Spruch:
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 28. Juli 1997, GZ 14 U 1015/97-14, auf Feststellung der endgültigen Strafnachsicht verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 43 Abs 2 erster Satz StGB iVm dem aus dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Dieser Beschluß wird aufgehoben; der ihm zugrunde liegende Antrag der Bezirksanwältin wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 22. Juni 1993, GZ 4 U 1039/92-6 (= GZ 14 U 1015/97-6 des Bezirksgerichtes Fünfhaus als Nachfolgegericht) wurde Andrea S***** des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Wegen des (auch innerhalb der Probezeit begangenen) Vergehens nach § 114 Abs 1 und Abs 2 ASVG verhängte die Einzelrichterin des Landesgerichtes Korneuburg mit rechtskräftigem Urteil vom 10. Februar 1997, GZ 14 E Vr 895/95-24 über Andrea S***** eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten. Gleichzeitig erging der ebenfalls in Rechtskraft erwachsene Beschluß, daß gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die in dem vorerwähnten Verfahren gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wird (AS 11 im Akt 13 Ns 201/97 des Landesgerichtes Korneuburg).
Von dieser Widerrufsentscheidung wurde das Strafbezirksgericht Wien am 17. März 1997 gemäß § 494a Abs 7 StPO verständigt (ON 10 im Akt des Bezirksgerichtes; siehe ferner die Strafregisterauskunft S 39 dieses Aktes, aus der gleichfalls der Widerruf der bedingten Strafnachsicht hervorgeht). Ungeachtet dieser Aktenlage sprach das Bezirksgericht Fünfhaus (als Nachfolgegericht des Strafbezirksgerichtes Wien) mit Beschluß vom 28. Juli 1997 in Stattgebung eines Antrages der Bezirksanwältin aus, daß die der Andrea S***** gewährte bedingte Strafnachsicht endgültig geworden sei (ON 14).
Am 26. März 1998 überwies die Verurteilte auf die noch aushaftende Geldstrafe einen Teilbetrag von S 5.000,--. Das Landesgericht Korneuburg ordnete daraufhin mit Beschluß vom 18. November 1998, GZ 13 Ns 201/97-13 die Rückzahlung dieses Geldbetrages an. Die von der Staatsanwaltschaft Korneuburg dagegen erhobene (unzulässige) Beschwerde wurde am 18. Februar 1999 von der Oberstaatsanwaltschaft Wien zurückgezogen.
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 28. Juli 1997, GZ 14 U 1015/97-14 steht, wie der Generalprokurator in seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Der im Verfahren AZ 14 E Vr 895/95 des Landesgerichtes Korneuburg gefaßte - gemäß dem ersten Satz des § 43 Abs 2 StGB der endgültigen Strafnachsicht entgegenstehende - Widerrufsbeschluß vom 10. Februar 1997 entfaltete schon ab seiner Verkündung eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses berechtigt ist, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Das Bezirksgericht Fünfhaus hat daher durch seine Beschlußfassung vom 28. Juli 1997 seine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen (12 Os 11/97, 15 Os 17/97 ua). Dieser Beschluß konnte weder den schon vorher wirksam (und rechtskräftig) beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen, noch sonst für Andrea S***** irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; er war daher aufzuheben und der zugrundeliegende Antrag der Bezirksanwältin zurückzuweisen.
Mangels rechtlicher Wirksamkeit des Beschlusses auf die endgültige Strafnachsicht entbehrte die Anordnung der Rückzahlung des Geldstrafenteiles an die Verurteilte jeglicher Grundlage. Da sie nicht einem (teilweisen) Verzicht auf den Strafanspruch gleichzuhalten ist, steht sie - im Hinblick auf die Bestimmung des § 1 Z 2 GEG, wonach das Gericht Geldstrafen aller Art von Amts wegen einzubringen hat - der künftigen Einbringung der gesamten über Andrea S***** verhängten Geldstrafe nicht entgegen.
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