European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00079.22K.0927.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten H* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – * H* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB (1./), des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 SMG (2./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG (3./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in M* und anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig
1./ im Zeitraum von Anfang 2020 bis 20. August 2020 Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen oder zu überlassen versucht, indem er insgesamt zumindest 5.851,63 Gramm Cannabiskraut (2,66 Gramm Delta-9-THC sowie 34,94 Gramm THCA in Reinsubstanz; 1,01 Grenzmengen) an nachstehende Personen gewinnbringend veräußerte, und zwar
a./ * R* zumindest 4.650 Gramm Cannabiskraut (2,12 Gramm Delta-9-THC und 27,8 Gramm THCA in Reinsubstanz; 0,8 Grenzmengen), und weitere 1.151,63 Gramm Cannabiskraut (0,52 Gramm Delta-9-THC und 6,86 Gramm THCA in Reinsubstanz; 0,2 Grenzmengen), wobei die Überlassung der letztgenannten Menge lediglich daran scheiterte, dass die Sendung am Postweg abgefangen und sichergestellt wurde.
b./ * F* 50 Gramm Cannabiskraut (0,02 Gramm Delta-9-THC und 0,3 Gramm THCA in Reinsubstanz; 0,01 Grenzmengen)
2./ ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 30. Juli 2020 bis zum 26. August 2020 Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er insgesamt 159 Cannabispflanzen in einer Outdoorplantage auf der Liegenschaft *, anpflanzte und kultivierte, wobei die Pflanzen letztlich durch Beamte der Polizeiinspektion L* sichergestellt wurden und aus den Pflanzen zumindest 76.956 Gramm Cannabiskraut (49,87 Gramm Delta‑9-THC und 653,76 Gramm THCA in Reinsubstanz; 18,84 Grenzmengen) gewonnen worden wären,
3./ am 26. August 2020 Suchtgift mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er insgesamt 2.525 Gramm Cannabiskraut (1,15 Gramm Delta-9-THC und 15,09 Gramm THCA in Reinsubstanz; 0,43 Grenzmengen) bis zur Sicherstellung durch Beamte der Polizeiinspektion L* innehatte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*.
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) wendet unter Kritik am Unterbleiben der Führung eines Eidbuchs beim Landesgericht für Strafsachen Graz (§ 240a Abs 3 zweiter Satzteil StPO; § 5 Abs 3 Geo)Nichtigkeit zufolge „Verletzung des § 240a Abs 3 StPO“ ein, weil „die Verteidigung nicht überprüfen kann, ob eine Beeidigung tatsächlich im Jahr 2021 stattgefunden hat“. Wegen Verletzung der Vorschrift des § 240a StPO liegt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO allerdings nur vor, wenn zur Hauptverhandlung Schöffen herangezogen werden, die weder bei Beginn derselben noch sonst vorher im Lauf des Kalenderjahres beeidet worden sind (§ 240a Abs 1 StPO), während die Unterlassung der Beurkundung einer solchen iSd § 240a Abs 3 StPO nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS‑Justiz RS0098251; Danek/Mann, WK‑StPO § 240a Rz 2 und 5).
[5] Bleibt anzumerken, dass die Hauptverhandlung am 24. Juni 2021 begann (ON 54) und zur neuerlichen Ladung und Vernehmung von Zeugen vertagt wurde. Zufolge wirksamen Verzichts auf Neudurchführung im Fall des Zeitablaufs (§ 276a zweiter Satz zweiter Satzteil StPO) schon am 24. Juni 2021 (ON 54 S 18; vgl RIS‑Justiz RS0130725) und (neuerlich) am 5. Mai 2022 (ON 69 S 2) wurde diese – eine Einheit darstellende Hauptverhandlung (RIS‑Justiz RS0129952; RS0098270 [T15]; Danek/Mann, WK‑StPO § 240a Rz 1 und § 276a Rz 8) am 5. Mai 2022 iSd § 276a erster Satz StPO fortgesetzt (ON 69 S 2) und gerade nicht iSd § 276a zweiter Satz erster Satzteil StPO „wiederholt“ (bzw „neu durchgeführt“). Einer neuerlichen Beeidigung der Schöffen am 5. Mai 2022 (oder an einem anderen Tag im Kalenderjahr 2022) bedurfte es für das gegenständliche Verfahren nicht, weildie Genannten – der vom Vorsitzenden des Schöffengerichts nach entsprechenden Erhebungen ergänzten Aktenlage zufolge (ON 1 S 31 und ON 75; Beeidigung der Schöffen P* und M* am 17. Juni 2021 zu AZ 19 Hv 14/21k des Landesgerichts für Strafsachen Graz [ON 75 S 1]; Hinweis auf die im Kalenderjahr 2021 bereits erfolgte Beeidigung dieser Schöffen am Beginn der Hauptverhandlung am 24. Juni 2021 [ON 54 S 2]) – als beeidigte Schöffen an der Verhandlung teilgenommen haben (RIS‑Justiz RS0098270 [T10, T15]).
[6] Zur Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) ist vorweg festzuhalten, dass die Korrektheit in erster Instanz getroffener Feststellungen (Z 2 bis 5a) – auch soweit es um die Möglichkeit diversioneller Erledigung geht – nur insoweit Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde ist, als die Konstatierungen – ohnehin – für Schuld oder Subsumtion entscheidende Tatsachen betreffen (RIS‑Justiz RS0119092). Mit der Bekämpfung einerUrteilspassage (US 13) zur fehlenden Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers als aktenwidrig bezieht sich das Vorbringen somit nicht auf iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117264). Abgesehen davon vernachlässigtdie Beschwerde weitere, die Frage der Verantwortungsübernahme präzisierendeUrteilspassagen (US 9) und nimmt zudem auf keine Wiedergabe des Inhalts einer Aussage oder einer Urkunde Bezug (vgl aber RIS‑Justiz RS0099431, RIS‑Justiz RS0119370).
[7] Die ein Vorgehen gemäß § 198 StPO anstrebende Diversionsrüge (Z 10a; zum Verhältnis zwischen den Diversionsformen nach §§ 198 ff StPO und §§ 35, 37 SMG siehe Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 35 Rz 5 mwN) argumentiert mit der Behauptung nicht schwerer Schuld (§ 198 Abs 2 Z 2 StPO) und einer Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers prozessordnungswidrig nicht auf Basis des gesamten Urteilssachverhalts und unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0116823, RS0124801). Denn einerseits lässt sie mit der Hervorhebung einer bloß „minimalste[n] 1,01-fache[n] Grenzmengenüberschreitung“ (erkennbar: zu 1./) den weiteren Schuldspruch zu 2./ in Bezug auf den Anbau von Cannabispflanzen in einer immerhin das Fünzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge sowie jenen zu 3./ wegen des Besitzes von weiteren 0,43 Grenzmengen mit dem erweiterten Vorsatz auf deren Inverkehrsetzung außer Acht. Andererseits vernachlässigt sie mit der Bezugnahme auf den Anbau von „sehr schwachem“ Cannabiskraut (zu 2./), das nicht im EU-Sortenkatalog oder in der österreichischen Sortenliste enthalten ist, und auf die insoweit „knappe“ Überschreitung des „Höchstwerts“ (offenbar mit Blick auf § 1 Abs 1 der Suchtgiftverordnung und Punkt I.1.a. deren Anhangs I gemeint: bezogen auf den Reinsubstanzgehalt von jeweils über 0,3 % Delta-9-THC-Gehalt; vgl US 4 ff) die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangte Mengenqualifikation nach § 28 Abs 2 SMG. Schließlich übergeht sie jene Urteilsannahmen (US 9), die eine Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers für das (gesamte) ihm (im Strafurteil) zur Last gelegte Tatgeschehen ausschließen (vgl aber RIS‑Justiz RS0116299, RS0126734).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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