OGH 11Os71/24m

OGH11Os71/24m27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 8. April 2024, GZ 29 Hv 30/24y‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00071.24M.0827.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I/1/), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I/2/ und II/) sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I/3/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 17. Jänner 2024 in I* – gekürzt wiedergegeben –

I/ * A*

1/ eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem er – in seiner linken und rechten Hand jeweils ein Messer haltend – versuchte, mehrmals damit auf den Oberkörper des A* einzustechen, was jedoch misslang, weil der Genannte die Stich- und Hiebbewegungen abwehren konnte;

2/ mit Gewalt zu einer Unterlassung genötigt, nämlich zur Abstandnahme der Verständigung der Polizei, indem er A* sein Mobiltelefon aus der Hand entriss, und

3/ eine fremde Sache beschädigt, nämlich das Mobiltelefon des A*, indem er dieses mit voller Wucht auf den Boden warf, wodurch es zerbrach,

II/ am 14. November 2023 * P* durch Drohung mit Gewalt zu einer Unterlassung genötigt, nämlich der Abstandnahme der Abnahme seiner Tasche, indem er ihm gegenüber sinngemäß äußerte, dass er ein Messer „stecken haben“ werde, bevor er ihm die Tasche aushändige, wobei er zur Untermauerung seiner Drohung ein Messer mit einer Länge von ca 20 cm aus der Tasche herauszog und dieses auf den Tisch legte.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, nominell auch erster Fall) übt in unzulässiger Form (vgl RIS‑Justiz RS0099455) Beweiswürdigungskritik, wenn sie zu Schuldspruch I/1/ aus den – ansonsten unbekämpft gelassenen – Urteilsfeststellungen zum äußeren Tatgeschehen (US 5 f) zur subjektiven Tatseite des Rechtsmittelwerbers dessen Verantwortung entsprechende, für ihn günstigere Schlüsse zu ziehen trachtet, als sie das Schöffengericht – logisch und empirisch einwandfrei (vgl US 12) – abgeleitet hat (US 6).

[5] Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) die angestrebte Rechtsfolge einer Konsumtion der Sachbeschädigung (I/3/) durch die Nötigung (I/2/) aus der urteilsfremden Prämisse eines von einem einheitlichen – (nur) auf die Verhinderung der Verständigung der Polizei gerichteten – Tatvorsatz getragenen Entreißens und Werfens des Mobiltelefons (vgl aber US 7) entwickelt, ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099724; zu der für die Annahme von Scheinkonkurrenz infolge Konsumtion erforderlichen Typizität siehe Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 58 ff).

[6] Nach den – auf seine eigenen Angaben sowie die „Einsichtnahme in die eingeholte Strafregisterauskunft und Vorstrafakten“ gegründeten (US 15) – Urteilskonstatierungen verbüßte der Angeklagte bis zu seiner Entlassung am 14. März 2018 die mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. September 2017, AZ 22 Hv 75/17d (rechtskräftig seit 26. September 2017), und bis 29. August 2023 die mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. November 2021, AZ 22 Hv 90/21s (rechtskräftig seit 8. März 2022), jeweils auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafen (US 4).

[7] Entgegen der Rückfallsverjährung – aufgrund des zeitlichen Intervalls von über fünf Jahren seit Entlassung des Beschwerdeführers aus „dem Vollzug der Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Beschluss vom 10. Jänner 2018“ – behauptenden Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) besteht ein Rückfallszusammenhang iSd § 39 Abs 2 StGB – wie hier – auch dann, wenn die zweite rückfallsbegründende Straftat innerhalb von fünf Jahren nach Verbüßung der für die vorangegangene Vortat verhängten Strafe und die nunmehrige Rückfallstat ihrerseits wieder innerhalb von fünf Jahren nach Verbüßung der für die zweite einschlägige Straftat verhängten Strafe erfolgte (RIS‑Justiz RS0091410; Flora in WK² StGB § 39 Rz 32). Allfällige Feststellungsmängel in Bezug auf die Voraussetzungen der Rückfallsverjährung macht die Beschwerde nicht geltend (vgl dazu RIS‑Justiz RS0133805) und sind solche mit Blick darauf, dass die beiden Vorverurteilungen nicht im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen (vgl US 4), auch nicht indiziert (zur letzten vom Urteil zu AZ 22 Hv 90/21s des Landesgerichts Innsbruck umfassten Tathandlung [am 15. August 2021] vgl ON 22 S 3).

[8] Mit der Reklamation (zusätzlicher) Milderungsgründe (§ 34 Abs 1 Z 7 und Z 11 StGB) zeigt der Beschwerdeführer keine Urteilsnichtigkeit iSd Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO auf, sondern erstattet bloß ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0099920; zum Verhältnis des § 34 Abs 1 Z 11 zu § 35 StGB vgl auch Riffel in WK² StGB § 34 Rz 27).

[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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