OGH 12Os153/18v

OGH12Os153/18v24.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Malaz A***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Malaz A***** und Valentin L***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 10. September 2018, GZ 36 Hv 57/18h‑79, und über die Beschwerde des Valentin L***** gegen einen Widerrufsbeschluss sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss auf Absehen vom Widerruf betreffend den letztgenannten Angeklagten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00153.18V.0124.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Malaz A***** und Valentin L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurden Malaz A***** und Valentin L***** jeweils des Verbrechens (richtig: mehrerer Verbrechen; RIS-Justiz RS0130302) des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB (I./), der Erstgenannte überdies des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II./A./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./B./) und des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB (II./C./) schuldig erkannt.

Danach haben bzw hat am 6. April 2018 in W*****

I./ Malaz A*****, Emil K*****, Valentin L*****, Ben Ahmed C***** und Aldin B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, anderen fremde bewegliche Sachen weggenommen bzw wegzunehmen versucht, indem sie Mischa T*****, Niklas H***** und Deniz S***** umzingelten, nachdem Malaz A***** dem Mischa T***** einen heftigen Schlag mit der Hand gegen das Gesicht versetzt hatte, und sämtliche fünf Angreifer ihre drei Opfer unter Ausnützung ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit und einer durch das gemeinschaftliche Auftreten verstärkten Drohkulisse zur Übergabe von Bargeld und Cannabiskraut aufforderten, wobei sie ihnen für den Fall der Verweigerung der Herausgabe Schläge und eine Verletzung am Körper in Aussicht stellten, indem sie sinngemäß ankündigten, dass sie sie zusammenschlagen werden und es nicht bei einer Ohrfeige bleiben werde, nämlich ein Karambitmesser und eine Zigarette, und Malaz A*****, Emil K***** sowie Valentin L***** der weiteren Forderung nach Übergabe von Geld unter Verwendung einer Waffe dadurch Nachdruck verliehen, dass konkludent auf die Möglichkeit des Einsatzes des zuvor weggenommenen Karambitmessers hingewiesen und damit verstärkt eine Verletzung am Körper in Aussicht gestellt wurde, indem Malaz A***** die Klinge des Messers mehrmals auf‑ und zumachte und sich mit der Klinge mehrmals über den Unterarm fuhr;

II./ Malaz A***** alleine

A./ den Mischa T***** dadurch, dass er ihm einen Schlag gegen die Hand und einen Stoß gegen den Körper versetzte, also mit Gewalt, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Rückerlangung und Rückforderung seines Feuerzeugs, genötigt, wobei sein Vorsatz nicht darauf gerichtet war, sich durch die Wegnahme des Feuerzeugs unrechtmäßig zu bereichern;

B./ eine fremde Sache, und zwar das unter Punkt II./A./) angeführte Feuerzeug des Mischa T***** zerstört bzw beschädigt, indem er es im Anschluss an die unter Punkt II./A./ beschriebene Tathandlung wuchtig zu Boden schmiss, sodass es explodierte;

C./ unbekannt gebliebene Täter dadurch, dass er sie unmittelbar nach den unter Punkt I./ beschriebenen Tathandlungen dazu aufforderte, Mischa T***** am Bahnhofsgelände zu suchen, ihn zusammenzuschlagen und ihm die Lautsprecherbox zu rauben, dazu zu bestimmen versucht, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person dem Mischa T***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Lautsprecherbox in nicht mehr festzustellendem Wert, mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen oder abzunötigen.

 

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen von den Angeklagten Malaz A***** und Valentin L***** jeweils aus § 281 Abs 1 Z 5, Z 9 lit a und Z 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Malaz A*****:

Trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags wird in der Rechtsmittelschrift lediglich zu Schuldspruch I./ ein Vorbringen erstattet, sodass die Nichtigkeitsbeschwerde im darüber hinausgehenden Umfang mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes zurückzuweisen war (§§ 285d, 285a Z 2 StPO).

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Schöffengericht bei den Feststellungen zur Verwendung eines Messers beim Raub und zum Bedeutungsinhalt des Hantierens mit dem Messer (RIS‑Justiz RS0092588) mit den Aussagen der Zeugen Mischa T*****, Niklas H***** und Deniz S***** ausreichend auseinandergesetzt (US 22 ff).

Die Aussage des Zeugen Mischa T*****, er glaube, die Intention des Rechtsmittelwerbers, als er mit der Schneide über seinen Arm fuhr, war, zu demonstrieren, dass das Messer nicht scharf wäre, ist nicht erörterungsbedürftig. Ein Zeugnis ist nämlich ein Bericht über sinnliche Wahrnehmungen von Tatsachen, die der Vergangenheit angehören. Subjektive Meinungen oder Einschätzungen sind nicht Gegenstand der Vernehmung (RIS‑Justiz RS0097540).

Ebensowenig war die Angabe des genannten Zeugen erörterungsbedürftig, wonach er glaube, dass der Angeklagte Malaz A***** zu dem Zeitpunkt, als er das Messer in der Hand hatte, nichts forderte, zumal das Erstgericht diesbezüglich eine Geldforderung durch den Mittäter Valentin L***** konstatierte (US 15).

Auch die Aussage des Niklas H*****, der Angeklagte Malaz A***** hätte ihnen nicht gedroht, sondern bloß mit dem Messer gespielt, war als bloße Wertung nicht zu erörtern.

Mit der Aussage des Zeugen Deniz S***** haben sich die Tatrichter entgegen dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) ausreichend auseinandergesetzt. Das Rechtsmittel lässt im Übrigen außer Acht, dass bei den Tatrichtern der Eindruck entstand, der Zeuge wolle „Teile des Vorfalls und Tathandlungen der einzelnen“ „beschönigen“ (US 25 f).

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf die Aussage des Zeugen „M*****“ (gemeint wohl: Mischa T*****) im Ermittlungsverfahren Bezug nimmt, wonach der Rechtsmittelwerber das Messer nie direkt in ihre Richtung oder gegen ihn gerichtet hätte, wird übersehen, dass das die Tatrichter gar nicht festgestellt haben.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Dem entspricht das Rechtsmittelvorbringen (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) nicht, weil es nicht an den Feststellungen zum Einsatz des Messers Maß nimmt (US 14 ff), sondern bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik übt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) legt nicht dar, weshalb trotz festgestellter Verwendung einer Waffe § 142 Abs 2 StGB anwendbar sein sollte (vgl RIS‑Justiz RS0094296 [T2 und T3]).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Valentin L*****:

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ausführt, das Schöffengericht hätte entlastende Aussagen der als Zeugen vernommenen Opfer betreffend die Verwendung des Messers außer Acht gelassen (Z 5 zweiter Fall), kann auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Malaz A***** verwiesen werden.

Im Übrigen ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt. Dem entspricht die vorliegende Mängelrüge nicht, weil sie die beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts betreffend die bei der polizeilichen Vernehmung noch geständige Verantwortung des Angeklagten Valentin L***** außer Acht lässt (US 20 f).

Die Einschätzung des Zeugen Mischa T*****, wer für ihn „der oder die Haupttäter“ war bzw waren, betrifft zudem keinen entscheidenden Umstand und ist somit nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399).

Das Vorbringen, es hätte sich beim Nichtigkeitswerber auch um einen der beiden Mitangeklagten handeln können, die bei Einsatz des Messers das Geschehen verließen, richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen.

Indem die Beschwerdeschrift (nominell Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) behauptet, das angefochtene Urteil enthalte keine Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Verwendung des Messers, orientiert sie sich nicht an der angefochtenen Entscheidung. Demnach fuhr sich der Angeklagte Malaz A***** mit der Messerklinge über den Unterarm und klappte diese wiederholt bedrohlich aus und ein, um den Forderungen nach Bargeld und Suchtgift Nachdruck zu verleihen und die vorangegangenen verbalen Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu bekräftigen, während der Angeklagte Valentin L***** weiterhin Geld forderte und Emil K***** weiterhin neben Malaz A***** und Valentin L***** stehenblieb und damit verdeutlichte, dass sie bereit wären, Gewalt notfalls unter Verwendung einer Waffe auszuüben (US 15).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, mangels Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des Handelns des Angeklagten Malaz A***** wäre eine Subsumtion unter § 142 Abs 1 StGB nicht möglich, werden zudem die Konstatierungen zum Umzingeln der Opfer durch alle Angeklagten und zur Gewaltanwendung durch Malaz A***** durch Versetzen eines wuchtigen Schlages gegen das Gesicht des Mischa T***** (US 14) übergangen.

Weshalb die Feststellung, wonach Valentin L***** den Einsatz einer Waffe, nämlich des Karambitmessers, als Drohmittel billigend in Kauf nahm (US 16), die Wissenskomponente des Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) nicht enthalten sollte, legt die weitere Subsumtionsrüge (Z 10) nicht dar (vgl RIS‑Justiz RS0089250 [T2]).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden ergibt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

 

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass das Erstgericht bei Valentin L***** die Strafbemessung unter anderem damit begründete, dass er „den Vorfall sowie seine eigene Handlung bagatellisierte“ (US 37). Damit wurde im Ergebnis die Verantwortung des Angeklagten als eine für die Strafbemessung maßgebende nachteilige Tatsache gewertet und solcherart das Gesetz unrichtig angewendet (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; vgl RIS‑Justiz RS0090897). Diesem von dem genannten Angeklagten in seinen Rechtsmitteln nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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