European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00029.15X.0602.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. März 1994, GZ 13 Vr 1309/93‑13, wurde Herbert G***** des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB schuldig erkannt.
Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wies der Oberste Gerichtshof ebenso wie die „Berufung wegen Schuld“ mit Beschluss vom 20. September 1994, AZ 11 Os 125, 126/94, zurück; das Oberlandesgericht Graz gab am 4. November 1994 weder der Berufung wegen des Strafausspruchs noch der gegen einen gemäß § 494a StPO gefassten Beschluss Folge.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juni 2002, AZ G 6/02, wurde § 209 StGB unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, wurde mit Ablauf des 13. August 2002 (Art 49 Abs 1 B‑VG in der Fassung BGBl 1996/659 iVm Art IX BGBl I 2002/134) die Strafbestimmung des § 209 StGB durch jene des § 207b StGB ersetzt.
Gestützt auf eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, mit welchen, beginnend mit dem Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (39392/98 und 39829/98 L & V/Österreich ÖJZ 2003/19, 394), der Gerichtshof eine Verletzung des Art 14 iVm Art 8 MRK durch die diesen ‑ das gegenständliche Strafverfahren nicht betreffenden ‑ Beschwerdefällen zu Grunde gelegenen Verurteilungen nach § 209 StGB festgestellt hatte, beantragte der Verurteilte Herbert G***** zur zuvor genannten Verurteilung und der entsprechenden Strafregistereintragung daraufhin gemäß § 363a StPO die Erneuerung des Strafverfahrens.
Diesen Antrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 23. Oktober 2007, AZ 11 Os 132/06f, infolge Nichteinhaltung der nach Art 35 Abs 1 MRK gebotenen sechsmonatigen Antragsfrist zurück.
Mit (auch) über die im Jahr 2007 erhobene Beschwerde des Herbert G***** („Mr H. G. [the second applicant]“) ergangenem Erkenntnis vom 7. November 2013 (31913/07, 38357/07, 48098/07, 48777/07 und 48779/07 E. B. ua/ Österreich; Rz 16 ff, 24 ff) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Ansehung der unverändert bestehenden Eintragung der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 209 StGB im österreichischen Strafregister Verletzungen sowohl des Art 14 iVm Art 8 MRK als auch ‑ hier von Bedeutung ‑ des Art 13 MRK fest. Weder zur Löschung des entsprechenden Eintrags aus dem Strafregister noch zur Beseitigung der diesem zugrunde liegenden Verurteilung sei ihm eine wirksame Beschwerde zu Gebote gestanden. Eine solche habe ‑ in der zuletzt genannten Hinsicht ‑ insbesondere der (mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 1. August 2007, AZ 13 Os 135/06m, entwickelte [siehe RIS‑Justiz RS0122228]) Rechtsbehelf des Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens in analoger Anwendung des § 363a StPO (fallbezogen) nicht eröffnet. Denn diese Bestimmung sei zum Zeitpunkt der Verurteilung des Beschwerdeführers noch nicht in Geltung gestanden, sodass es diesem gar nicht möglich gewesen wäre, die angeführte Sechs‑Monats‑Frist einzuhalten (Rz 91 bis 93 des Erkenntnisses).
Mit am 21. April 2014 beim Obersten Gerichtshof eingebrachtem Schriftsatz beantragte Herbert G***** mit Beziehung auf das eingangs genannte Strafverfahren (und das Verfahren AZ 19 E Vr 341/89 des Kreisgerichts Leoben) ein weiteres Mal die Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO.
Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. Februar 2015, AZ 13 Os 38/14h (13 Os 17/15x), zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
In seiner auch als „Antragserweiterung“ bezeichneten, am 18. Februar 2015 eingebrachten Äußerung zur von der Generalprokuratur zu diesem Erneuerungsantrag erstatteten Stellungnahme hatte Herbert G***** ‑ erstmals ‑ darüber hinaus beantragt, den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 23. Oktober 2007, AZ 11 Os 132/06f, „aufzuheben“.
Mit der Behauptung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe festgestellt, dass dieser Beschluss den Antragsteller in seinem Recht auf wirksame Beschwerde nach Art 13 MRK verletzt habe, wird dieses Begehren ausdrücklich auf § 363a StPO gestützt. Es ist daher nach seiner inhaltlichen Zielrichtung (nicht als ‑ schon als solche unbeachtliche [RIS‑Justiz RS0123231] ‑ nachträgliche Ausdehnung des Antragsvorbringens, sondern) als eigenständiger Antrag auf Erneuerung des Verfahrens aufzufassen, das zum bezeichneten Beschluss des Obersten Gerichtshofs geführt hat.
Voraussetzung für ein erfolgversprechendes Begehren um Verfahrenserneuerung nach § 363a StPO (aufgrund vorangegangenen Erkenntnisses des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) ist die Verletzung eines Grundrechts durch eine Entscheidung oder Verfügung eines Strafgerichts. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte trifft ‑ aus der Art der ihm obliegenden Grundrechtskontrolle (nämlich der Feststellung einer Staatenverantwortlichkeit überhaupt) resultierend ‑ regelmäßig (so auch im vorliegenden Fall) keine ausdrücklichen Feststellungen dazu, welche Staatsgewalt und welches konkrete Staatsorgan (auch innerhalb einer Staatsgewalt) die staatliche Verantwortlichkeit ausgelöst hat. Das führt per se nicht zur Versagung der Erneuerung des Strafverfahrens, solange sich aus dem Urteil insgesamt ergibt, dass die Verletzung der Menschenrechtskonvention der Strafgerichtsbarkeit zuzurechnen ist.
Gerade dies aber liegt hier ‑ der Antragsbehauptung zuwider ‑ nicht vor. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verurteilung des Antragstellers fehlte nämlich eine vom Gesetzgeber eingeräumte, § 363a StPO entsprechende Beschwerdemöglichkeit. Die vorliegend angegriffene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bewirkte daher ‑ unter Zugrundelegung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Rz 92 f des Erkenntnisses) ‑ nicht die festgestellte Verletzung des Art 13 MRK.
Der Antrag war demnach ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO zurückzuweisen.
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