OGH 12Os29/15d

OGH12Os29/15d9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine K***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. September 2014, AZ 11 Bs 108/14s, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, und der Verurteilten Christine K***** zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00029.15D.0409.000

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. September 2014, AZ 11 Bs 108/14s, verletzt, soweit es in seinem Strafausspruch die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit zehn Euro bestimmt, das Gesetz in §§ 16, 295 Abs 2 erster Satz StPO.

Das genannte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die Höhe des einzelnen Tagessatzes aufgehoben und dieser mit vier Euro bestimmt.

Text

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Innsbruck vom 26. November 2013, GZ 34 Hv 108/13i‑46, wurde Christine K***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (I./1./ bis 4./) und des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt und hiefür nach § 148 erster Fall StGB unter Anwendung von § 43a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen und einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit vier Euro bestimmt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 180 Tagen festgesetzt (US 3).

Der von der Angeklagten gegen dieses ‑ von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte ‑ Urteil erhobenen Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Entscheidung vom 16. September 2014, AZ 11 Bs 108/14s, keine, jener wegen des Ausspruchs über die Schuld hingegen teilweise Folge, hob das Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in der Subsumtion der zu I./1./ beschriebenen Taten unter § 148 erster Fall StGB sowie in den Schuldsprüchen zu I./2./, 3./ und 4./ und II./ und demnach auch im Strafausspruch auf, sprach die Berufungswerberin von den wider sie unter den Anklagepunkten I./2./ bis 4./ und II./ erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO frei und verhängte wegen des unberührt gebliebenen Schuldspruchs I./1./ wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen á zehn Euro. Nach § 43a Abs 1 StGB wurde die Hälfte der Geldstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 120 Tagen festgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Strafausspruch im Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. September 2014, AZ 11 Bs 108/14s, steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt ‑ in Ansehung der mit zehn Euro bestimmten Höhe des einzelnen Tagessatzes mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wird ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf nur zu Gunsten des Beschuldigten erhoben, darf dieser durch den Inhalt einer darüber ergehenden gerichtlichen Entscheidung im Ermittlungsverfahren und in der Straffrage nicht schlechter gestellt werden, als wenn die Entscheidung nicht angefochten worden wäre (§ 16 StPO). Dementsprechend kann gemäß § 295 Abs 2 erster Satz StPO das Oberlandesgericht bei einer lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffenen Berufung keine strengere Strafe über diesen verhängen, als das erste Urteil ausgesprochen hatte. Dieses Verschlechterungsverbot betrifft (abgesehen von der nicht fallaktuellen, dem Angeklagten nur ausnahmsweise mit dessen Einverständnis eingeräumten Möglichkeit des Ausspruchs einer unbedingten Geldstrafe anstelle einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe [§ 295 Abs 2 zweiter Satz StPO]) nicht die Gesamtsanktionslast, sondern jede einzelne Unrechtsfolge für sich (RIS‑Justiz RS0115529, RS0100700 [T9]; Birklbauer, WK‑StPO § 16 Rz 33; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 43). Bei einer in Tagessätzen bemessenen Geldstrafe stellen Anzahl und Höhe des Tagessatzes selbständige, je für sich dem Verbot der reformatio in peius unterliegende Strafkomponenten dar, wobei eine Verletzung des Verschlimmerungsverbots auch bei Anhebung bloß eines dieser Sanktionselemente vorliegt. Eine Kompensation im Sinne einer Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze (fallbezogen von 360 auf 240) unter gleichzeitiger Erhöhung des Tagessatzes (von vier auf zehn Euro) ist unzulässig (RIS‑Justiz RS0100646; Birklbauer, WK‑StPO § 16 Rz 36).

Ausgehend von der seitens des Erstgerichts im gesetzlichen Mindestmaß von vier Euro festgesetzten Höhe des einzelnen Tagessatzes verstößt der im Zuge der Strafneubemessung durch das Oberlandesgericht Innsbruck die Höhe des einzelnen Tagessatzes zum Nachteil der Angeklagten mit zehn Euro festsetzende Teil des Strafausspruchs gegen das Verschlechterungsverbot (§§ 16, 295 Abs 2 erster Satz StPO).

Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden und das genannte Urteil des Oberlandesgerichts, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Ausspruch über die Höhe des einzelnen Tagessatzes aufzuheben. Nunmehr war diese mit vier Euro zu bestimmen.

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