European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0120OS00181.9400000.0112.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Roland Anton S* wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, Z 2 und § 15 StGB schuldig erkannt, zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die allein gegen den Einweisungsausspruch nominell aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der gegen die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung ‑ der Beschwerde zuwider ohne jede Begründung (335) ‑ gestellten Antrages auf Einholung eines "weiteren Gutachtens" erhobene Einwand (der Sache nach Z 4), das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr. Otto S* (ON 13 iVm S 333) sei unschlüssig und widersprüchlich, weshalb nach § 439 Abs 2 StPO jedenfalls ein zweites Gutachten einzuholen gewesen wäre, versagt. Denn weder im Beweisantrag, noch in der Beschwerde wird dargetan, welche die Schlüssigkeit in Frage stellende Mängel im Sinne der §§ 125, 126 StPO das Gutachten aufweisen sollte. Da sich dies auch dem Akt nicht entnehmen läßt, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine auch im Einweisungsverfahren nur ausnahmsweise gebotene Beiziehung eines weiteren Experten (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 4 zu § 429) weder unter dem Gesichtspunkt der §§ 125 f StPO, noch ‑ mangels erkennbarer Schwierigkeit der Beobachtung und Begutachtung ‑ nach §§ 118 Abs 2, 134 Abs 1 StPO vor.
Als durch den Akteninhalt nicht gedeckt erweist sich die gegen die Bejahung einer höhergradigen geistig‑seelischen Abartigkeit des Angeklagten gerichtete Beschwerdebehauptung (der Sache nach Z 11), der psychiatrische Sachverständige habe ihn als "Süchtigen im klassischen Sinn" beurteilt, was in diesem Zusammenhang auch festzustellen gewesen wäre.
Sowohl aus dem schriftlichen, als auch dem mündlich erstatteten Gutachten ergibt sich nämlich, daß der Sachverständige die Begehung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten primär auf dessen höhergradig gestörte Persönlichkeitsstruktur durch psychische und soziale Instabilität zurückführte, während er dabei dem Alkohol‑ und Drogenkonsum lediglich eine gewisse zusätzliche enthemmende Wirkung zubilligte (273, 333).
Dieser Fachmeinung haben sich die Tatrichter in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) angeschlossen und dies mit dem Hinweis auf die bereits im Hauptschulalter erforderliche mehrmonatige stationäre heilpädagogische Behandlung des Angeklagten, den schon in dieser Zeit beginnenden Alkohol‑ und Suchtgiftmißbrauch sowie seine ausgeprägte soziale Instabilität, wie sie beispielsweise in wiederholtem Abbrechen einer Lehre, unmotiviertem Ausbrechen aus dem Familienverband, vor allem aber einer Vielzahl von Vorstrafen, welche teilweise mit der Verbüßung empfindlicher Freiheitsstrafen verbunden waren, zum Ausdruck kommt und auch durch eine mehrmonatige Behandlung im Rahmen einer Anstaltseinweisung nach § 22 StGB nicht zu beeinflussen war, logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 6 f).
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider kann demnach von einem krassen Widerspruch zum Sachverständigengutachten ebensowenig die Rede sein, wie vom Fehlen einer denklogischen und nachvollziehbaren Begründung.
Der Ausspruch des Erstgerichtes über die Gefährlichkeitsprognose (§ 21 Abs 1, letzter Satzteil, StGB) kann mit Nichtigkeitsbeschwerde nur dann angefochten werden, wenn sie die Rechtsfrage der Qualifikation als strafbedrohte Handlungen mit schweren Folgen aufwirft, während er im übrigen als Ermessensentscheidung nur mit Berufung bekämpfbar ist (vgl ua 11 Os 9/92, 11 Os 13/92). Da die Frage, ob der Angeklagte zur Finanzierung seiner Sucht zur Beschaffungskriminalität neigt, keine für die rechtliche Beurteilung dieses Ausspruchs entscheidende Tatsache, sondern lediglich das Motiv der Begehung künftiger Straftaten betrifft, geht auch der darauf bezogene Beschwerdeeinwand einer Urteilsunvollständigkeit (Z 5) ins Leere.
Schließlich versagt auch das Argument, mehrmaliges Abbrechen der Lehre und Ausbrechen von zu Hause rechtfertige nicht die Annahme einer höhergradig abnormen Persönlichkeit (der Sache nach Z 11). Denn das Erstgericht hat für die Bejahung dieser Voraussetzung eine Reihe weiterer ‑ in der Beschwerde übergangener ‑ Faktoren herangezogen (siehe oben), welche sich in ihrer Gesamtheit für die rechtliche Beurteilung eines beim Angeklagten bestehenden, seine Willensbildung wesentlich beeinflussenden, deutlich außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegenden psychischen Zustandes im Sinne des § 21 Abs 2 StGB als durchaus tragfähig erweisen (Mayerhofer‑Rieder, StGB4 E 5 zu § 21).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Über die Berufung des Angeklagten wird der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz abzusprechen haben (§§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.
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