OGH 15Os17/97

OGH15Os17/9720.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mohamed Abdelgalil E***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 12.September 1996, GZ 17 U 329/92-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 12.September 1996, GZ 17 U 329/92-10, verletzt das Gesetz in dem sich aus § 498 StPO und dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird (ersatzlos) aufgehoben; der Antrag des Bezirksanwaltes auf endgültige Strafnachsicht wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mohamed Abdelgalil E***** wurde mit in gekürzter Form (§ 458 Abs 3 StPO) ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 10. September 1992, GZ 17 U 329/92-3, wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 17. November 1992, GZ 11 b E Vr 1054/92-22, wurde Mohamed Abdelgalil E***** wegen vor dem Urteil des Bezirksgerichtes Linz begangener strafbarer Handlungen, nämlich des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, schuldig erkannt und über ihn unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das angeführte Urteil des Bezirksgerichtes Linz eine sechsmonatige Zusatzstrafe verhängt, die für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gleichzeitig erging der ebenfalls in Rechtskraft erwachsene Beschluß, daß gemäß § 55 Abs 1 StGB (in Verbindung mit § 494 a Abs 1 Z 4 StPO) die im Verfahren AZ 17 U 329/92 des Bezirksgerichtes Linz gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wird.

Von dieser Widerrufsentscheidung verständigte der Einzelrichter des Landesgerichtes Wr.Neustadt das Bezirksgericht Linz zu AZ 17 U 329/92 durch Übermittlung einer Ablichtung des Protokollsvermerkes mit der gekürzten Urteilsausfertigung (27 ff). Im Akt des Bezirksgerichtes Linz erliegt auch eine Strafregisterauskunft (37), aus der der Widerruf der bedingten Strafnachsicht gleichfalls hervorgeht. Ungeachtet der aktenkundigen Widerrufsentscheidung sprach das Bezirksgericht Linz mit Beschluß vom 12.September 1996 (ON 10) in Stattgebung eines Antrages des Bezirksanwaltes aus, daß die dem Mohamed Abdelgalil E***** gewährte bedingte Strafnachsicht endgültig geworden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der zuletzt bezeichnete Beschluß verletzt - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - den sich aus § 498 StPO und dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Das Bezirksgericht Linz hat nämlich durch seine Beschlußfassung vom 12. September 1996 unter Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" seine mit der Beschlußfassung durch das Landesgericht Wiener Neustadt erloschene Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen.

Dieser Beschluß konnte weder den schon vorher rechtskräftig beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen, noch sonst für Mohamed Abdelgalil E***** irgendwelche rechtserhebliche Wirkungen nach sich ziehen (15 Os 149/96, 12 Os 115/96 uvam). Er war daher ersatzlos aufzuheben und im übrigen wie im Spruch zu erkennen.

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