OGH 12Os143/20a

OGH12Os143/20a26.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter in der Strafsache gegen Michael A***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. September 2020, GZ 13 Hv 11/20k‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00143.20A.0126.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael A***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1 und 2 erster Fall und 15 StGB (I., III. und IV.) sowie des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S***** nachgenannte Frauen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt oder zu nötigen versucht, indem er die ihm unbekannten Opfer jeweils in den Nachtstunden auf offener Straße auf deren Nachhauseweg attackierte, und zwar

[3] I./ am 5. Oktober 2019 Katie‑Aileen D***** zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie von hinten kommend angriff, zweimal zu Sturz brachte, sodass sie schließlich auf dem Rücken zum Liegen kam, sich auf sie legte, wiederholt ihre Hände zu Boden drückte und siederart fest würgte, dass sie teilweise keine Luft mehr bekam, ihr die Strumpf- und Unterhose hinabzog, sie zunächst mit mehreren Fingern und anschließend zumindest einmal mit seinem Penis vaginal penetrierte und in weiterer Folge von D*****, die dies im Bestreben tat, eine Fortsetzung der Vergewaltigung zu vermeiden, Handverkehr an sich durchführen ließ und sich schließlich selbst bis zum Samenerguss befriedigte, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde und an sich schwere Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, und zwar eine akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0), die zunächst in eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und in der Folge in eine weiterhin andauernde mittelgradige bis schwere depressive Störung (ICD-10 F32.2) überging;

[4] II./ am 15. Dezember 2019Lisa F***** zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie von hinten kommend attackierte und zu Sturz brachte, sodass sie auf dem Rücken zu liegen kam, sie mit beiden Händen an den Oberarmen zu Boden drückte und an ihr Oralverkehr vornahm, wobei er aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr und des Umstandes, dass sich eine Außenbeleuchtung im Nahebereich aktivierte, schließlich flüchtete;

[5] III./ am 27. Dezember 2019 Zolzaya M***** zu nötigen versucht, indem er sie unmittelbar vor ihrer Wohnhausanlage attackierte, ihr mit einer Hand den Mund zuhielt, sie mit der anderen Hand im Schulterbereich festhielt und zu Boden drückte, sodass sie kniete, und ihr einen Finger in den Mund drückte, wobei er aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr und Hilferufe und des Umstandes, dass sie ihm in den Finger biss, von ihr abließ und flüchtete, sodass es beim Versuch blieb, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde und an sich schwere Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, und zwar zunächst eine akute Belastungsreaktion (ICD‑10 F43.0), die in eine posttraumatische Belastungsreaktion (ICD‑10 F43.1) überging und bis zumindest Ende Juni 2020 fortbestand;

[6] IV./ am 28. Dezember 2019 Kerstin Mü***** zu nötigen versucht, indem er sie im Eingangsbereich ihrer Wohnhausanlage attackierte, von vorne an beiden Oberarmen erfasste, zu Sturz brachte, sie auf den Boden drückte, sich auf sie legte, ihr mit einer Hand den Mund zuhielt, ihr mehrere Finger in den Mund drückte, sie aufforderte, mit dem Schreien aufzuhören, sie schließlich aufforderte, die Haustür aufzusperren, ihr, als sie aufstand, Kapuze und Schal über das Gesicht zog, sie an den Haaren packte und festhielt, sodass Mü***** eine Schädelprellung, ein Hämatom und eine Schwellung am linken Ellenbogen erlitt, wobei er aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr und des Umstandes, dass sie sich von ihm losreißen und flüchten konnte, schließlich von ihr abließ und flüchtete, sodass es beim Versuch blieb, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit und eine an sich schwere Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, und zwar zunächst eine akute Belastungsreaktion (ICD‑10 F43.0), die in eine bis zumindest Juni 2020 andauernde posttraumatische Belastungsstörung (ICD‑10 F43.1) überging, sowie eine ebenfalls bis zumindest Juni 2020 andauernde Agoraphobie mit Panikstörung (ICD‑10 F40.01).

Rechtliche Beurteilung

[7] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[8] Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem äußeren Geschehen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

[9] Die gegen die Annahme der Qualifikation des § 201 Abs 2 erster Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen zur fahrlässigen Herbeiführung der schweren Körperverletzung. Damit geht sie prozessordnungswidrig nicht von den gerade dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 7 f) aus. Solcherart verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Ausführung (RIS‑Justiz RS0099724).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[11] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

[13] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt hinzuzufügen, dass die rechtliche Beurteilung des vom Schuldspruch II. umfassten Täterverhaltens als mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren bedrohtes Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB in der geltenden Fassung zufolge des nach § 61 StGB anzustellenden Günstigkeitsvergleichs rechtlich verfehlt ist. Denn die zur Tatzeit im Jahr 2019 auf die angelastete Handlung anzuwendende Bestimmung des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 sah lediglich eine Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor, womit sich die zur Tatzeit gültige Rechtslage als günstiger als das vom Erstgericht angewendete Urteilszeitrecht erweist.

[14] Da sich dieser Subsumtionsfehler nicht auf den Strafrahmen (§ 201 Abs 2 StGB) auswirkte und auch sonst keine nachteilige Wirkung nach sich zog (vgl Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff), sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegiger Wahrnehmung veranlasst. Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an die verfehlte Subsumtion gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

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