 S 40), die seiner Ansicht nach darauf hindeuten, dass die Abtretung der Geschäftsanteile an Enver M***** „nur der Sicherheit diente“, gerade gegenteilige Feststellungen.

Da die Rüge solcherart keinen Feststellungsmangel (vgl RIS‑Justiz RS0118580) betreffend den Erwerb der Beteiligung zur Überwindung der Krise geltend macht, spricht sämtliches Beschwerdevorbringen betreffend die weiteren Voraussetzungen des § 13 EKEG keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen an, sodass sich ein Eingehen auf die bezughabenden Einwände erübrigt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Einzelnen:

Die Verfahrensrüge (Z 2) richtet sich mit der Behauptung, Ronald S***** wäre von der Kriminalpolizei nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter zu vernehmen gewesen, gegen die Verlesung (ON 257 S 28) mehrerer Protokolle über dessen Vernehmung.

Damit macht sie keine Nichtigkeit nach § 152 Abs 1 zweiter Halbsatz StPO geltend, wonach die Bestimmungen über die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen durch Erkundigungen, das heißt der Aufklärung einer Straftat unter Vorbereitung der Beweisaufnahme dienende formlose Informationsaufnahmen (Kirchbacher, WK‑StPO § 152 Rz 1; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.513 ff) zu verstehen sind, nicht umgangen werden dürfen.

Das Vorbringen, dieser „Umstand wird neben § 281 Abs 1 Z 2 auch als Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 3 und Z 4 geltend gemacht“, geht daran vorbei, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet. Solcherart entzieht es sich von vornherein einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0115902).

Soweit die Verfahrensrüge (Z 3) einen Verstoß gegen § 157 Abs 2 StPO geltend macht, weil der Sachbearbeiter der H***** GmbH, bei dem es sich um eine Hilfskraft im Sinn des § 157 Abs 2 StPO handle, bei seiner Vernehmung als Zeuge (ON 246 S 7 ff) ohne Belehrung über das ihm gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO zukommende Recht auf Verweigerung der Aussage als Zeuge vernommen worden sei, verfehlt sie ihr Ziel.

Da sich die Aussage des Genannten ausschließlich – von Bedeutung bloß für das allfällige Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 EKEG relevant (siehe dazu oben) – auf das Sanierungskonzept der Steuerberatungskanzlei H***** GmbH und das vorrangige Ziel der Darlehensgewährung bezog (vgl US 16 f), konnte die behauptete Formverletzung nämlich – selbst wenn sie vorgelegen wäre – unzweifelhaft keinen Einfluss auf die Entscheidung herbeiführen (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 734, 740 f).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 286 S 28) des Antrags auf „Ausdehnung des Gutachtens auf die Frage der Datenhöhe, dass dem Sachverständigen die Mitteilung der Frage aufgetragen werden möge, ob das gegenständlich nach der Ausgleichstagsatzung vom Steuerberatungsbüro N***** erstellte Sanierungskonzept aus Sachverständigen-Sicht und aufgrund der Erfahrungen des Herr Sachverständigen Ausfluss auf die konkret in der Tagsatzung vom 16. 1. 2008 erfolgte Beschlussfassung der Gläubiger hatte“ (ON 286 S 27 f), Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil dieser Antragstellung ein auf seine Relevanz überprüfbares konkretes Beweisthema nicht zu entnehmen ist (RIS‑Justiz RS0099301).

Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge und Tatsachenrüge anfechtbar, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO entscheidend sind (RIS‑Justiz RS0117499; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399).

Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) darin erblickt, dass ihn die Tatrichter einerseits als faktischen Geschäftsführer ansahen (zB US 2, 14 f) andererseits jedoch Feststellungen dahingehend getroffen hätten, dass er Ronald S***** zu Vermögensverfügungen „bestimmt“ hätte, somit von „einer Beteiligung an der betrügerischen Krida“ ausgegangen seien, spricht er keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0013731, RS0089433). Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen kann die Art strafbarer Beteiligung nach § 12 StGB weder aus Z 5 noch aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0117604). Im Übrigen besteht kein Widerspruch (RIS‑Justiz RS0119089) zwischen der Annahme, dass es sich bei MMag. Dr. J***** um einen de-facto‑Geschäftsführer der S***** GmbH handelte und den Konstatierungen zu seinen Aufforderungen zur Darlehensrückführung an den (Mit‑)Geschäftsführer Ronald S***** („bestimmte“ [US 3, 14], „verlangte“ [US 10], „aufforderte“ [US 10]; vgl auch RIS‑Justiz RS0095015).

Indem die Mängelrüge bei ihrem Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zu den Tathandlungen des Beschwerdeführers auf einzelne, zuvor als widersprüchlich gerügte Urteilsannahmen Bezug nimmt, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370), vernachlässigt sie doch die Konstatierungen, wonach der Rechtsmittelwerber die Rückführung des Darlehens an Enver M***** veranlasste (US 3 iVm US 12 ff).

Nicht nachvollziehbar ist die Beschwerde, wenn sie einerseits vermeint, das Erstgericht hätte nicht dargelegt, „welche Tathandlung nun welcher Angeklagter begangen hat“, und eine „Differenzierung im Hinblick auf den Erst- und den Zweitangeklagten“ vermisst, andererseits jedoch kritisiert, die Tatrichter hätten „hinsichtlich der beiden Angeklagten unterschiedliche Tathandlungen“ festgestellt.

Inwiefern die Feststellung, „beiden Angeklagten war bei den Tathandlungen jeweils bewusst, dass …“ undeutlich sein soll, vermag die – die Formulierung zudem aus ihrem Kontext gelöst betrachtende – Rüge nicht darzulegen.

Gleiches gilt für die Kritik an der Wendung „als faktischer Geschäftsführer bzw als leitender Angestellter“, sind doch de‑facto‑Geschäftsführer nach der Rechtsprechung leitende Angestellte iSd § 74 Abs 3 zweiter Satz StGB (Kirchbacher in WK2 StGB § 161 Rz 13; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 161 Rz 5a; vgl auch RIS‑Justiz RS0095015 [T1]).

Auf den Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach es beiden Angeklagten bei der Gewährung des Darlehens sowie bei der Beauftragung der Steuerberatungskanzlei H***** GmbH mit der Erstellung eines Konzepts zur Beurteilung der Darlehensfinanzierung nicht ausschließlich darauf ankam, das Unternehmen S***** GmbH zu sanieren, sondern für beide Angeklagte die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund stand (US 10), ist – wie eingangs dargestellt – nicht näher einzugehen.

Soweit der Beschwerdeführer die Feststellungen, wonach er maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung und zudem Druck auf Ronald S***** ausübte, das Darlehen so bald wie möglich zurückzuzahlen, und von diesem verlangte, dass er Mieteinnahmen sofort an Enver M***** abführen solle (US 10), als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, orientiert sich die Rüge einmal mehr prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (insbesondere US 21).

Die Kritik (Z 5 vierter Fall) an der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer Enver M***** zu sämtlichen Vorgängen rund um die Darlehensrückzahlung eingehend beriet, wendet sich nicht gegen eine entscheidende Tatsache.

Zur Bekämpfung der Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite des Enver M***** ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert (vgl Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 14).

Der Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei erheblich unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen vor. Aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus. Daher wird mit dem gegen die Feststellung, wonach die Mehrzahl der Kunden der S***** GmbH veranlasst wurde, direkt auf die Anderkonten zu bezahlen (US 12), erhobenen Einwand, diese sei „aus den in der Beweiswürdigung genannten Beweisergebnissen nicht abzuleiten“, Aktenwidrigkeit der Sache nach nicht geltend gemacht (vgl RIS‑Justiz RS0099431 [insbesondere T15, T16]). Im Übrigen wendet sich der Beschwerdeführer damit einmal mehr nicht gegen Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert, der Beschwerdeführer habe keine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung gesetzt. Dabei setzt sie sich jedoch über die Feststellungen hinweg, wonach er als (de facto) Geschäftsführer (US 2 iVm US 10, US 15) die inkriminierte Darlehensrückzahlung durch den (de iure) Geschäftsführer Ronald S***** veranlasste (US 10 ff), und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Weshalb ausschließlich Ronald S***** unmittelbarer Täter sein soll, der Beschwerdeführer jedoch „mangels Subjekteigenschaft keinesfalls unmittelbarer Täter gemäß § 156 StGB“ sein könne, und der faktische Geschäftsführer einer GmbH für seine kridaträchtige Geschäftsführung nicht als unmittelbarer Täter haften sollte (§ 161 Abs 1 iVm § 74 Abs 3 StGB; erneut RIS‑Justiz RS0095015), leitet die Nichtigkeitsbeschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

Faktischer Geschäftsführer ist, wer – ohne förmlich bestellt zu sein – maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, womit es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Außenstehenden handelt (RIS‑Justiz RS0119794).

Weshalb zur Annahme faktischer Geschäftsführung auch ein nach außen erkennbares Gerieren wie ein Geschäftsführer hinzukommen müsse (mag ein solches auch oft vorkommen, vgl RIS‑Justiz RS0126308), leitet die Beschwerde ebensowenig aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).

Indem die Rüge unter der urteilsfremden Prämisse, MMag. Dr. J***** sei ein Extraneus, Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Ronald S***** vermisst, ist sie einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Soweit die Beschwerde (Z 9 lit a) argumentiert, im Zeitpunkt der Kreditgewährung sei die Krise im Sinn des § 2 Abs 1 EKEG zufolge positiver Abstimmung des Ausgleichsvorschlags (nach vereinbarter Quotenzahlung) am 16. Jänner 2008 (US 6) und gerichtlicher Bestätigung desselben (US 10) bereits überwunden gewesen, erschöpft sie sich in bloßen Rechtsbehauptungen (vgl aber Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 14 EKEG Rz 9; Vogt in Schopper/Vogt, Eigenkapitalersatzgesetz § 14 Rz 2; Zehetner/Bauer, Eigenkapitalersatzrecht 97).

Die Berufung auf die Materialien zum Gesellschafts- und Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2003 (EBRV 124 BlgNR 22. GP  13), wonach mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach einem bestätigten (Zwangs‑)Ausgleich in der Regel auch die Krise behoben sei, geht schon deshalb ins Leere, weil das Ausgleichsverfahren erst am 18. März 2008 aufgehoben wurde (US 10), die Darlehensgewährung jedoch bereits am 8. Februar 2008 erfolgte (US 9).

Der unter isolierter Darstellung eines Teils der Feststellungen zur Ausgleichstagsatzung am 16. Jänner 2008 (US 6) erhobene Einwand, das Erstgericht habe keine ausreichenden Konstatierungen für die Annahme einer Krise der Gesellschaft (§ 2 Abs 1 EKEG) zum Zeitpunkt der Kreditgewährung getroffen, orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der tatrichterlichen Sachverhaltsannahmen (insbesondere US 6 ff und 10).

Soweit der Beschwerdeführer die Gesellschafterstellung des Enver M***** (§ 5 EKEG) unter Hinweis auf den erst am 8. April 2008 aufgenommenen Notariatsakt (US 9) bestreitet, legt er nicht dar, weshalb dies der Zurechnung der Darlehensgewährung zur (künftigen) Gesellschafterstellung entgegenstehen soll, war doch der Beteiligungserwerb zum Zeitpunkt der Kreditgewährung nicht nur konkret geplant, sondern sogar schriftlich festgehalten (US 7 f; vgl Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Erster Zusatzband, § 13 EKEG Rz 19;

Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch zum Gesellschaftsrecht [2007] Rz 2388; Artmann in

Artmann/Karollus, AktG I6 [2018] § 52 Rz 56).

 

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Konstatierung, wonach die Tatrichter nicht feststellen konnten, dass es Enver M***** ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens keinen Gläubiger zu befriedigen, sondern eine dem Rückzahlungsverbot widersprechende Leistung zu erbringen und damit den Vermögensstatus der Gesellschaft zum Nachteil der Gläubiger zu verändern (US 15).

Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie der insoweit leugnenden Verantwortung dieses Angeklagten folgten (US 22). Dass aus dem objektiven Geschehensablauf auch andere Schlussfolgerungen – wie beim Mitangeklagten MMag. Dr. J***** – möglich waren, vermag den Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (RIS‑Justiz RS0098471 [T7]). Indem die Beschwerdeführerin den Schlüssen der Tatrichter ihre eigene Bewertung der Verfahrensergebnisse als „geradezu selbstverständlich“ entgegenhält, übt sie bloß Kritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

Soweit die Staatsanwaltschaft vermeint, dass die Tatrichter „wesentliche entgegenstehende Beweisergebnisse“ übergangen hätten (Z 5 zweiter Fall), unterlässt sie es, diese deutlich und bestimmt zu bezeichnen (vgl RIS-Justiz RS0099434). Inwiefern die kritisierte Negativfeststellung ferner undeutlich (Z 5 erster Fall) oder mit sich selbst im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) sein soll, erklärt die Rüge nicht.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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