Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert D***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2./) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (3./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Diersbach
1./ im Juli oder August 1994 mit der am 19. Dezember 1985 geborenen, sohin unmündigen Andrea St***** den Beischlaf unternommen, indem er versuchte, mit seinem erigierten Penis in die Scheide des Mädchens einzudringen,
2./ ein oder zwei Wochen danach außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der genannten Unmündigen vorgenommen, indem er mit seiner Hand in deren Hose griff und sie am Geschlechtsteil betastete,
3./ im Anschluss an die zu 1./ angeführte Tat durch die Äußerung "Wenn du jemandem etwas davon erzählst, wird dir etwas passieren", Andrea St***** durch gefährliche Drohung zur Unterlassung des Erzählens dieser Tat genötigt.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge nach Z 4 behauptet eine Verletzung von Verteidigungsrechten durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Zeugin Andrea St***** "zur Selbstdarstellung bzw. Fabulation neigt". Dem zuwider durfte das Schöffengericht - wenngleich entgegen § 238 Abs 2 StPO erst in der schriftlichen Urteilsausfertigung begründet - dieses Begehren im Ergebnis zu Recht ablehnen. Denn der Beweisantrag ließ die Darlegung der besonderen Umstände vermissen, unter denen eine solche Begutachtung nur in Betracht kommt. Divergenzen zwischen den Aussagen dieser Zeugin und jenen der Zeugin Anita D*****, welche Schlüsse in die von der Verteidigung behauptete Richtung einer generellen Aussageunehrlichkeit rechtfertigen würden, lagen nämlich nicht vor. Die Zeugin D***** hat die Darstellung der Zeugin St***** über den Vorfall zu 2./ keineswegs "entschieden in Abrede gestellt", sondern lediglich angegeben, an einen solchen - der rund sieben Jahre zurücklag - keine Erinnerung zu haben (S 79) und selbst keine Missbrauchshandlungen ihres damaligen Gatten bemerkt zu haben (S 33). Dass ihre Tante die Tathandlung selbst gesehen habe, hat die Zeugin St***** aber nicht definitiv behauptet (S 37, 62, 64). Darüber hinaus ließ der Beweisantrag auch die Angabe von Gründen vermissen, aus denen angenommen werden könnte, dass sich die Zeugin St***** zu einer Untersuchung oder sonstigen Mitwirkung an der Befundaufnahme bereit finden werde. Die Verpflichtung eines Zeugen beschränkt sich darauf, einer Vorladung Folge zu leisten, ein Zeugnis abzulegen (sofern nicht ein Entschlagungsrecht gegeben ist) und dieses Zeugnis (bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allenfalls) zu beeiden. Grundsätzlich ist niemand, also weder ein Angeklagter noch viel weniger ein Zeuge, verpflichtet, sich selbst, mithin seinen Körper, seine Persönlichkeit und seine Psyche als Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Eine psychiatrische oder auch psychologische Exploration als ein möglicherweise im Zuge dieser Untersuchung dem freien Willen des Zeugen entzogene Inanspruchnahme von Persönlichkeitskomponenten als Beweismittel ist demnach an die Zustimmung des Zeugen oder seines gesetzlichen Vertreters gebunden
(Mayerhofer StPO4 § 150 E 39, 41, 50, 56 ff; SSt 58/36; 15 Os 82/95 =
ÖJZ-LSK 1996/106 bis 108 = JUS-extra OGH St 1985; 15 Os 64/98, 15 Os
121/98, 15 Os 118/01). Dass aber eine solcherart zwingende erforderliche Zustimmung der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung mj Zeugin im aktuellen Fall erteilt worden wäre, wurde weder im Beweisantrag noch in der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan. Von der Verteidigung wurde auch kein auf die Einholung einer Zustimmungserklärung zielender Antrag gestellt.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht die - von der Beschwerde erneut aktenwidrig dargestellte (s oben zu Z 4) - Aussage der Zeugin D***** nicht unerörtert gelassen, sondern hinreichend gewürdigt (s US 5 letzter Abs).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit der Behauptung, die Tatrichter hätten aus den Angaben der Zeugin D***** andere Schlüsse ziehen sollen, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu wecken, sondern erschöpft sich in einer in dieser Form unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie mit der Behauptung, es seien keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu 1./ und 2./ getroffen worden, die Urteilskonstatierungen übergeht, denen zufolge der Angeklagte (zu 1./) sexuell erregt war und beschloss, mit dem Mädchen einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei er wusste, dass das Kind erst acht Jahre alt war (US 3), sowie (zu 2./) dem Mädchen in die Unterhose griff und es an der Scheide betastete, um sich dadurch sexuell zu erregen (US 4). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.
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