OGH 12Os12/21p

OGH12Os12/21p2.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. im Verfahren zur Unterbringung des Ralf H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Oktober 2020, GZ 28 Hv 102/19x‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00012.21P.0302.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Ralf H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat er am 1. August 2018 in M***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einem im Urteil näher beschriebenen hoch psychotischen paranoid‑maniformen Syndrom, DI (FH) BM Ferdinand M***** durch die Äußerung, dass dieser die wegen der Schätzung einer Liegenschaft in S***** erfolgte Ladung zur Befundaufnahme am 21. August 2018 widerrufen solle, ansonsten er dem Genannten „eine für diesen persönlich haftbare Obligation in Höhe von 250.000 Euro übermitteln werde“, sohin durch Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, zu einer Handlung, nämlich zur Abberaumung der Liegenschaftsschätzung, zu nötigen versucht und somit eine Tat begangen, die als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 (zu ergänzen) Z 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

[4] Mit dem Einwand, wegen fehlender Erfolgsaussichten der Geltendmachung einer Forderung gegen das Opfer liege bloß ein im Sinne des § 15 Abs 3 StGB untauglicher Versuch vor, nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht am festgestellten Sachverhalt Maß (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810), wonach der Betroffene eine Verletzung am Vermögen durch die Verursachung von Anwalts- und Gerichtskosten für die Abwehr der Forderung ankündigte (US 6 und 8; vgl zur Tatbildlichkeit der Drohung mit einer Strafanzeige oder Klage im Allgemeinen RIS‑Justiz RS0131845 sowie zur Eintragung in ein Schuldenregister im Speziellen 15 Os 41/19x; siehe im Übrigen zur Behauptung der Erfolglosigkeit einer angekündigten Forderungsbetreibung 14 Os 111/19h).

[5] Soweit der Sache nach – ohne Geltendmachung eines Feststellungsmangels (vgl RIS‑Justiz RS0118580) – der Rechtfertigungsgrund nach § 105 Abs 2 StGB (vgl RIS‑Justiz RS0093180) angesprochen wird, weil das Verlangen um Abstandnahme von der Zwangsversteigerung aus Sicht des Betroffenen berechtigt gewesen sei, argumentiert die Rechtsrüge (Z 9 lit b) ebenfalls nicht auf Basis des Urteilssachverhalts. Zudem erklärt sie nicht, inwiefern die Betreibung einer – erkennbar auch nach den Vorstellungen des Betroffenen (US 8) – nicht bestehenden Forderung gegen den Sachverständigen mit den guten Sitten vereinbar sein soll.

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[7] Aus deren Anlass überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass das angefochtene Urteil einen dem Betroffenen zum Nachteil gereichenden Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO [RIS‑Justiz RS0132762]; Murschetz , WK‑StPO § 433 Rz 13]) hinsichtlich der für die Mindeststrafdrohung des § 21 Abs 1 StGB entscheidenden (rechtlichen) Annahme einer nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierten Drohung enthält:

[8] Die Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz erfordert konkrete Feststellungen sowohl zum objektiven Sachverhalt (wirtschaftliche Verhältnisse des Bedrohten und zu befürchtende Höhe der Anwalts- und Gerichtskosten) als auch zum darauf bezogenen Vorsatz des Täters (vgl RIS‑Justiz RS0094007; 15 Os 19/18k, 17 Os 25/17f; vgl auch Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 7). Da die unter Verwendung der verba legalia getroffene Annahme, wonach der Betroffene absichtlich mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz drohte (US 6), den erforderlichen Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090) betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bedrohten nicht herstellt, vermögen die Urteilskonstatierungen die Subsumtion unter die angeführte Deliktsqualifikation nicht zu tragen.

[9] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte daher die Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Beratung und die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e StPO).

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