OGH 12Os103/82

OGH12Os103/822.9.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Hon.Prof.

Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stortecky als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilfried A und einen anderen wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Wilfried A sowie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 29. Jänner 1982, GZ. 23 Vr 1515/79-47, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, ferner Verlesung der Rechtsmittelschriften der Angeklagten sowie nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Wilfried A wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 24.Februar 1961 geborene Hilfsarbeiter Wilfried A und der am 21.Februar 1963 geborene Speditionsangestellte Christian B - letzterer neben einer anderen Straftat - des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 24.Februar 1979, sohin im jugendlichen Alter, in Innsbruck gemeinsam mit dem außer Verfolgung gesetzten Reinhard C an einem Angriff mehrerer gegen Josef D und Johannes E tätlich teilnahmen, wobei der Angriff eine schwere Verletzung des Josef D, nämlich offene Nasenbeinbrüche sowie einen Trümmerbruch des linken Oberkieferbeines mit Aufwulstung der vorderen und unteren Umrahmung der Augenhöhle, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als 24 Tagen, verursacht hat. Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde, welche von Wilfried A auf die Z. 5 und 9 lit. a und von Christian B auf die Z. 4

des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A:

Dieser Beschwerdeführer führt in der Mängelrüge (Z. 5) zunächst eine Undeutlichkeit des Ausspruchs des Gerichts über entscheidende Tatsachen mit der Argumentation ins Treffen, das gesamte Tatgeschehen sei in zwei Abschnitte zu gliedern, nämlich einerseits in die Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Leiter des 'Kennedy-Hauses', Pater Johannes E, und dem Beschwerdeführer, welcher dabei festgehalten wurde, und in den Angriff von B und C andererseits;

nur dieser zweite Abschnitt stelle aber einen 'Raufhandel' dar. Das angefochtene Urteil lasse nicht deutlich erkennen, ob der Beschwerdeführer auch in dieser Geschehensphase tätlich geworden ist und worin somit der Gerichtshof die als erwiesen angenommenen, den Schuldspruch nach § 91 Abs. 1 StGB in subjektiver und objektiver Beziehung begründenden Umstände erblickt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, daß diese Ausführungen auf einer willkürlich vorgenommenen, in den Urteilsfeststellungen nicht begründeten Aufteilung des einheitlichen Tatgeschehens durch den Beschwerdeführer in zwei Abschnitte basieren. Tatsächlich hat das Erstgericht sowohl im Spruch als auch in den Gründen seiner Entscheidung unmißverständlich einen einheitlichen Angriff mehrerer, nämlich des Beschwerdeführers des Zweitangeklagten Christian B und des außer Verfolgung gesetzten Reinhard C auf zwei Personen, nämlich auf Pater E und den diesen unterstützenden Erzieher Josef D, angenommen, der nicht nur zu einer leichten Verletzung des Erstgenannten, sondern auch zu einer (in mehrfacher Beziehung) schweren Körperverletzung des Josef D geführt hat, deren Urheber sich nicht feststellen lassen, aber jedenfalls zum Kreis der drei genannten (tätlichen) Angreifer zählen, weil das Gericht die Beteiligung anderer Personen auf Seiten der Angreifer zweifelsfrei ausschloß. Diesen Angriff mehrerer hat, den Urteilsannahmen zufolge, gerade der Angeklagte A eröffnet, indem er auf Pater E losging. Daß er sich am weiteren Geschehen, als auch seine beiden Begleiter Pater E und Josef D attackierten, nicht mehr beteiligt hätte, wurde vom Erstgericht keineswegs festgestellt, vielmehr im Gegenteil als erwiesen angenommen, daß er sich am gesamten Tatgeschehen beteiligte. Dem tut die Wiedergabe einzelner, den Beschwerdeführer entlastender, von ihm zitierter Aussagen im Urteil keinen Abbruch, weil sie im Rahmen der gründlich vorgenommenen, alle Ergebnisse des Beweisverfahrens erörternden Beweiswürdigung des Schöffengerichtes erfolgte. Eine Undeutlichkeit der Urteilsgründe kann somit daraus nicht abgeleitet werden.

Der Umstand, daß das Gericht nicht festzustellen vermochte, ob auch der Angeklagte A gegen Josef D -

diesen schwer verletzende - Schläge geführt hat, ist in rechtlicher Beziehung unerheblich, weil es - wie im Urteil zutreffend ausgeführt wird - gleichgültig ist, ob die zur Erfüllung des Tatbildes geforderte, nicht bloß den Täter selbst betreffende schwere Verletzung vor, während oder nach dessen tätlicher Teilnahme entstand (JBl. 1982, 328; 12 Os 50/79), und der Teilnehmer selbst dann strafbar ist, wenn er niemanden verletzt hat oder wenn erwiesenermaßen er nicht als Urheber der schweren Verletzung in Betracht kommt (Leukauf-Steininger2, RN. 9 zu § 91 StGB mit weiteren Nachweisen aus Judikatur und Literatur). Der Eintritt dieser schweren Folge des Angriffs ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit des Raufhandels, auf die sich das Verschulden der Teilnehmer - also auch des Beschwerdeführers - nicht erstrecken muß; hinsichtlich dieser Folge ist nicht einmal Fahrlässigkeit (vgl. § 7 Abs. 2 StGB) erforderlich ((Leukauf-Steininger2, a.a.O. RN. 12, Kienapfel, BT I, Rz. 524). Zur Erfüllung der subjektiven Tatseite genügt vielmehr der sich vorliegend - ohne daß es näherer Erörterungen bedurfte -

schon aus dem Tatgeschehen ergebende und vom Erstgericht auch beim Angeklagten A der Sache nach angenommene (zumindest bedingte) Vorsatz, an einem Angriff mehrerer tätlich teilzunehmen (vgl. S. 207/208). Eine Verabredung der Teilnehmer oder eine andere erklärte Verbindung unter ihnen zum gemeinsamen Angriff ist, wie das Erstgericht richtig erkannte, nicht erforderlich.

Einen inneren Widerspruch im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß nach den Urteilsfeststellungen der Zweitangeklagte Christian B dem Erzieher Josef D zu einem Zeitpunkt, als er (A) gehalten wurde, einen Schlag ins Gesicht versetzt hat. Dabei läßt der Beschwerdeführer jedoch unberücksichtigt, daß er nach den Urteilsannahmen von D gehalten wurde, welcher von B angegriffen wurde, um ihn (A) zu befreien und daß eine anschließende (neuerliche) Beteiligung des Angeklagten A am Angriff auf D vom Urteil keineswegs ausgeschlossen wird. Von einem inneren Widerspruch des Urteils durch Annahme miteinander unvereinbarer Tatsachen kann mithin keine Rede sein. Nicht gegeben ist schließlich die behauptete Unvollständigkeit der Urteilsgründe infolge angeblicher Vernachlässigung der Aussage des Zeugen Josef D, welcher deponierte, er habe den ersten Schlag von hinten erhalten (also nicht vom Beschwerdeführer A, den er zu diesem Zeitpunkt festhielt), und glaube nicht, daß A ihn geschlagen habe, weil er ihn kenne. Die zitierte Aussage des Zeugen D wird nämlich im Urteil ohnehin wiedergegeben (S. 205 d.A.); sie ist zudem in bezug auf die (hier in Richtung des § 91 Abs. 1 StGB zum Tragen kommende) Schuld des Angeklagten A ohne Belang, weil, wie schon ausgeführt, der Nachweis der Zufügung der schweren Verletzung durch ihn hiefür nicht erforderlich ist.

Im Rahmen der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, es müßte, um ihm den Vorwurf der Teilnahme am Raufhandel zu machen, erwiesen sein, daß er, nachdem er von (dem ihn haltenden) Josef D loskam, tätlich geworden ist; dies lasse sich den Urteilsfeststellungen nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit entnehmen. Die Tätlichkeiten des Mitangeklagten B gegenüber D seien aber vom Vorsatz des Beschwerdeführers nicht umfaßt gewesen.

Entgegen diesem Beschwerdeeinwand haftet der Teilnehmer an einem Raufhandel auch dann, wenn er vom Angegriffenen festgehalten wird, sodaß er selbst keine Tätlichkeiten mehr gegen ihn setzen kann, hat er doch solcherart die Kräfte des Angegriffenen und dessen Widerstandsmöglichkeiten bereits dadurch geschwächt, daß er den Angegriffenen zwang, ihn festzuhalten, um ihn von (weiteren) Angriffen (auf sich oder andere) abzuhalten.

Im übrigen ergibt sich aus den obigen Ausführungen zur Mängelrüge, daß im angefochtenen Urteil die Beteiligung des Angeklagten A am gesamten Tatgeschehen mängelfrei festgestellt wurde. Demnach war das Vorgehen seiner Begleiter gleichfalls von seinem Vorsatz umfaßt, weshalb er für deren Tätlichkeiten auch dann einzustehen hat, wenn er selbst (vorübergehend) an solchen gehindert gewesen war.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Dieser Beschwerdeführer wendet sich in der Verfahrensrüge (Z. 4) gegen die Abweisung seines in der Hauptverhandlung (S. 195) gestellten Beweisantrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheins zur Rekonstruktion des Geschehens im Hinblick auf die im Verfahren hervorgekommene Darstellung der Räumlichkeiten als düster, dunkel und schlecht beleuchtet sowie auf die Anwesenheit von ca. 30 bis 40 Personen daselbst. Das Gericht lehnte diesen Beweisantrag als undurchführbar mit der Begründung ab, daß die zur Tatzeit gegebenen Verhältnisse 'nicht nachgestellt werden können' (S. 196); im Urteil wies es zudem noch darauf hin, daß auf der Grundlage der im Akt befindlichen Lichtbilder völlige Klarheit über die örtlichen Verhältnisse bestehe (S. 206).

Diese Begründung trifft zu. Wenn der Beschwerdeführer versucht, die Notwendigkeit eines Lokalaugenscheins damit darzutun, daß eine sichere Identifizierung bei den gegebenen Sichtverhältnissen niemals möglich gewesen wäre, so übersieht er, daß er seine Anwesenheit am Tatort selbst gar nicht bestritten hat und daß sich die Urteilsannahme, wonach andere Angreifer als die beiden Angeklagten und C nicht in Betracht kämen, im Einklang mit den Denkgesetzen darauf gründet, daß außer diesen Personen und den beiden Angegriffenen nur noch unter 14 Jahre alte Gäste der Faschingsveranstaltung und einige sogenannte Gruppenführer anwesend waren, also ältere Jugendliche, die das Vertrauen des Leiters der Veranstaltung genießen und mit der Beaufsichtigung der Jüngeren beauftragt waren, sodaß sie als Angreifer gegen ihre Vorgesetzten der Lebenserfahrung nach auszuschließen sind. Daß aber die erörterte Teilnahme am tätlichen Angriff mehrerer für den Schuldspruch nach § 91 Abs. 1 StGB bereits ausreichend und ein sicherer Nachweis bestimmter einzelner Angriffshandlungen und insbesondere der Zufügung der schweren Verletzung durch den Beschwerdeführer nicht erforderlich war, wurde bereits bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A ausgeführt, weshalb hier darauf nicht erneut näher eingegangen werden muß.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Wilfried A unter Anwendung des § 11 JGG. nach dem ersten Strafsatz des § 91 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 80 Tagessätzen zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es den Umstand, daß die Josef D zugefügten Verletzungen nicht nur an sich schwer waren, sondern darüber hinaus (auch noch) eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit (§ 84 Abs. 1 StGB) zur Folge hatten, als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen eine alkoholbedingte Enthemmung zur Tatzeit sowie den Umstand an, daß die Tat schon längere Zeit zurückliegt und der Angeklagte sich seither wohlverhalten hat. Bei der Festsetzung der Höhe des Tagessatzes ging es davon aus, daß der Angeklagte, der keine Sorgepflichten zu erfüllen hat, als Hilfsarbeiter ein monatliches Nettoeinkommen von 6.000 S bezieht.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine 'Herabsetzung der Strafe' und deren bedingte Nachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Insoweit der Berufungswerber ins Treffen führt, das Erstgericht, welches mit dem Hinweis, daß er 'bereits einmal vom Gericht, wenn auch nicht wegen einschlägiger Delikte abgestraft wurde', die Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG. ablehnte, hätte dieser 'nicht einschlägigen Vorstrafe nicht das entscheidende Moment beimessen' dürfen, genügt der Hinweis, daß der Angeklagte mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.September 1978, AZ. 23 Vr 1550/78, u. a. der Vergehen nach § 125, 126 Abs. 1 Z. 7 StGB und § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG., somit strafbarer Handlungen schuldig erkannt wurde, die - zumal auch sie den Hang des Angeklagten zur Gewalttätigkeit erkennen lassen - auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhen.

Auf der Basis der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe wird die vom Erstgericht verhängte Anzahl der Tagessätze der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten durchaus gerecht; für deren Minderung bestand somit kein Anlaß. Gleiches gilt für die Höhe des (einzelnen) Tagessatzes, der dem vom Erstgericht auf der Basis des vom Angeklagten angegebenen Einkommens (zudem ohne Einbeziehung der jährlichen Sonderzahlungen an Urlaubs- und Weihnachtsgeld) errechneten Abschöpfungsbetrag entspricht. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht hinwieder kam angesichts der Vorverurteilung des Angeklagten schon im Interesse einer spezialpräventiven Effizienz der Geldstrafe nicht in Betracht. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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