OGH 12Os127/16t

OGH12Os127/16t17.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sebastian S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 27. April 2016, GZ 7 Hv 7/16k‑228, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00127.16T.1117.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Sebastian S***** war mit (auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) Urteil des ersten Rechtsgangs des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1./) sowie jeweils eines Vergehens der

Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (2./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs 1 und 2 Z 1 StGB idF BGBl 1987/605 (3./) schuldig erkannt worden.

Danach hat er in G***** und an anderen Orten

1./ nachts zum 23. Juni 2014 Marcel Se***** vorsätzlich getötet, indem er ihm mit einem Kleinkalibergewehr ins Gesicht schoss;

2./ von 23. Juni 2014 bis 1. Juli 2014 den Leichnam des Marcel Se***** den Verfügungsberechtigten entzogen und verunehrt, indem er diesen unter Mitwirkung seines Großvaters Walter S***** in Müllsäcke verpackte und in einem Waldstück in Ungarn „verscharrte“;

3./ am 3. Februar 2014 Kevin N***** dadurch, dass er ihm mit einer Gasdruckpistole ins Gesicht schoss, am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung zur Folge hatte, nämlich eine Impressionsfraktur der Kieferhöhle an der linken Vorderwand, und mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen wurde, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil (des zweiten Rechtsgangs) wurde Sebastian S***** hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Anordnung der Maßnahme aus § 345 Abs 1 Z 13 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die Sanktionsrüge (Z 13 iVm Z 5) bezieht sich auf die Abweisung eines Antrags auf (weitere) Untersuchung des Angeklagten durch eine „Person aus dem Fachbereich der Jugendpsychiatrie, die in einer Liste eingetragen ist“ (ON 227 AS 139 f). Der Beschwerde zuwider erfolgte die Abweisung dieses Begehrens ohne Verletzung von Verteidigungsrechten.

Ein weiterer Sachverständiger ist im Strafverfahren nämlich nur beizuziehen, wenn das bereits vorliegende Gutachten mangelhaft im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist und diese Bedenken durch nochmalige Befragung des bestellten Sachverständigen nicht behoben werden können. Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises hat der Beschwerdeführer demnach nur dann, wenn er in der Hauptverhandlung einen in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzeigt und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos bleibt (vgl RIS-Justiz RS0117263; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 351). An diesen Grundsätzen ändert auch die dem Gericht gemäß §§ 429 Abs 2 Z 2, 439 Abs 2 StPO eröffnete Möglichkeit der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen nichts. Denn eine solche Vorgehensweise steht im – bloß gegen Willkür abgesicherten – Ermessen des Gerichts (11 Os 26/16g; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 351; Murschetz , WK‑StPO § 429 Rz 12).

Vorliegend werden aber weder Mängel im Sinn des § 127 Abs 3 StPO noch willkürliches Unterbleiben der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen behauptet.

Den Rechtsmittelausführungen bleibt der Vollständigkeit halber zu erwidern, dass psychiatrischer Sachverständiger jeder Facharzt für Psychiatrie ist, unabhängig von einer Eintragung in der Sachverständigenliste (Murschetz, WK‑StPO § 429 Rz 10).

Der weiteren Rüge (Z 13) zuwider setzt die Anwendung des § 31 StGB schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut dieser Vorschrift voraus, dass im früheren Urteil eine Strafe bemessen wurde (vgl § 31 Abs 1 StGB: „bereits zu einer Strafe verurteilt“). Auf Vor-Urteile, in denen (wie hier) auf Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG) erkannt wurde, kann daher nicht Bedacht genommen werden (RIS-Justiz RS0086987).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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