OGH 12Os189/10a

OGH12Os189/10a29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen F***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 zweiter Fall, 156 Abs 1 und Abs 2, 15 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten F***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 30. Juni 2010, GZ 29 Hv 141/09t‑111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch des Angeklagten F*****, demgemäß auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten Dr. M***** und einen unangefochten gebliebenen Schuldspruch der I***** enthaltenden Urteil wurde F***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 12 (richtig - vgl Kienapfel/Höpfel AT13 E 8 Rz 29 mwN - nur) zweiter Fall, 156 Abs 1 und Abs 2, 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt (II./).

Danach haben (gekürzt wiedergegeben) an verschiedenen Orten in Salzburg

1./ I***** im Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2003 als Schuldnerin mehrerer Gläubiger einen Bestandteil ihres Vermögens zum Schein verringert bzw beiseite geschafft sowie eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorgeschützt und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger vereitelt, wobei sie durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt hat, indem sie

a./ ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 1626, GB *****, mit dem darauf befindlichen Wohnhaus in unbekanntem, jedenfalls aber 50.000 Euro übersteigenden Wert um 60.000 Euro der D***** GmbH, zum Schein verkaufte und grundbücherlich überschreiben ließ;

b./ einen Teil der Liegenschaft EZ 250, GB *****, nämlich die darin befindlichen Büroräumlichkeiten im Haus ***** im Wert von zumindest 95.000 Euro, zum Schein an die B***** KEG vermietete, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

2./ F***** im Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2003 I***** zur Ausführung der zu 1./a./ und b./ beschriebenen strafbaren Handlungen angeleitet sowie durch Erstellung von Verträgen und Urkunden dazu beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten F***** dagegen gestützt auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht.

Schon die Verfahrensrüge (Z 3) ist begründet: In der Hauptverhandlung wurde der Zeuge Mag. E***** vernommen (ON 110 S 51 ff). Gegenstand seiner Befragung war ausschließlich eine allfällige, ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als öffentlicher Notar möglicherweise zur Kenntnis gelangte Beteiligung des Angeklagten B***** an der Errichtung und Unterfertigung des Kaufvertrags über den Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 1626, GB *****, mit dem darauf befindlichen Wohnhaus (Schuldspruch 2./ iVm 1./a./). Notare sind zur Verweigerung der Aussage über das berechtigt, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist (§ 157 Abs 1 Z 2 StPO). Daher musste der Zeuge vor Beginn der Vernehmung über sein Aussageverweigerungsrecht informiert werden (§§ 159 Abs 1, 248 Abs 1 erster Satz StPO). Der Umstand, dass der Zeuge ohne Information über dieses Recht vernommen wurde, begründet Nichtigkeit nach Z 3 (§ 159 Abs 3 StPO; vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 159 Rz 17; § 248 Rz 12, 28). Die Entbindung des Zeugen von seiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht (auch) durch F***** (ON 110 S 51) beseitigte keineswegs das ‑ höchstpersönliche ‑ Aussageverweigerungsrecht des Zeugen (RIS‑Justiz RS0105932; Kirchbacher, WK‑StPO § 157 Rz 18).

Auch dem Rücktritt vom Versuch vorbringenden Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b) kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Denn der Strafaufhebungsgrund gemäß § 16 Abs 1 StGB kann beim Tatbestand der betrügerischen Krida nach § 156 StGB beispielsweise auch dann vorliegen, wenn der Täter eine Gläubigerbenachteiligung dadurch verhindert, dass er die Vermögensverhältnisse des Schuldners richtig und vollständig deklariert (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 24), etwa indem er die wesentlichen Umstände der (bereits erfolgten) scheinbaren Vermögensverringerung rechtzeitig ‑ also noch vor einem tatsächlichen Schadenseintritt für einen der Gläubiger ‑ bekannt gibt. Ein solches Offenlegen der wahren Vermögensverhältnisse wird in Ansehung des Vorwurfs der Beteiligung an der scheinbaren Verringerung des Vermögens der I***** durch Abschluss eines Scheinmietvertrags (mit der B***** KEG) über einen Teil der Liegenschaft EZ 250 GB ***** (Schuldspruch 2./ iVm 1./b./) schon durch die tatrichterlichen Urteilsfeststellungen indiziert. Danach sei der Scheinmietvertrag aufgrund der Angaben des (insoweit allein agierenden) Rechtsmittelwerbers gegenüber dem (im anhängigen Exekutionsverfahren zur Wertermittlung beigezogen gewesenen) Sachverständigen DI N***** ‑ wonach „dieser Mietvertrag zu keinem Zeitpunkt gelebt worden sei“ ‑ „letztlich nicht anerkannt“ worden (siehe US 12 samt Hinweis auf S 25 in ON 90; vgl auch S 31 in ON 90) und hätte daher zu keiner tatsächlichen Auswirkung auf die Bewertung der Liegenschaft geführt (US 19).

Entgegen dem Standpunkt des Erstgerichts, ein Rücktritt vom Versuch komme deshalb nicht mehr in Betracht, weil durch die Einwendung des Mietvertrags im Exekutionsverfahren „eine Gutachtensergänzung nach Befragung der Beteiligten notwendig“ und somit „eine Disposition eines gerichtlichen Organs hervorgerufen“ worden sei (US 24), ist das Delikt der betrügerischen Krida ‑ als Erfolgsdelikt (vgl Rainer SbgK § 156 Rz 2) ‑ erst dann vollendet, wenn ein Gläubiger infolge eines das Vermögen wirklich oder scheinbar verringernden Verhaltens des Schuldners oder eines Beteiligten (§ 14 Abs 1 StGB) eine Forderung zum Teil oder gar nicht beglichen erhält. Die Tathandlung muss also eine Ursache dafür sein, dass zumindest ein Gläubiger effektiv einen Befriedigungsausfall erleidet (vgl RIS-Justiz RS0115184; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 19). Der Deliktserfolg besteht daher nicht in einer bloßen Gefährdung von Befriedigungsinteressen der Gläubiger, sondern (erst) in ihrer tatsächlichen Beeinträchtigung (vgl Rainer SbgK § 156 Rz 3).

Eine bloß scheinbare Vermögensverringerung liegt dann vor, wenn sich zumindest einem Gläubiger die Befriedigungschancen wahrheitswidrig reduziert darstellen sollen, wobei im Gesetz als beispielhafte Begehungsvarianten das Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensstücken sowie das Vorschützen oder Anerkennen einer nicht bestehenden Verbindlichkeit genannt werden. Die Vorlage eines Scheinvertrags über eine (gar nicht erfolgte) Vermietung eines Teils einer Liegenschaft begründet jedenfalls eine diesen Begehungsformen entsprechende Tathandlung (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 13, 17).

Bei einer solchen scheinbaren Vermögensverringerung tritt die Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung ‑ und damit die Deliktsvollendung ‑ erst dann ein, wenn der (durch die Manipulation scheinbar verringerte) Befriedigungsfonds Gegenstand einer seine Verwertung betreffenden konkreten Disposition des Gläubigers oder des Gerichts (etwa in einem erfolglos gebliebenen Exekutionsverfahren) geworden ist (RIS-Justiz RS0094607; 12 Os 152/09h; Rainer SbgK § 156 Rz 41). Dabei ist zu beachten, dass die Gläubigerbenachteiligung nicht endgültig sein muss (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 20). Eine bloße Verzögerung der Befriedigung lässt allerdings den Deliktserfolg des § 156 Abs 1 StGB noch nicht eintreten, zumal darin weder ein „Schmälern“ im Sinn einer zumindest reduzierten Befriedigung noch ein „Vereiteln“ im Sinn der Herbeiführung eines totalen Befriedigungsausfalls zu erblicken ist (vgl 12 Os 152/09h; Leukauf/Steininger Komm3 § 156 Rz 11).

Eine bereits vollendete effektive Gläubigerschädigung aufgrund scheinbarer Vermögensverringerung ist daher dann anzunehmen, wenn die Befriedigung des Gläubigers entweder bereits faktisch unmöglich ist (etwa weil das Exekutionsverfahren erfolglos geblieben ist oder weil dem Gläubiger ‑ infolge der Verheimlichung ‑ von vornherein keine exekutiv verwertbaren Vermögensbestandteile bekannt sind und weitere aufwendige Nachforschungen unzumutbar wären) oder wenn die vorgetäuschte Verminderung des von § 156 StGB geschützten Vermögens die (tatsächlich nach wie vor bestehende) Befriedigungsmöglichkeit des solcherart getäuschten Gläubigers ‑ gemessen an objektiven Bezugspunkten ‑ de facto aussichtslos erscheinen lässt und insoweit zu einem zumindest partiellen Verzicht auf die (weitere) Durchsetzung der eigenen Ansprüche führt (vgl 12 Os 152/09h).

Bis zum Eintritt einer solchen, im angefochtenen Urteil zu Schuldspruch 2./ iVm 1./b./ aber nicht festgestellten tatsächlichen Gläubigerschädigung ist ‑ trotz einer scheinbaren Vermögensverringerung ‑ Versuch (und damit auch Rücktritt iSd § 16 StGB) möglich (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 22, 24; RIS-Justiz RS0094607).

Das zur Annahme eines Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB erforderliche Kriterium der Freiwilligkeit setzt überdies ‑ infolge der Einlassung des Rechtsmittelwerbers (S 23 ff in ON 110) indizierte ‑ Feststellungen darüber voraus, dass der Täter zum Zeitpunkt der Rücktrittshandlung eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch für möglich gehalten und nicht als aussichtslos beurteilt hat (vgl RIS-Justiz RS0089897; Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 127 ff; ebenso Fabrizy StGB10 § 16 Rz 8). Derartige ‑ im angefochtenen Urteil ebenfalls nicht getroffene ‑ Konstatierungen können vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden, sodass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden war (§ 285e StPO).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung im Schuldspruch 2./ und demgemäß auch im F***** betreffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Aus diesem Grund war auf die weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht mehr einzugehen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass im Fall einer neuerlichen Verurteilung des Nichtigkeitswerbers auf das gegen ihn ergangene Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. Oktober 2005, GZ 31 Hv 78/05m-39, gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen wäre.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte F***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

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