Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, dass über Thomas S***** gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 30. Juni 2004 zu AZ 20 Hv 37/04m eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten verhängt wird, wovon ihm gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 17 (siebzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas S***** (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (gemeint:) idF vor BGBl I 2004/15 (vgl US 10) schuldig erkannt. Danach hat er im Juli 2002 in Haag Marlene St***** dadurch außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB (richtig:) aF mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, dass er die Widerstrebende an den Händen festhaltend gegen eine Wand drückte, ihre Unterbekleidung bis zu den Knien herunterzerrte und ihr wiederholt einen Finger in die Scheide einführte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der Mängelrüge (Z 5) ist vorweg generell zu erwidern, dass das Gericht gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO zwar verpflichtet ist, im Urteil in gedrängter Form die als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen zu begründen, daraus aber keine Verpflichtung dazu resultiert, jede Bekundung eines Angeklagten oder Zeugen bzw sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin und ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung für die zu fällende Entscheidung einer besonderen Erörterung zu unterziehen (vgl Mayerhofer StPO5 § 270 E 78, § 281 Z 5 E 7 f).
Demgemäß konnte die vom Beschwerdeführer vermisste Auseinandersetzung mit den Angaben der Zeuginnen Alexandra L***** (S 237), Marlene St***** (S 238) und Bettina St***** (S 230) zur Frage, ob Alexandra L***** die von ihr bekundete Irrtümlichkeit ihrer in der Hauptverhandlung vom 21. Mai 2003 deponierten Angabe des Jahres, in dem die Tat verübt wurde, unmittelbar nach jener Vernehmung von selbst auffiel, sowie darüber, wann Marlene St***** ihren eigenen Irrtum bemerkte, sanktionslos unterbleiben. Denn die Aussage der Zeugin Bettina St*****, wonach "sie draußen vor dem Saal gleich draufgekommen sind, dass sie sich im Jahr geirrt haben", impliziert - entgegen dem Einwand eines Aussagewiderspruchs - keineswegs, dass die Irrtumserkenntnis der Zeugin Alexandra L***** auf einer (von ihr in Abrede gestellten) vorangegangenen Absprache des Vorfallsdatums mit Marlene St***** beruhte. Auch bedurften die differierenden Angaben der Zeuginnen Bettina und Marlene St***** in Bezug auf den vom Schöffengericht nicht zur Prämisse der Überzeugung von der Beweiskraft der Aussage der auch auf Grund des positiven persönlichen Eindrucks für glaubwürdig befundenen Zeugin Marlene St***** (US 10) erhobenen Zeitpunkt der Irrtumserkennung keiner weiteren Erörterung. Auch die (mit eigenen Beweiswerterwägungen verbundene) Rüge einer unterbliebenen Berücksichtigung des Umstandes, dass der Tatvorwurf erst durch Anzeigeerstattung des Angeklagten gegen Bettina St***** den Sicherheitsbehörden zur Kenntnis gelangt war, geht fehl, weil die Tatrichter die Verantwortung des Angeklagten (auch auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks) insgesamt als unglaubwürdig verwarfen (US 10) und solcherart nicht verpflichtet waren, sich mit jedem einzelnen Aspekt seiner Einlassungen gesondert auseinanderzusetzen (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 71a). Dem Beschwerdestandpunkt zuwider war das Erstgericht auch nicht gehalten, im Rahmen der zur Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin Marlene St***** angestellten Erwägungen Beweisergebnisse zu einem Lokalbesuch der Genannten im Frühjahr bzw in der Nacht des 22. April 2002 (Zufügung von "Knutschflecken") sowie Angaben der Zeugin Yvonne P***** zu einem gemeinsamen Lokalbesuch mit Marlene St***** am 21. April 2002 einer (näheren) Erörterung zu unterziehen. Wesentliches Element der leugnenden Verantwortung des Angeklagten war die Einlassung (S 15 f, 94), das nach der Schilderung der Zeugin Marlene St***** der inkriminierten Tat vorangegangene Geschehen - Begleitung auf dem Heimweg nach Besuch seines Lokals und anschließendem Aufenthalt in einem anderen Haager Lokal - habe sich ausschließlich in der Nacht des 22. April 2002, nicht aber (wie von ihr angegeben) im Juli 2002 zugetragen. Da die Tatrichter diese Verantwortung und damit die behauptete zeitliche Einordnung des - von keiner der in der Beschwerde relevierten Zeuginnen wahrgenommenen - Ereignisses der Heimbegleitung auch unter Einbeziehung des in der Hauptverhandlung vom Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verwarfen (US 8, 10), waren die solcherart nur unter der - vorliegend aber verneinten - Prämisse des Zutreffens jener Behauptung erheblichen zuvor genannten Beweisergebnisse nicht erörterungsbedürftig. Dem steht nicht entgegen, dass Marlene St***** den von ihr geschilderten, dem Tatgeschehen vorangegangenen Lokalbesuch mit jenem von den in Rede stehenden Zeuginnen deponierten Vorfall in Verbindung brachte, weil diesem Ereignis von den Tatrichtern keine für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Angaben der Zeugin zur zeitlichen Einordnung des Tatvorfalles maßgebliche Bedeutung zugemessen, es somit dem Schluss auf das Vorliegen der entscheidenden Tatsache der Täterschaft des Angeklagten nicht als notwendige Bedingung zu Grunde gelegt wurde (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 410).
Demgemäß wird mit dem insoweit zutreffenden Einwand eines in Bezug auf den Urkundeninhalt, wonach Anreisetag der Yvonne P***** zur Berufsschule der 21. April 2002 gewesen sei, unrichtigen Referates des Inhaltes der Bestätigung der Berufsschule Waldegg vom 23. Juni 2003 (US 9) eine Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO nicht aufgezeigt, weil der Frage eines gemeinsamen Lokalbesuches von Marlene St***** und Yvonne P***** in der Nacht vom 21. zum 22. April 2002 nach den zuvor angeführten Erwägungen keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt (vgl Ratz aaO § 281 Rz 466).
Auch die Rüge einer unterbliebenen Berücksichtigung der Depositionen des Zeugen Johann R*****, wonach dessen Angestellte zwischen 6.45 Uhr und 7.00 Uhr die in unmittelbarer Tatortnähe gelegene Eingangstür des Geschäftslokals H*****straße ***** passierten, erweist sich als verfehlt. Sie entbehrt nämlich eines zur gesetzmäßigen Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO unerlässlichen Vorbringens, weshalb die unterlassene Erörterung in Anbetracht des nach den Urteilsannahmen (US 4, 8) nicht exakt feststehenden Zeitpunktes („ca 7.00 Uhr") des nur wenige Minuten andauernden Tatgeschehens und der massiven Sichteinschränkung auf die Tatörtlichkeit einer für den Prozessstandpunkt des Beschwerdeführers günstigeren Feststellung über entscheidende Tatsachen im Wege stand. Die Behauptung einer offenbar unzureichenden Entscheidungsbegründung stellt sich - wie sich bereits aus dem Verweis auf den Zweifelsgrundsatz zwanglos ableiten lässt - als unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung dar. Denn die Tatrichter haben - vom Beschwerdeführer vernachlässigt, insbesondere auf die von der Zeugin Alexandra L***** eingeholte Bestätigung eines Krankenstandes in der Zeit von 2. bis 8. Juli 2002 gestützt - ebenso denkrichtig wie empirisch einwandfrei begründet (US 6 f), weshalb sie zur Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben der Zeuginnen Alexandra L***** und Marlene St***** im zweiten Rechtsgang zum Tatjahr gelangt sind.
Mit der sowohl gänzlich aktenfremden als auch durch allgemeine Erfahrungssätze keineswegs begründeten Behauptung eines gegenüber Schulferien um eine Woche späteren Beginns von Kindergartenferien zeigt die Beschwerde eine Mangelhaftigkeit der Urteilserwägungen in Bezug auf die Erörterung der Aussage der Zeugin Susanne Wagner (US 8) nicht auf.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) wendet sich gegen die Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter § 201 Abs 2 StGB (idF vor dem StRÄG 2004, BGBl I 2004/15) mit der Argumentation, das Einführen eines Fingers in die Scheide des Tatopfers stelle keine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dar. Sie ist damit nicht im Recht.
Unter dem normativen Begriff der „einem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung" sind „qualifizierte geschlechtliche Handlungen" zu verstehen, die "in der Summe ihrer Auswirkungen und Begleiterscheinungen mit einem Beischlaf vergleichbar sind". Dies trifft „auf alle Formen oraler, vaginaler oder analer Penetration" zu (Fabrizy StGB8 § 201 Rz 2; Schick in WK2 § 201 Rz 35). Damit ist nach ständiger Judikatur (zuletzt 11 Os 26/03, 14 Os 78/02) grundsätzlich auch eine digitale Vaginalpenetration eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, wenn sie nach der konkreten Fallgestaltung in der Summe ihrer Auswirkungen und Begleiterscheinungen nach allgemeinem Verständnis eine solche Gleichsetzung zulässt, wobei als Vergleichskriterien die Intensität der sexuellen Inanspruchnahme, die Schwere des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und das Ausmaß der Demütigung und Erniedrigung des Opfers heranzuziehen sind.
Nach den für die gegenständliche Beurteilung wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 4 f) führte der Angeklagte zweimal (gewaltsam) einen Finger in die Scheide des (erst) 14-jährigen Mädchens ein, wobei er vor dem zweiten Einführen die Hand des Mädchens auf sein entblößtes Glied legte und es zum Samenerguss kam. In Anbetracht der somit nach der Art und den Begleitumständen gesteigerten Intensität des sexuellen Angriffes gegen das minderjährige Tatopfer hat der Schöffensenat die Beischlafswertigkeit des konstatierten Tatverhaltens im Sinne der vorgenannten Beurteilungskriterien zutreffend bejaht und dieses mithin rechtsrichtig unter den Tatbestand des § 201 Abs 2 StGB (in der alten Fassung) subsumiert.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte Thomas S***** nach §§ 43a Abs 2, 201 Abs 2 aF StGB (vgl US 12 - Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 15 EUR, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von 17 Monaten.
Dabei wertete es keinen Umstand erschwerend, mildernd berücksichtigte es hingegen „die bisherige Unbescholtenheit" des Angeklagten. Diesen Strafausspruch bekämpfen die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel der Verhängung einer nach § 43a Abs 3 StGB teilbedingten tatschuldangemessenen Freiheitsstrafe und der Angeklagte, der eine gänzlich bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe und die Verkürzung der Probezeit anstrebt, jeweils mit Berufung.
Nur jene der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.
Von der vom Angeklagten als zusätzlich mildernd reklamierten Tatbegehung aus Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) kann vorliegend ebenso wenig die Rede sein wie von der gleichfalls behaupteten Enthemmung durch Alkoholisierung.
Mit der „bisherigen Unbescholtenheit" wurde vom Erstgericht ersichtlich ein - wegen der konstatierten Übergriffe gegen Frauen (US 10) - in Wahrheit gar nicht vorliegender bisher ordentlicher Lebenswandel mildernd berücksichtigt.
Der von der Anklagebehörde aus der leugnenden Verantwortung gezogene Schluss auf die „völlige Uneinsichtigkeit des Angeklagten" ist jedoch aus der Sicht der Strafzumessung nur insoweit von Bedeutung, als deshalb zu Recht der Milderungsgrund des (der Wahrheitsfindung dienenden und/oder reumütigen) Geständnisses nicht angenommen wurde. Bei Berücksichtigung aller Aspekte des Falles sah sich der Oberste Gerichtshof dazu bestimmt, die im Spruch ersichtliche Unrechtsfolge unter Bedachtnahme auf das dort bezeichnete Urteil als zusätzliche Freiheitsstrafe auszusprechen.
Dabei waren im Hinblick auf die festgestellte manifeste Tendenz des Angeklagten zu sexuell motivierten Übergriffen insbesondere spezialpräventive Erwägungen sowie das von seinen Vorsatz umfaßte knapp über der Grenze zur Unmündigkeit liegende Alter des Opfers, das den an sich massiven Störwert der abgeurteilten Taten aggraviert, maßgebend.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
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