European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00003.20P.0227.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wacha M***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 19. Mai 2019 in W***** seine Ehefrau Kameta S***** zu töten versucht, indem er sie mit beiden Händen am Hals würgte, wodurch sie deutliche Würgemerkmale mit Einblutungen erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4 und 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert, dass dem Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 18. November 2019 Angaben des – in weiterer Folge die Aussagebefreiung gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO in Anspruch nehmenden (ON 43 S 15) – Opfers vorgehalten wurden (ON 43 S 6). Dabei übersieht sie, dass dieser „Vorhalt“ (eines Beweismittels) im Rahmen der Vernehmung des Angeklagten über den Inhalt der Anklage (§ 308 Abs 1 iVm § 245 Abs 1 zweiter Satz StPO) und nicht im Zuge des Beweisverfahrens (§ 308 Abs 1 iVm § 246 Abs 1 StPO) erfolgte, weshalb insofern eine Nichtigkeit gemäß § 345 Abs 1 Z 4 StPO auch mit Blick auf das Umgehungsverbot des § 252 Abs 4 StPO nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0117390 und RS0113446; Philipp, WK‑StPO § 308 Rz 1; Kirchbacher, WK‑StPO § 245 Rz 64 f).
Die Fragenrüge (Z 6) vermisst Eventualfragen in Richtung des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach (richtig) §§ 15, 84 Abs 4 StGB sowie des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach (richtig) §§ 15, 87 Abs 1 StGB, bezeichnet aber kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes, die Stellung derartiger Fragen indizierendes Tatsachensubstrat (RIS‑Justiz RS0100860 und RS0117447 [T2, T4]):
Die ins Treffen geführte, in der Hauptverhandlung am 18. November 2019 gebotene Einlassung des Angeklagten erschöpft sich – mit dem Verletzungsbild seiner Ehefrau konfrontiert – nur in der Beteuerung, „niemals“ in seinem Leben „gedacht“ zu haben, seine Frau „töten“ zu wollen und sich das Geschehen – wenn er „es gemacht“ habe – „nicht erklären“ zu können, jedenfalls aber „nicht absichtlich“ gehandelt zu haben (ON 43 S 4 ff). Da das bloße Bestreiten eines Tötungsvorsatzes – der Beschwerde zuwider – noch nicht die Behauptung enthält, mit Verletzungsvorsatz oder gar mit Verletzungsabsicht vorgegangen zu sein (RIS‑Justiz RS0113213), war der Schwurgerichtshof aufgrund der Verantwortung des Angeklagten nicht dazu verhalten, die vermissten Eventualfragen zu stellen.
Ebenso wenig stellen dieim gerichtsmedizinischen Gutachten von ao. Univ. Prof. Dr. R***** dokumentierten (dem Grad nach als „leicht“ eingestuften) Verletzungen der Kameta S***** (ON 22 und ON 43 S 15 f) nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernst zu nehmende Indizien für eine entsprechende (nur auf Verletzung gerichtete) subjektive Tatseite des Angeklagten dar (RIS-Justiz RS0119417). Bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten können nicht Gegenstand einer Eventualfrage sein (RIS‑Justiz RS0102724, RS0117447 [T12]).
Mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zur Aussage der Zeugin B***** sowie der gerichtsmedizinischen Expertise vermag die Beschwerde (der Sache nach Z 10a) auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Soweit die Rüge Mutmaßungen über mögliche Gründe für das Abstimmungsverhalten der Geschworenen anstellt und damit erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen versucht (erneut der Sache nach Z 10a), verkennt sie, dass das Abstimmungsverhalten der Laienrichter keine sich aus den Akten ergebende, aus in der Hauptverhandlung vorkommenden Beweismitteln abgeleitete Tatsache im Sinn des § 345 Abs 1 Z 10a StPO darstellt (RIS‑Justiz RS0115549 [T3]).
Durch die Berufung auf den sogenannten Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ebenso wenig ein aus Z 10a des § 345 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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