OGH 11Os63/16y

OGH11Os63/16y13.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. K***** wegen Vergehen der Datenverwendung in Gewinn‑ oder Schädigungsabsicht nach § 51 DSG über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. August 2015, AZ 49 Bl 29/15v, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Erste Generalanwältin Prof. Dr. Aicher, der Beschuldigten und des Verteidigers Dr. Rami zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00063.16Y.0913.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

Am 12. Februar 2015 stellte die Staatsanwaltschaft ***** das gegen Dr. K***** zu AZ 13 St 47/13d (zwischenweilig 55 BAZ 928/15z) wegen des Verdachts von Vergehen der Datenverwendung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht nach „§ 51 DSG bzw § 12 StGB; § 51 DSG“ geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 128 in den Ermittlungsakten). Dem Ermittlungsverfahren lag – soweit hier von Bedeutung – der Verdacht zu Grunde, Dr. K***** habe ihre als Systemadministratorin tätige Schwester Mag. A***** durch Übermittlung mehrerer E-Mails mit dem Inhalt „Bitte mehr!,“ „merh!“ und „mehr!“ gebeten, ihr nach vorangegangenem Informationszufluss weitere der Geheimhaltung unterliegende Interna vom Server der Notariatskammer zukommen zu lassen (ON 316).

In der Einstellungsbegründung verneinte die Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf die Verantwortung der Beschuldigten und die Aussage der abgesondert verfolgten Mag. A***** eine Verurteilungswahrscheinlichkeit der Dr. K***** im Wesentlichen mit der Begründung, dass Mag. A***** von sich aus über ein großes Mitteilungsbedürfnis verfüge und somit keiner Bestärkung im Sinne des § 12 zweiter oder dritter Fall StGB bedurft habe. Die E-Mails „Bitte mehr!“ oder „mehr!“ seien nicht als Aufforderung, sondern zufolge des großen Mitteilungsbedürfnisses der Mag. A***** ironisch gemeint gewesen. Auch der Ausdruck „merh!“ sei nach anwaltlicher Stellungnahme (ON 300), welche im Einklang mit Recherchen des ermittelnden Staatsanwalts im „Urban Dictionary“ (ON 303) stünde, nicht als Aufforderung, sondern als Ausdruck einer Enttäuschung der Beschuldigten zu werten, weil diese bei ihrer Bewerbung für eine Notariatsstelle nur an dritter Stelle gereiht worden sei (ON 316).

Dagegen richtete sich ein Fortführungsantrag der Notariatskammer, in welchem geltend gemacht wurde, dass die Staatsanwaltschaft den Verwendungshandlungen betreffenden Vorwurf der unmittelbaren Täterschaft unberücksichtigt gelassen habe. Weiters bestünden gegen die Richtigkeit der Tatsachen, die der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden, erhebliche Bedenken, wobei die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf mehrere aktenkundige E-Mails verwies und vorbrachte, dass aus den Nachrichten des Inhalts „Bitte mehr!“, „merh“ und „mehr!“ nach allgemeiner Lebenserfahrung sehr wohl abzuleiten sei, dass die Beschuldigte Mag. A***** dadurch aufgefordert habe, ihr weitere der Geheimhaltung unterliegende Interna zu übermitteln und demzufolge die dieser Auslegung widersprechende Würdigung der Beweismittel durch die der leugnenden Verantwortung folgenden Staatsanwaltschaft als unvertretbar kritisierte.

Mit Beschluss vom 24. August 2015 schloss sich das Landesgericht Salzburg dieser Argumentation an und ordnete gemäß § 195 Abs 1 Z 2 StPO – soweit hier von Interesse – die Fortführung des Ermittlungsverfahrens AZ 13 St 47/13d der Staatsanwaltschaft ***** gegen Dr. K***** wegen des Verdachts von Vergehen der Datenverwendung in Gewinn‑ oder Schädigungsabsicht nach § 51 DSG ab 25. November 2011 an. Abschließend wurde im Beschluss noch Folgendes hinzugefügt: „Im Übrigen könnten die Vorwürfe unter Berücksichtigung der damaligen Position der Beschuldigten als Notariatssubstitutin und auch Gesellschafterin der C***** GmbH (vgl...) als tatbestandsmäßiges Benützen (…) dieser solcherart widerrechtlich verschafften Daten, somit als unmittelbare Täterschaft zu qualifizieren sein“ (ON 338 = ON 339).

Nach Ansicht der Generalprokuratur steht dieser Beschluss des Landesgerichts Salzburg mit dem Gesetz nicht im Einklang. In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führt die Generalprokuratur dazu Folgendes aus:

„Dem am für Nichtigkeitsbeschwerden geltenden Standard orientierten Begründungserfordernis des Fortführungsantrags (vgl § 195 Abs 2 dritter Satz und § 196 Abs 2 erster Satz StPO; zur Beachtlichkeit weiteren Vorbringens in der Äußerung zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vgl Nordmeyer , WK‑StPO § 196 Rz 24) entspricht eine Antragsbindung des Gerichts, das nicht befugt ist, vom Fortführungswerber nicht (gesetzmäßig) geltend gemachte Argumente gegen die Einstellung, die sich (nach Ansicht des Gerichts) etwa aus dem Akt ergeben, zum Nachteil des Beschuldigten aufzugreifen oder die Wirkung des stattgebenden Beschlusses amtswegig auf Taten oder Beschuldigte zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Fortführung des Verfahrens gar nicht beantragt wurde (RIS‑Justiz RS0126211 [T1], RS0126210 [T1]; 14 Os 168/11d; Nordmeyer , WK‑StPO § 195 Rz 29 f sowie § 196 Rz 13).

Der Pflicht des Fortführungswerbers zur einzelnen und bestimmten Bezeichnung der Gründe, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind (§ 195 Abs 2 dritter Satz StPO), entspricht der Antrag nicht, bezeichnet er das von der Staatsanwaltschaft angenommene 'ironische Verständnis' bloß als 'unbeachtlich' bzw reine 'Schutzbehauptung' der Beschuldigten und die Annahme, Mag. A***** hätte aufgrund der versendeten Datenflut einer Aufforderung nicht bedurft, als nach 'allgemeiner Lebenserfahrung' auszuschließen (Antrag S 4). Gegen die Wertung des Begriffs 'merh' wandte sich die Fortführungswerberin nicht. Damit wurden weder Begründungsmängel (vgl § 281 Abs 1 Z 5 StPO) der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft gesetzmäßig aufgezeigt noch ein der Einstellungsentscheidung (§ 190 Z 2 StPO) zugrunde liegenden Ermessensmissbrauch geltend gemacht. Im Hinblick auf die möglich erachtete unmittelbare Täterschaft der Dr. K***** verwies das Gericht zudem auf den im Antrag nicht bezeichneten Umstand, dass diese Gesellschafterin der C***** GmbH (unter Verweis auf den Firmenbuchauszug *****) sei, womit es gegen die Bindung an die Argumente des Antragstellers verstieß.“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Mit dem Argument, die Staatsanwaltschaft habe die Voraussetzungen für die Verfahrenseinstellung in tatsächlicher Hinsicht falsch beurteilt, konnte die Antragstellerin eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung herbeiführen und sich dabei auch darauf berufen, dass die Staatsanwaltschaft die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erheblich bedenklich gewürdigt habe (§ 195 Abs 1 Z 2 StPO). Der Prüfungsmaßstab „erhebliche Bedenken“ entspricht jenem der § 281 Abs 1 Z 5a StPO und § 362 Abs 1 StPO (vgl EBRV 113 BlgNR 24. GP , 37; Nordmeyer , WK‑StPO § 195 Rz 15, 15/2).

Dem Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Gründe wurde die Antragstellerin gerecht, indem sie auf mehrere aktenkundige E-Mails der Beschuldigten mit dem Wortlaut „Bitte mehr!, „mehr!“ und „merh“ verwies und das Gericht dadurch in die Lage versetzte, den vom Gesetz geforderten Vergleich mit der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen der Staatsanwaltschaft, die zur Verfahrenseinstellung führten, anzustellen ( Nordmeyer , WK‑StPO § 196 Rz 4/1). Dass das Gericht dabei einen falschen Maßstab angelegt hätte, wurde von der Nichtigkeitbeschwerde nicht behauptet.

Nicht (gesetzmäßig) geltend gemachte Argumente (vgl dazu Nordmeyer , WK‑StPO § 196 Rz 13) wurden im Fortsetzungsbeschluss nicht berücksichtigt. Der von der Staatsanwaltschaft dem Ausdruck „merh“ unterstellte Bedeutungsinhalt wurde im Antragsvorbringen ausdrücklich kritisiert (vgl insbesondere S 5 Punkt 3. des Antrags vom 9. März 2015). Dem auf „die Vorwürfe“ bezogenen Zusatzargument des Gerichts zur unmittelbaren Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) und zum Umstand, dass die Beschuldigte Gesellschafterin der C***** GmbH war, kam für die Frage der – hier allein relevanten – unerträglichen Lösung der Beweisfrage keine Bedeutung zu. Unter dem Aspekt unterlassener Prüfung weiterer Vorwürfe korrespondierte er, was die Tatbegehung als unmittelbare Täterin betrifft, im Übrigen mit dem Antragsvorbringen (vgl S 2 f).

Da die relevierten Rechtsfehler (vgl RIS‑Justiz RS0122467, RS0120219; Ratz , WK‑StPO § 292 Rz 40) nicht vorlagen, war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen.

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