European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00095.18G.1016.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten DI (FH) W***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./A./2./, in der betreffend diese Angeklagte zu I./A./2./ und I./A./3./ gebildeten Subsumtionseinheit, weiters im Schuldspruch II, demzufolge im diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch sowie im mit dem Schuldspruch zu I./A./2./ korrelierenden Teil des Verfallsausspruchs in Höhe von 10.000 Euro aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten DI (FH) W***** ebenso zurückgewiesen wie jene des Angeklagten Stefan C***** zur Gänze.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte DI (FH) W***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Graz rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten C***** zuzuleiten hat.
Stefan C***** und DI (FH) W***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsenene Freisprüche eines Mitangeklagten (zur Gänze) sowie des C***** und der DI (FH) W***** von weiteren Tatvorwürfen enthält, wurden Stefan C***** und DI (FH) Alexandra W***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (Ersterer zu I./A./1./ und I./A./3./, Zweitere zu I./A./2./ und I./A./3./) und der Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB (I./B./), DI (FH) Alexandra W***** überdies des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach haben
I./ Stefan C***** und DI (FH) Alexandra W***** teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils als unternehmensrechtliche, teils als faktische Geschäftsführer, DI (FH) W***** teils als Prokuristin, sohin als leitende Angestellte (§ 74 Abs 3 StGB), in F***** und anderen Orten in wiederholten Angriffen
A./ von 11. März 2010 bis zur Konkurseröffnung am 7. August 2012
1./ Stefan C***** nicht bestehende Verbindlichkeiten der D***** GmbH ihm gegenüber (US 7) vorgeschützt, indem er unrichtige Spesenabrechnungen in Höhe von insgesamt 27.274 Euro legte;
2./ DI (FH) Alexandra W***** das Vermögen der D***** GmbH verringert, indem sie „ihr Eigenkapital ersetzendes Darlehen“ am 21. Juni 2012, sohin in der Krise, zu einem Teil in Höhe von 10.000 Euro zurückbezahlte;
3./ Stefan C***** und DI (FH) Alexandra W***** „einen Bestandteil des Vermögens der D***** GmbH verheimlicht“ (US 7: deren Vermögen verringert), indem sie von September 2011 bis Februar 2012 in wiederholten Tranchen beim Bauvorhaben der Familie L***** „Schwarzzahlungen“ in Höhe von insgesamt zumindest 20.000 Euro „vereinnahmten und nicht in das Gesellschaftsvermögen abführten“ (US 9: für sich selbst vereinnahmten);
und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der genannten Gesellschaft geschmälert;
B./ (US 7, 10, 17 f: Stefan C***** und DI [FH] Alexandra W*****) in wiederholten Angriffen von 1. April 2012 bis 7. August 2012 nach Eintritt der „Zahlungsfähigkeit“ (vgl US 9 f: Zahlungsunfähigkeit) der D***** GmbH acht im Ersturteil genannte Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger laut Anmeldeverzeichnis im Konkursverfahren der D***** GmbH „oder wenigstens einen von ihnen“ benachteiligt;
II./ DI (FH) Alexandra W***** am 15. März 2016 in S***** Dr. Bernhard A***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie ihn von Amts wegen zu verfolgender mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich „der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB“, falsch verdächtigte, obwohl sie wusste, dass diese Verdächtigung falsch ist, indem sie in einem an das Konkursgericht übermittelten Schreiben wahrheitswidrig behauptete, dass Dr. Bernhard A***** als Masseverwalter über das Vermögen der D***** GmbH Fahrnisse, welche nachweislich nicht der Schuldnerin gehören würden, verkauft und der Beschuldigten angeboten hätte, „bei einer unversteuerten Barzahlung neben den Büchern in der Höhe von 30.000 Euro sämtliche Sachverhalte bereinigen zu können“.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 erhobene, gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Stefan C***** und DI (FH) Alexandra W*****.
In Bezug auf den DI (FH) W***** betreffenden Schuldspruch zu I./A./2./ zeigt die Beschwerde zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) auf.
Als Eigenkapital ersetzend iSd § 1 EKEG und sohin der Rückzahlungssperre nach § 14 Abs 1 EKEG unterliegend sind – mit Ausnahme der Fälle des § 3 Abs 1 EKEG – von einem Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise (§ 2 Abs 1 EKEG) gewährte Kredite anzusehen.
Zur Beurteilung der Vorfrage des Vorliegens eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens, dessen Rückzahlung an einen Gesellschafter während der Rückzahlungssperre des § 14 EKEG das der Gesellschaft zur Verfügung stehende Vermögen zu Lasten der Gläubiger wirklich verringert (RIS‑Justiz RS0116824), fehlt es im Gegenstand an Konstatierungen zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung (wie auch zum Ausschluss der Fälle des § 3 Abs 1 EKEG). Im Übrigen bleibt – wenngleich aus § 281 Abs 1 Z 5 erster (oder dritter) Fall StPO ungerügt – unklar, ob es sich bei dem in Rede stehenden Kredit überhaupt um ein von der Angeklagten DI (FH) W***** (als Gesellschafterin der D***** GmbH mit einem Anteil von 25 %; vgl US 5) dieser Gesellschaft gewährtes (Gesellschafter‑)Darlehen handelt (siehe US 2 und 8: „ihr eigenkapitalersetzendes Darlehen“), oder um ein „Darlehen der W***** GmbH“ (vgl US 13: „an die Zweitangeklagte“ [?]).
Im Recht ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10) zu II./.
Denn die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerung der DI (FH) W***** lassen nicht erkennen, inwiefern sie dem Masseverwalter (Insolvenzverwalter) fälschlich (zumindest – vgl 13 Os 114/14k) eine von Amts wegen zu verfolgende mit Strafe bedrohte Handlung (§ 297 Abs 1 erster Fall StGB) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe (§ 297 Abs 1 zweiter Fall StGB) angelastet haben soll.
Es bleibt zunächst unklar, inwiefern der Genannte durch das angebliche Verlangen einer „Schwarzzahlung“ von den Angeklagten in Höhe von 30.000 Euro im seiner Verfügung unterliegenden Vermögen der Schuldnerin (vgl RIS‑Justiz RS0106192) einen – zudem 5.000 Euro übersteigenden – Vermögensschaden im Sinn des § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB herbeigeführt haben soll (US 2 f, 10 f, 22). § 160 Abs 2 StGB wiederum enthält keine ein Jahr Freiheitsstrafe übersteigende Strafdrohung.
Nach den vorliegenden Feststellungen (US 2 f, 10 f, 22) lässt sich aber auch nicht beurteilen, inwiefern der weitere (Verleumdungs-)Vorwurf des (angeblichen) Verkaufs von Fahrnissen unter wahrheitswidriger Vorgabe des Eigentums der Schuldnerin sonst eine mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohte Handlung betrifft. Eine vom Erstgericht im Sinn eines Betrugs (§ 146 StGB) angenommene Selbstschädigung der Käufer (vgl RIS‑Justiz RS0094382) käme nämlich nur in Betracht, wenn sie an den Gegenständen nicht gutgläubig von einem Vertrauensmann (RIS-Justiz RS0075168) Eigentum erwerben konnten (vgl § 367 ABGB; RIS-Justiz RS0012025). Unabhängig davon, ob angeblich nicht im Eigentum der Gesellschaft stehende Sachen dem Masseverwalter (Insolvenzverwalter) letztlich iSd § 133 Abs 1 StGB (mit‑)anvertraut waren oder ohne sein Zutun in seinen Gewahrsam gerieten (§ 134 Abs 1 StGB), wird im Urteil jedenfalls kein Sachwert genannt, der die Annahme einer (wert‑)qualifizierten mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen zuließe.
Die von der Angeklagten DI (FH) W***** zutreffend aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern – in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO). Muss nämlich der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB aufgehoben werden, können nicht jene Annahmen, die einen gar nicht erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB tragen würden, für sich allein bestehen bleiben.
Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten C***** und DI (FH) W***** – gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.
Der Erledigung der Rechtsrüge ist voranzustellen, dass die prozessordnungskonforme Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes das strikte Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis eines Rechtsirrtums zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810). Eine mit Nichtigkeitsbeschwerde angestrebte rechtliche Konsequenz ist überdies nicht bloß zu behaupten, sondern methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116569, RS0117321).
Der Angeklagte C***** behauptet einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zu I./A./1./ (Z 9 lit a) im Zusammenhang mit seiner (rechtlichen) Einstufung als leitender Angestellter iSd § 161 StGB (auch) im Zeitraum vor dem 5. Oktober 2011 (an welchem er die unternehmensrechtliche Geschäftsführung bis zur Konkurseröffnung übernahm, US 5 f). Er übergeht allerdings die Konstatierung, dass er – ebenso wie die Angeklagte W***** – „ständig“ (US 5 f; im Gesamtkontext erkennbar: im gesamten Tatzeitraum) nicht nur am operativen Geschäft und am Rechnungswesen der Gesellschaft „beteiligt“ war, sondern auch maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nahm (US 6, 17 f, 22). Weshalb es darüber hinaus Feststellungen dahin bedurft hätte, dass der Beschwerdeführer „gleich dem handelsrechtlichen Geschäftsführer August M***** und gemeinsam mit diesem die Geschäfte im vollen Umfang wahrgenommen und gemeinsam mit diesem die Geschicke der Gesellschaft geleitet hat“, erklärt die Beschwerde nicht (RIS‑Justiz RS0116569; vgl im Übrigen– zu den Voraussetzungen faktischer Geschäftsführung –RIS‑Justiz RS0119794; Kirchbacher in WK² StGB § 161 Rz 13).
Der zu I./A./1./ und I./A./3./ erhobene Einwand eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a) vernachlässigt die Urteilsannahmen zur durch die Tathandlungen der Beschwerdeführer („hierbei“) bewirkten, von ihrem bedingten Vorsatz umfassten Schmälerung des Vermögens der Gesellschaft und somit des Haftungsfonds zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger (US 7).
Dass die zu I./A./1./ und I./A./3./ vorgenommene Subsumtion nach § 156 Abs 1 StGB – entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0094831) – Feststellungen zum Vorliegen einer von den Angeklagten erkennbaren finanziellen Krise voraussetze, wird – wie auch in der zitierten – bloß Beweisschwierigkeiten ansprechenden – Kommentarstelle (Hilf/Konopatsch PK-StGB § 156 Rz 3) – bloß behauptet (RIS‑Justiz RS0118429).
Desgleichen legt die gegen den Schuldspruch I./B./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar, weshalb es über die Feststellung (US 10, 18) des „bewussten und gewollten Zusammenwirkens“ der Angeklagten C***** und DI (FH) W***** und ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung auch bei diesen Taten hinausgehender Konstatierungen bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0116569).
Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Fehlens einer Begründung (Z 5 vierter Fall) der erwähnten Urteilsannahmen ist nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ausgerichtet (RIS‑Justiz RS0119370). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit sind die Ausführungen der Erstrichter zu den durch die Beschwerdeführer veranlassten Zahlungen (US 10), zur Stellung des Angeklagten C***** als unternehmensrechtlicher Geschäftsführer und jener der Angeklagten DI (FH) W***** als faktische (Mit‑)Geschäftsführerin, zu ihrem „gemeinsamen Agieren“, ihrem persönlichen Naheverhältnis (US 5 – Lebensgefährten) und zu ihrem E-Mail-Verkehr (US 18 iVm US 3 f) wie auch die Ableitung der inneren Tatseite (im Allgemeinen) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 21) nicht zu beanstanden.
In diesem Umfang war – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Rechtsmittelwerber – daher die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten DI (FH) W***** ebenso bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen wie jene des Angeklagten C***** zur Gänze (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte DI (FH) W***** auf die (teil‑)kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten C***** kommt dem Oberlandesgericht Graz zu (§ 258i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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