European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00037.15F.0409.000
Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts Graz vom 28. März 2014, AZ 16 Bl 1/14g, verletzt, indem er die Fortführung des Ermittlungsverfahrens AZ 8 St 154/13z der Staatsanwaltschaft Graz anordnete, anstatt den Antrag der Bankhaus D***** AG auf Fortführung dieses Verfahrens zurückzuweisen, § 196 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 195 Abs 2 dritter Satz StPO.
Der bezeichnete Beschluss wird aufgehoben und der Antrag der Bankhaus D***** AG auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens AZ 8 St 154/13z der Staatsanwaltschaft Graz zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Graz führte zu AZ 8 St 154/13z ein Ermittlungsverfahren gegen Paul P***** wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB. Demnach soll er im Sommer 2011 mit entsprechendem Vorsatz Verfügungsberechtigte der Bankhaus D***** AG durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit zur Kreditfinanzierung des Restkaufpreises für ein Elektrogerät verleitet haben. Zudem ermittelte die Anklagebehörde aufgrund eines von der Finanzpolizei angezeigten Betrugsverdachts in Richtung § 146 StGB zum Nachteil des AMS (ON 8).
Am 21. November 2013 brachte die Staatsanwaltschaft Graz wegen des letzterwähnten Vorwurfs einen Strafantrag gegen Paul P***** beim Bezirksgericht Deutschlandsberg ein (ON 11). Zugleich stellte sie das über Initiative der Bankhaus D***** AG eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 5) und begründete diesen Schritt ‑ auf Verlangen des Opfers (§ 194 Abs 2 zweiter Satz StPO; ON 11a) ‑ im Wesentlichen damit, dass dem Beschuldigten kein Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz nachzuweisen sein werde, weil er „zumindest im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags liquid genug war, um einen Teil des Kaufpreises anzuzahlen und es trotz der gegen ihn anhängigen Exekutionsverfahren nicht von vornherein auszuschließen ist, dass er die monatlichen Raten bei entsprechender Anspannung hätte aufbringen können und wollen“ (ON 12).
Am 18. Dezember 2013 beantragte die Bankhaus D***** AG die Fortführung des Ermittlungsverfahrens (§ 195 StPO), „weil das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde und erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen bestehen, die der Entscheidung über die Beendigung zugrunde gelegt wurden“, und die Frage, ob dem Beschuldigten ein entsprechender Vorsatz nachzuweisen ist oder nicht, „nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens, sondern […] im Rahmen der Hauptverhandlung zu erheben“ sei (ON 13 S 5 f).
Mit dem angefochtenen Beschluss ordnete das Landesgericht für Strafsachen Graz die Fortführung des Ermittlungsverfahrens mit der Begründung an, es sei „nicht plausibel“, weshalb einem Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren die Beweiswürdigung hinsichtlich der subjektiven Tatseite entzogen sein soll, doch könne „diese Beweiswürdigung in den engen Grenzen der Unerträglichkeit bzw Willkür bekämpft werden“. Es bejahte diese Voraussetzungen, weil die Anklagebehörde das ‑ von der „Fortführungswerberin in ihrem Antrag auf Einleitung von strafgerichtlichen Erhebungen vom 31. Juli 2013 zutreffend“ aufgezeigte ‑ Vorhandensein zahlreicher Vorgläubiger mit ausstehenden Forderungen von rund 80.000 Euro außer Acht gelassen habe und die Tatsache der Einbringung eines Strafantrags gegen den Beschuldigten wegen § 146 StGB „im Gesamtkontext“ (…) „nicht unbedeutend“ sei; schließlich könne eine geleistete Anzahlung Betrugsvorsatz nicht ausschließen und wären „wahrheitswidrige“ Angaben des Beschuldigten nicht geeignet, ihn zu entlasten, sondern würden sie den Verdacht des Täuschungsvorsatzes nur verstärken (ON 16).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 195 Abs 2 dritter Satz StPO sind in einem Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens die Gründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind, widrigenfalls der Antrag vom Gericht gemäß § 196 Abs 2 erster Satz StPO zurückzuweisen ist. Das Gericht ist demnach nicht befugt, über den vom Fortführungswerber (im Fortführungsantrag sowie in der Äußerung zur diesbezüglichen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft) gesteckten Rahmen hinaus (zum Nachteil des Beschuldigten) amtswegig tätig zu werden und vom Antragsteller nicht (gesetzmäßig) geltend gemachte Argumente, die sich (nach Ansicht des Gerichts) etwa aus dem Akt ergeben, gegen die Einstellung aufzugreifen (RIS‑Justiz RS0126210, RS0126211 [T1]).
Die Fortführung eines ‑ wie hier (ON 1 S 5) ‑ aus tatsächlichen Gründen (§ 190 Z 2 StPO) eingestellten Ermittlungsverfahrens kann vom Opfer wegen einer rechtsfehlerhaften (willkürlichen) Ermessensübung der Staatsanwaltschaft (§ 195 Abs 1 Z 1 StPO), wegen Missachtung aktenkundiger erheblicher Beweismittel und wegen erheblich bedenklichem Ermessensgebrauch (§ 195 Abs 1 Z 2 StPO; 13 Os 19/14i) sowie aufgrund beigebrachter neuer Tatsachen und Beweismittel (§ 195 Abs 1 Z 3 StPO) verlangt werden (zum Ganzen vgl Nordmeyer, WK‑StPO § 195 Rz 15 ff).
Vorliegend hat die Fortführungswerberin ‑ abgesehen vom unsubstanziierten Vorbringen betreffend erhebliche Bedenken ‑ lediglich die fehlende Befugnis der Staatsanwaltschaft zur Beurteilung der inneren Tatseite eingewendet, welche (rechtliche) Argumentation das Landesgericht für Strafsachen Graz zutreffend als nicht stichhaltig erachtet hat (zur ‑ auch die subjektive Tatseite umfassenden ‑ Prognoseentscheidung der Staatsanwaltschaft bei ihrer Beurteilung, ob das Verfahren einzustellen [§§ 190 ff StPO], eine diversionelle Maßnahme zu ergreifen [§§ 198 ff StPO] oder Anklage zu erheben ist [§ 210 Abs 1 StPO], siehe Nordmeyer, WK‑StPO § 190 Rz 2 ff, 14; Schroll, WK‑StPO § 198 Rz 3 sowie Birklbauer/Mayrhofer, WK‑StPO § 210 Rz 4 ff).
Der Senat hätte jedoch ‑ da die Fortführungswerberin weder eine willkürliche noch eine erheblich bedenkliche Begründung (§ 195 Abs 2 Z 2 StPO) gesetzmäßig vorgebracht und Neuerungen (Z 3 leg cit) nicht einmal behauptet hat ‑ die Verdachtslage inhaltlich nicht (neuerlich) prüfen dürfen, sondern den Antrag zurückweisen müssen (§ 196 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 195 Abs 2 dritter Satz StPO).
Der angefochtene Beschluss wirkt sich zum Nachteil des Beschuldigten aus, sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, die Feststellung der vorliegenden Gesetzesverletzung mit der im Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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