Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paulina S***** mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A/1 bis 6) und des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat sie „in Wien Nachgenannten durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern,
A. weggenommen bzw abgenötigt, und zwar
1. am 15. Mai 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. B***** 2.068 Euro, indem sie die Kassenangestellte Barbara G***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,das ist ein Überfall' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
2. am 19. Mai 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. B***** 4.000 Euro, indem sie die Kassenangestellte Suszana L***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,Überfall, geben sie mir das Geld' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
3. am 23. Juni 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. B***** 2.730 Euro, indem sie die Kassenangestellte Ülcü M***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,Schnell, alles Geld' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
4. am 3. August 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. B***** 4.611 Euro, indem sie die Kassenangestellte Nicole M***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,Geld her, das ist ein Überfall, das ist kein Spaß' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
5. am 17. August 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. Z***** 1.401 Euro, indem sie die Kassenangestellte Roswitha H***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,Geld raus und in das Sackerl rein' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
6. am 31. August 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. B***** 3.416 Euro, indem sie die Kassenangestellte Nicole M***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten ,Überfall, Geld her, ich mach keinen Spaß' bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte;
B. wegzunehmen versucht, und zwar am 8. Juni 2007 Verfügungsberechtigten der Fa. Z***** Bargeld, indem sie die Kassenangestellte Suzane C***** mit einer Schreckschusspistole sowie einem Messer und den Worten, 'Geld' her bedrohte und das in der Kassa befindliche Bargeld forderte."
Die Geschworenen haben die an sie gerichteten sieben Hauptfragen bejaht. Weitere Fragen wurden ihnen nicht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 13 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Der Verteidiger stellte in der Hauptverhandlung die Anträge auf
- „Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, zum Beweis dafür, dass in der Beziehung zwischen T***** und der Angeklagten ein Hörigkeitsverhältnis vorlag, dass die Willensfreiheit gebeugt war; dass die Handlungen, die die Angeklagte gemacht hat, alles von T***** gesteuert wurde und dass es aus ihrer damaligen subjektiven Sicht keine Möglichkeit gab, sich aufzulehnen" (S 55/II),
- „Einvernahme der Mutter der Angeklagten, zum Beweis dafür, dass zwischen T***** und der Angeklagten ein Hörigkeitsverhältnis vorliegt und die Mutter hiezu persönliche Wahrnehmungen hat. Das zum Beweis dafür, dass ein Hörigkeitsverhältnis vorlag und dies die Schuldfähigkeit der Angeklagten ausschließt" (S 57/II oben), und
- „Wiedereröffnung des Beweisverfahrens zwecks Urkundenvorlage und Verlesung der Urkunde, dass sich die Angeklagte nach einem Beinbruch in Spitalsbehandlung befand" (S 57/II unten).
Der Schwurgerichtshof lehnte den ersten und den zweiten Antrag ab; zum dritten gab die Vorsitzende „nach Umfrage" bekannt, „dass die Tatsache des Spitalsaufenthalts nicht bezweifelt wird", und erklärte hierauf die Verhandlung für geschlossen (S 57 f/II). Dadurch wurden entgegen der Beschwerde (Z 5) Verteidigungsrechte nicht geschmälert:
Versteht man den Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigen - der andernfalls als Erkundungsbeweis im Stadium der Hauptverhandlung von vornherein unberechtigt wäre (RIS-Justiz RS0118123 [T1 und T2], RS0097230 [T3]) - als solchen, der dazu dienen sollte, fehlende Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit der Angeklagten in den Tatzeitpunkten zu belegen, geht die Beschwerde deshalb fehl, weil derartige Zweifel am Geisteszustand auf objektiven Beweisergebnissen darüber beruhen müssen, dass die Angeklagte zur Tatzeit unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (RIS-Justiz RS0097641; Tipold, WK-StPO § 134 Rz 1 mwN). Solche Beweisergebnisse lagen hier aber nicht vor und werden auch mit dem Beschwerdevorbringen, die Angeklagte habe sich „jedenfalls implizit" damit verantwortet, dass sie bei den zielgerichteten Raubtaten auf Befehl ihres Freundes gehandelt habe und sich gegen diesen auf Grund eines Hörigkeitsverhältnisses nicht habe auflehnen können, dass sie vor den Überfällen Drogen konsumiert habe und bei zwei Überfällen Entzugserscheinungen gehabt hätte (S 13 f/II), nicht angesprochen (vgl 12 Os 113/84). Der vom Schwurgerichtshof im Sinn des dritten Antrags zugestandene Umstand, dass sich die Angeklagte verletzungsbedingt im Spital befand, ändert daran nichts. Auf Vorgänge, die sich nach der Hauptverhandlung ereignet haben (wie Äußerungen der Angeklagten laut BS 3 unten), kann eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 49). Warum ein mit dem zweiten Antrag unter Beweis gestelltes „Hörigkeitsverhältnis" der Angeklagten zu ihrem Freund in tatsächlicher Hinsicht so beschaffen gewesen sein könnte, dass es - rechtlich gesehen - die Schuldfähigkeit ausschließt, und die Mutter der Angeklagten über ein derartiges Verhältnis Wahrnehmungen gemacht habe, blieb bei Antragstellung unbegründet (s aber § 55 Abs 1 letzter Satz StPO).
Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert mit Beziehung auf § 10 und § 11 StGB, dass keine Zusatzfrage gestellt wurde.
Die gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes erfordert eine Substantiierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung vorgebrachten konkreten Tatsachen (§ 314 Abs 1 StPO) die nunmehr urgierte weitere Fragestellung indiziert gewesen sein soll (RIS-Justiz RS0100860). In der Beschwerde wird jedoch zum einen ohne den gebotenen Bezug auf derartige konkrete Tatsachen vorgebracht, die Angeklagte habe sich in der Hauptverhandlung „implizit" damit verantwortet, dass sie auf Befehl des T***** gehandelt habe und sich gegen diesen auf Grund des bestehenden Hörigkeitsverhältnisses nicht habe auflehnen können, zum anderen sinnändernd aus der Aussage der Angeklagten zitiert (vgl BS 5 drittletzter Absatz und demgegenüber S 49/II oben).
Soweit die Beschwerdeführerin in der Sanktionsrüge (Z 13) weitere Milderungsgründe geltend macht, erstattet sie inhaltlich ein Berufungsvorbringen.
Die vor allem den Handlungsunwert betreffende - im Ergebnis aggravierende - Berücksichtigung dessen, dass die Angeklagte die Taten „alleine und auf sehr bestimmte Weise" durchführte, im Rahmen der allgemeinen Erwägungen zur Bemessung der Strafe (US 9; vgl zB Ebner in WK² Vor §§ 32-36 Rz 27) lässt ebenso wenig einen Rechtsfehler erkennen wie der Umstand, dass die „langdauernde psychische Beeinträchtigung bei zumindest zwei Tatopfern" als erschwerend gewertet wurde (US 8). Denn gemäß § 32 Abs 3 StGB ist die Strafe im allgemeinen umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können. Warum es zudem für eine erschwerende Wirkung einer solchen Beeinträchtigung darauf ankommen soll, dass die Tat „heimtückisch, grausam" oder in einer „qualvollen Weise" begangen wurde, legt das Rechtsmittel nicht dar. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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