OGH 12Os119/19w

OGH12Os119/19w15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sebastian H***** wegen des Verbrechens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 51 Hv 43/19v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 30. August 2019, AZ 19 Bs 243/19b (ON 47 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00119.19W.1015.000

 

Spruch:

 

Sebastian H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Juli 2019, GZ 51 Hv 43/19v-36, wurde Sebastian H***** des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (A./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt und zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er in W*****

A./ im Zeitraum von Ende Februar bis 26. Mai 2019, somit eine längere Zeit hindurch, Dr. Sophia B***** widerrechtlich in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, beharrlich verfolgt, indem er in etwa 20 Angriffen an ihrem Wohnort ihre räumliche Nähe aufsuchte;

B./ am 15. März 2019 eine fremde Sache beschädigt, indem er den Lack des Pkws der Dr. Sophia B***** zerkratzte;

C./ am 26. Mai 2019 Dr. Sophia B***** durch die sinngemäße Äußerung, bevor er ins Gefängnis gehe, bekomme sie eine Kugel in den Kopf geschossen, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe und des Ausspruchs über privatrechtliche Ansprüche. Die Entscheidung über dieses Rechtsmittel wurde noch nicht getroffen.

Mit Beschluss vom 6. August 2019, GZ 51 Hv 43/19v-43, setzte die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die über den Angeklagten am 6. Juni 2019 (ON 20) verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b, c und d StPO fort.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien einer dagegen ergriffenen Beschwerde des Angeklagten nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus den erwähnten Haftgründen fort.

Dabei erachtete das Beschwerdegericht dringend verdächtig, die im erwähnten Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien genannten Straftaten begangen zu haben (BS 5). Auch in rechtlicher Hinsicht gelangte das Oberlandesgericht zu einer konformen Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten (BS 6).

Die dagegen ergriffene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS‑Justiz RS0117806). Das ist dann der Fall, wenn für diese Schlussfolgerung entweder überhaupt keine Gründe angegeben wurden oder die Gründe den Gesetzen der Logik oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen (RIS‑Justiz RS0117806; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 11.98).

Vorliegend behauptet der Beschwerdeführer bloß pauschal die willkürliche Annahme von Haftgründen, kehrt aber inhaltlich lediglich Umstände hervor, die seiner Ansicht nach die Erteilung einer Weisung indiziert hätten. Solcherart spricht er aber lediglich Haftsurrogate an und stellt damit im Ergebnis das Vorliegen von Haftgründen gar nicht in Frage.

Aber auch in Bezug auf die (nach den gleichen Maßstäben zu prüfende; vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 11.98) Nichtanwendung gelinderer Mittel (Kontaktverbot zu Dr. B*****) gelingt es dem Angeklagten nicht, Willkür im dargelegten Sinn aufzuzeigen. Das Oberlandesgericht gründete seine diesbezüglichen Annahmen auf die Intensität der Haftgründe und die beharrliche kriminelle Energie des Beschwerdeführers, der bereits zuvor gegen entsprechende Weisungen verstoßen hatte. Dabei ließ das Beschwerdegericht auch die Verpflichtungen des Angeklagten an der Wiener Staatsoper und die Pflegebedürftigkeit und Krankheit seiner Mutter nicht unberücksichtigt und qualifizierte im Übrigen dessen Depositionen, wonach er dieses Mal ein entsprechendes Kontaktverbot strikt einzuhalten gedenke, als nicht ausreichend (BS 16).

Indem der Angeklagte bloß die letzterwähnte Erwägung des Oberlandesgerichts mit der Behauptung, dass bei ihm ein tatsächlicher Sinneswandel eingetreten sei, bekämpft und seinen zuvor erfolgten Weisungsbruch als ein Missverständnis darzustellen versucht, aber die übrigen Erwägungen des Oberlandesgerichts ausblendet, zeigt er eine Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl RIS-Justiz RS0112526).

Die weiters behauptete Unverhältnismäßigkeit der Haft lag mit Blick auf die zum Entscheidungszeitpunkt des Oberlandesgerichts knapp dreimonatige Untersuchungshaft und die erstinstanzliche Verurteilung zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe (vgl RIS-Justiz RS0118876) nicht vor. Das vom Beschwerdeführer insoweit erstattete Vorbringen in Bezug auf sein berufliches Fortkommen und die Erkrankung seiner Mutter spielt unter Verhältnismäßigkeitsaspekten keine Rolle (vgl RIS-Justiz RS0120790 [insb T8]).

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss daher nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war somit ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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