Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde Angelika K***** - abweichend von der auf das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB gerichteten Anklage - der Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 19. Juni 2008 in W***** als Lehrerin einer Hauptschule, sohin als Beamtin, in öffentlichen Urkunden, deren Ausstellung in den Bereich ihres Amts fällt, Tatsachen, nämlich zu bestimmten Zeitpunkten abgehaltene mündliche Prüfungen mit Prüfungsergebnissen, fälschlich beurkundet, obwohl diese mündlichen Prüfungen tatsächlich nicht stattgefunden hatten, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dass diese Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Durchführung von mündlichen Prüfungen im Fach Mathematik an bestimmten Tagen mit bestimmten Noten, gebraucht werden, und zwar in den Katalogen für die Leistungsbeurteilung der Schüler
1./ Nina St***** der Klasse 2a durch den Vermerk „Pr. 23.6.“,
2./ Stefan E***** der Klasse 2a durch den Vermerk „Pr. 23.6.“ und die Note „1“,
3./ Sebastian Z***** der Klasse 2b durch den Vermerk „Pr. 23.6.“ und die Note „1“ ,
4./ Nicola O***** der Klasse 4a durch den Vermerk „Pr. 23.6.“ und die Note „1“,
5./ Tamara Ko***** der Klasse 4b durch den Vermerk „Pr. 24.6.“ und die Note „2“.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten sowie jene der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO.
Letztere verfehlt ihr Ziel.
In der Verfahrensrüge kritisiert die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Anträge auf Ladung und Vernehmung der Zeugen Nina St*****, Nicola O***** und Stefan E***** „zum Beweis dafür, dass keine mündlichen Prüfungen stattgefunden haben“ (ON 33 S 8). Das Erstgericht sah dies aber ohnehin als erwiesen an (US 2, 4 und 5), weswegen es dem Antrag zu Recht nicht folgte (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0099135).
Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für die Antragstellung verstoßen gegen das für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses geltende Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Mit ihrer Argumentation, die einander widersprechenden Angaben der Zeugen und der Angeklagten wären nicht erörtert worden, missachtet die Mängelrüge die Auseinandersetzung des Erstgerichts eben hiezu (US 7 ff).
Die eine Subsumtion der Taten als das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt anstrebende Rechtsrüge übergeht in nicht prozessordnungskonformer Weise, dass das Erstgericht von einer leistungsentsprechenden Beurteilung ausging und wissentlichen Befugnismissbrauch verneinte (US 5, 10 f).
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) war daher die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten hingegen kommt Berechtigung zu.
Sie zeigt nämlich im Ergebnis zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10). Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte wegen fälschlicher Beurkundung von Tatsachen in öffentlichen Urkunden, seiner Entscheidung sind aber keine Feststellungen, die diese Subsumtion in Ansehung der spezifischen Urkundenqualifikation tragen könnten, zu entnehmen. Öffentlich im Sinn des § 311 StGB ist nicht jede von einem Beamten amtlich ausgestellte Urkunde, sondern nur solche, die ihrer Art, ihrem Inhalt und ihrer rechtlichen Zweckbestimmung nach deswegen, weil sie von einem Beamten ausgestellt wurde, Beweisgarantie zukommt. Ob eine von einem Beamten ausgestellte Urkunde also eine öffentliche oder eine amtliche Urkunde ist, muss einzelfallbezogen geprüft werden.
Das Erstgericht traf keine Feststellungen insbesondere zur Art und der Bestimmung der Kataloge zur Leistungsbeurteilung, die die Einordnung derselben als ein internes Mittel zur individuellen Entscheidungsfindung oder aber als Urkunden, die mit staatlicher Autorität Publizitätswirkung nach außen entfalten (Kienapfel/Schroll in WK2 § 224 StGB Rz 27), zuließen.
Das Urteil, das im freisprechenden Teil unberührt bleibt, war daher in den Schuldsprüchen und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen.
Eines Eingehens auf die weiteren Vorbringen der Angeklagten bedarf es somit nicht.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang werden die erforderlichen Feststellungen auch zur objektiven Tatseite zu treffen und - der Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO entsprechend - zu begründen sein.
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