OGH 12Os149/14z

OGH12Os149/14z7.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin T***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. September 2014, GZ 38 Hv 72/14a‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00149.14Z.0507.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Armin T***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II./) sowie der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3a (erg: iVm Abs 4 Z 1) StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H*****

I./ in der Zeit von Jänner 2014 bis 15. April 2014 an der am 10. Jänner 2004 geborenen, somit unmündigen Jessica W***** in vier Angriffen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihren Scheidenbereich unter der Pyjamahose intensiv betastete und streichelte;

II./ durch die zu I./ beschriebene Tathandlung in vier Angriffen mit seiner minderjährigen Tochter eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

III./ „zu nachangeführten Tatzeitpunkten im Internet wissentlich auf vier Dateien mit pornografischen Darstellungen unmündiger Personen zugegriffen, indem er die angebotenen Bilddateien auf seinem Notebook zum Zwecke der Betrachtung hochlud, wodurch sie automatisch im Internetcache Mozilla Firefox gespeichert wurden, und zwar

‑ am 04. Juni 2013 die Bilddatei auf AS 1 im Gutachten FA-140425-01,

‑ am 08. April 2014 die Bilddatei auf AS 4 im Gutachten FA-140425-01,

‑ am 09. April 2014 die Bilddatei auf AS 6 im Gutachten FA-140425-01 und

‑ am 10. April 2014 die Bilddatei auf AS 10 im Gutachten FA-140425-01“.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Dass der Angeklagte den Scheidenbereich seiner unmündigen Tochter unter der Pyjamahose, jedoch über deren Unterhose jeweils über mehrere Minuten intensiv betastete (US 5), haben die Tatrichter dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall; nominell auch Z 5 fünfter Fall) zuwider aus seiner insoweit geständigen Verantwortung vor der Polizei (ON 6 S 11 ff) und in der Hauptverhandlung (ON 18 S 3 ff) erschlossen.

Weshalb die getroffene Feststellung mit dem Befund von Dr. W*****, wonach es mit Sicherheit noch zu keiner stärkeren Penetration, die die §§ 207 Abs 1 und 212 Abs 1 Z 1 StGB gerade nicht voraussetzen, gekommen sei (ON 3), im Widerspruch stehen und dieser daher erörterungspflichtig (dSn Z 5 zweiter Fall) gewesen sein sollte, sagt die Rüge nicht.

Da die Verwirklichung des Tatbestands des § 207a Abs 3a StGB zwar den wissentlichen Zugriff auf eine pornografische Darstellung, nicht aber eine gezielte Suche nach derartigen Internetinhalten mit Kindern und Jugendlichen voraussetzt, betraf die Letzteres bestreitende Verantwortung des Beschwerdeführers weder einen entscheidenden noch einen erheblichen Umstand (zu den Begriffen: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff und 409 ff). Das Erstgericht musste sie daher nicht in seine Überlegungen miteinbeziehen.

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, somit sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist. Dabei ist stets die

Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis in den Blick zu nehmen (RIS‑Justiz RS0117995).

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander in

Widerspruch stehen (RIS‑Justiz RS0117402). Aber auch insoweit ist an der

Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394).

Entgegen dem Vorwurf, die Feststellung, der Angeklagte habe auf vier Dateien mit pornografischen Darstellungen unmündiger Personen zugegriffen, indem er die angebotenen Bilddateien auf seinem Notebook zum Zweck der Betrachtung hochlud, wodurch sie automatisch im Internetcache gespeichert wurden (US 2, 6), sei undeutlich (Z 5 erster Fall) und widersprüchlich (Z 5 dritter Fall), hat das Erstgericht ‑ trotz Verwendung des zweifelsohne unpassenden Begriffs „Hochladen“ ‑ im Rahmen seiner weiteren Konstatierungen klargestellt, dass der Nichtigkeitswerber die entsprechenden Bilder wissentlich betrachtete, indem er sie durch Anklicken „abloadete“, also auf seinen Laptop herunterlud, und (dadurch, wenngleich automatisch) zumindest in dessen temporären Speicher (dem Internetcache) ablegte (US 7).

Mit dem Einwand, die teilweise manuelle Löschung von Bildern spreche gegen die Feststellung eines wissentlichen Zugriffs im Internet, kritisiert die Beschwerde die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider hat das Schöffengericht zu I./ und II./ die „subjektive Tatseite des Tatbstandselements 'vornehmen' der geschlechtlichen Handlung“ schon dadurch festgestellt, dass es insoweit ‑ gar nicht erforderliches ‑ wissentliches Handeln angenommen hat (US 5).

Ob das Abspeichern der inkriminierten Bilder im Internetcache automatisch erfolgte, betrifft keine entscheidende Tatsache, weil die Tatrichter ohnehin von einem wissentlichen Zugriff auf die entsprechenden Dateien ausgingen (US 7). Entgegen dem weiteren Vorbringen (dSn Z 5 vierter Fall) haben sie dies sehr wohl begründet, indem sie ihre Konstatierung auf die Verantwortung des Angeklagten stützten, die Bilder angeschaut zu haben (US 7), und unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet IT‑Forensik zum Ergebnis gelangten, dass die Darstellungen durch entsprechendes Anklicken aktiv heruntergeladen („abgeloadet“) wurden und es sich nicht nur um zufällig erlangte Vorschaubilder handelte, die ohne jegliches Zutun des Beschwerdeführers systemautonom in den Internetcache abgelegt worden wären (US 10).

Die abschließende Behauptung eines Verstoßes von § 207a Abs 3a StGB gegen das verfassungsrechtlich nach Art 13 Abs 2 StGG ‑ ohne Gesetzesvorbehalt ‑ garantierte Verbot der Vorzensur legt nicht dar, weshalb dieses als „Nachzensur“ zu wertende repressive Maßnahmen ausschließen sollte (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1463 f) und die vorliegende Strafbestimmung im Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 EMRK unter Berücksichtigung deren vom Nichtigkeitswerber zugestandenen Schutzzwecks, nämlich das Unterbinden des Handels mit kinderpornografischem Material und damit mittelbar gegen die sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen (Darstellerschutz) vorzugehen (vgl Philipp in WK2 StGB § 207a Rz 1 ff; Kienapfel/Schmoller BT III § 207a Rz 4 f) keine Deckung finden sollte. Die von der Rüge in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Bestimmung des § 207a Abs 4 Z 4 StGB ist im vorliegenden Fall vom Obersten Gerichtshof wiederum nicht anzuwenden. Für ein Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B‑VG wurde jedenfalls kein Anlass gefunden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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