OGH 12Os130/17k

OGH12Os130/17k14.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Baris G***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 27. Juni 2017, GZ 18 Hv 14/17f‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00130.17K.1214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Baris G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB (I./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er vorschriftswidrig

I./ im Zeitraum Anfang Oktober 2015 bis 22. November 2015 teils als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungstäter, indem er in Vorarlberg mit dem in der Schweiz abgesondert verfolgten Igor M***** den Suchtgiftschmuggel vereinbarte und diesen beauftragte, die Suchtgifte von der Schweiz nach Vorarlberg zu schmuggeln, Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt ca 6 kg Marihuana (beinhaltend rund 660 Gramm Delta‑9-THC, „33‑fach übersteigend“) und 50 Gramm Kokain (beinhaltend mehr als 15 Gramm reine Kokainbase), im Zuge von zumindest fünf grenzüberschreitenden Transporten von der Schweiz aus‑ und nach Vorarlberg eingeführt;

II./ im Zeitraum Anfang Oktober 2015 bis Ende November 2015 in Vorarlberg Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich die in Punkt I./ angeführten ca 6 kg Marihuana (beinhaltend rund 660 Gramm Delta‑9‑THC, „33‑fach übersteigend“) und 50 Gramm Kokain (beinhaltend mehr als 15 Gramm reine Kokainbase), durch Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen;

III./ im Zeitraum ca 2000 bis Jänner 2017 in Vorarlberg Suchtgift erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat, und zwar unbestimmte Mengen Marihuana (aus Inlandsbezügen) konsumiert.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Nichtigkeitswerber durch die Ablehnung seines Antrags auf Einholung eines pharmakologisch-toxikologischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis dafür, dass in dem vom Angeklagten im Sinne des § 28a Abs 1 SMG durch (Beihilfe) zur Einfuhr und Übergabe an andere Personen überlassenen Cannabis insgesamt nicht eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigende Menge an Reinsubstanz, auch nicht zusammengesetzt aus einer Teilmenge von THCA und einer Teilmenge von Delta‑9‑THC, vorhanden war, sondern lediglich ca das Sechsfache der Grenzmenge“ (ON 18 S 8), nicht in Verteidigungsrechten verletzt: Das insofern gebotene – nur allgemeine Ausführungen zur Umwandlung von THCA in Delta‑9‑THC enthaltende – Vorbringen ließ nämlich keineswegs erkennen, inwieweit es einem (vom Gericht beizuziehenden) Experten trotz fehlender Untersuchungsmöglichkeit des in Rede stehenden Suchtgifts möglich sein sollte, eine verlässliche Einschätzung betreffend den Reinheitsgehalt des Marihuanas zu den Einfuhr- und Übergabezeitpunkten zu treffen. Solcherart zielte der Antrag bloß auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0118444 [T6]).

Im Übrigen ließ das Begehren die dem zu dessen Fundierung vorgelegten Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamts vom 13. November 2014 (Beilage ./A zum Hauptverhandlungsprotokoll) angeschlossenen, vom Erstgericht in seine Überlegungen miteinbezogenen (vgl US 7) Ausführungen unberücksichtigt, wonach sich das in einer frisch abgeernteten Cannabispflanze enthaltene THCA insbesondere auch während der Trocknung und Lagerung stetig in Delta‑9‑THC umwandelt.

In der Beschwerdeschrift nachgereichte Berechnungen zur Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieb die Annahme des Reinheitsgehalts von 11 % Delta‑9‑THC (US 4 und 7) auch nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde auf die – mit Gerichtserfahrungen korrespondierenden und daher für überzeugend eingestuften – Ausführungen im polizeilichen Abschlussbericht betreffend die im Jahre 2015 in Vorarlberg bei Marihuana-Sicherstellungen durchschnittlich festgestellte Suchtgift-qualität sowie die hier bejahte Herkunft des Marihuanas aus einer (höhere Reinheit gewährenden) Indoor-Erzeugung gestützt (US 7). Dass diese Argumente dem Nichtigkeitswerber nicht überzeugend genug erscheinen und auch andere, für ihn günstigere Schlüsse denkbar gewesen wären, stellt kein Begründungsdefizit her (RIS‑Justiz RS0099455). Der Angeklagte wurde auch nicht von einer (ohnedies nur ergänzend herangezogenen) Gerichtsnotorietät überrascht (vgl RIS‑Justiz RS0119094), weil bereits in der Anklageschrift auf den bei 11,92 % liegenden Durchschnittswert aller im Jahre 2015 untersuchten Marihuanasicherstellungen hingewiesen (ON 10 S 6) und dieser Umstand auch in der Hauptverhandlung erörtert wurde (ON 18 S 10).

Die Forderung, es wäre – mit Blick auf die Entscheidungen 15 Os 147/11y und 14 Os 33/13d (= RIS‑Justiz RS0111350 [T12 und T14], vgl auch RS0087895 [T3 und T5]) – nur von einer „gerichtsnotorischen Qualität von 4–8 %“ bei „einer Wirkstoffkonzentration von 92 % THCA und 8 % THC“ auszugehen gewesen, zieht bloß die aus den Verfahrensresultaten (gemäß § 258 Abs 2 StPO) gezogenen Schlussfolgerungen des erkennenden Gerichts in Zweifel (RIS‑Justiz RS0098400).

Da die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO eröffnete Urteilskontrolle nur den zu entscheidenden Tatsachen getroffenen, niemals aber nicht vorliegenden Feststellungen gilt (RIS‑Justiz RS0099575 [T5]), ist die (als „Unvollständigkeit“ erhobene) Kritik, das Gericht habe „keine Feststellung zum Wirkstoffgehalt THCA“ getroffen, aus dem Blickwinkel der Mängelrüge (Z 5) ohne Belang. Als Rechts- oder Subsumtionsrüge (Z 9 lit a oder Z 10) verstanden lässt dieser Einwand nicht erkennen, inwieweit es für die rechtsrichtige Beurteilung des Sachverhalts (als Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG [I./] und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG [II./]) erforderlich sein sollte, über den konstatierten – das Übersteigen des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge (von 20 Gramm Delta‑9‑THC [vgl Suchtgift-Grenzmengenverordnung Anhang 3. „Suchtgifte gemäß Anhang IV der Suchtgiftverordnung“]) bereits fundierenden – Reinheitsgehalt von 660 Gramm Delta‑9‑THC (US 1, 4 und 7) hinaus auch noch Feststellungen zum Inhaltsstoff THCA (vgl Suchtgift-Grenzmengenverordnung Anhang 4. „Suchtgifte gemäß Anhang V der Suchtgiftverordnung“) zu treffen.

Indem die – eine rechtliche Beurteilung „nur“ nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (zu I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (zu II./) anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) die Urteilskonstatierungen als „verfehlt“ in Abrede stellt, um eigenständige Überlegungen (zur Umwandlung von THCA in Delta‑9‑THC beim Verrauchen oder bei der chemischen Analyse eines Cannabis-Produkts) darzustellen und solcherart einen niedrigeren Reinheitsgehalt an Delta‑9‑THC plausibel zu machen, orientiert sie sich nicht am gesetzlich vorgegebenen, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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