Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Arno R***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Neben der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wurde die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet. Danach hat er am 17. Jänner 2007 in Steyr Cornelia R***** getötet, indem er die infolge eines Oberschenkelbruches bettlägerige Frau mit einem Zurrgurt an Händen und Füssen fesselte, sie mit einem Socken und Klebeband knebelte und ihr anschließend einen Müllsack über den Kopf stülpte und diesen mit einem Klebeband um deren Hals fixierte, wodurch sie erstickte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 3, 4, 5, 6, 8, 10a und 11 [lit] a StPO. Der Rechtsmittelwerber hat sich gegen die Verlesung seiner Angaben vor der Polizei verwahrt (S 62/V) und behauptet nunmehr die Nichtigkeit dieses Vorerhebungsakts (Z 3), „da mein Verzicht auf die Beiziehung eines Verteidigers nicht freiwillig, da nicht bei entsprechender Bewusstseinsverfassung, erfolgt ist". Welche konkrete nichtigkeitsbewehrte gesetzliche Anordnung allerdings eine Grundlage für diese Verfahrensrüge darstellen sollte, vermag er nicht anzugeben (vgl vielmehr §§ 38 und auch 199 StPO aF).
Dem Beschwerdeführer wurden in der Folge einerseits Vorhalte aus seiner polizeilichen Vernehmung gemacht (S 83, 89 ff/V), andererseits gelangte diese letztlich auch zur Verlesung (S 239/V). Ersteres war durch § 245 Abs 1 StPO aF, zweiteres fallbezogen durch § 252 Abs 1 Z 2 StPO gedeckt. Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurde daher jedenfalls kein Gesetz verletzt und erfolgte auch keine Hintansetzung oder unrichtige Anwendung von Verfahrensgrundsätzen, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften oder durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist: Der alkoholgewohnte und medikamentenabhängige Angeklagte war nämlich zum Zeitpunkt seiner ersten Vernehmung lediglich leicht alkoholisiert und voll vernehmungsfähig (ON 8, 11), er wiederholte die dabei gemachten Angaben am nächsten Tag (ON 10) und zwei Tage später vor dem Untersuchungsrichter (ON 14), um sie erst in der Hauptverhandlung (ON 93) zu relativieren.
Die Verfahrensrüge aus Z 4 moniert eine Verletzung des § 248 Abs 1 letzter Satz StPO aF, muss jedoch einräumen, dass diese Norm im relevierten Nichtigkeitsgrund nicht erwähnt ist. Die dortige Aufzählung der Gesetzesstellen ist aber - was die Vorschriften der StPO angeht - taxativ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193), sodass die Analogieüberlegungen des Nichtigkeitswerbers versagen. Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die Stellung der Hauptfrage 1 (nach Mord) vor der Zusatzfrage 2 (nach Zurechnungsunfähigkeit), ohne die geforderte „andere Fragenstellung" in irgendeiner Weise aus dem Gesetz abzuleiten. Vielmehr gesteht der Beschwerdeführer selbst zu, dass die aktuelle Fragenabfolge „naturgemäß auch gesetzlich so vorgesehen ist" (vgl Bachner/Foregger StPO18 Anm zu § 313). Im Widerspruch zum Gesetz (§§ 313, 314 StPO) sowie der darauf gegründeten Lehre und Judikatur steht die Forderung, die Zusatzfragen 2 und 5 wären „richtigerweise als Eventualfragen zu formulieren und qualifizieren gewesen", weil „Unzurechnungsfähigkeit bekanntlich grundsätzlich den Vorsatz und damit eine Anwendbarkeit des § 75 StGB beseitigt" (vgl zB Kienapfel/Höpfel AT12 Z 15 RN 18; 13 Os 77/01 = EvBl 2001/214 - je mit weiteren Nachweisen). Auch in diesem Punkt orientiert sich somit die Beschwerde nicht an der Prozessordnung. Die Instruktionsrüge (Z 8) verfehlt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren in § 321 Abs 2 StPO normierten Inhalt (14 Os 5/99) und die allein darauf gegründete - und nur dann prozessordnungsgemäß einer meritorischen Erledigung zugängliche - gesetzlich geforderte deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549). Diese ist stets nach ihrem gesamten Inhalt und nicht bloß nach einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten Teilen zu prüfen (RIS-Justiz RS0100695; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 56). Der Beschwerdeführer greift dagegen aus der umfassenden Belehrung zum Totschlag nach § 76 StGB lediglich einzelne Passagen (zu Wechselwirkungen des Gebrauches berauschender Mittel mit der tatbestandserforderlichen allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung sowie zum Einfluss erlittener Kränkungen auf die genannte Affektlage) heraus und unterstellt ihnen in spekulativer eigener Würdigung Beispielscharakter für den konkret zu prüfenden Sachverhalt (vgl RIS-Justiz RS0100825).
Die Behauptung, „bei objektiver Betrachtung der dargestellten Rechtsbelehrung kann ein unbefangener Beobachter jedoch den Eindruck gewinnen, Trunksucht, Enthemmung nach Rauschmittelkonsum und abnorme Persönlichkeit könnten eine Anwendung des § 76 StGB bereits grundsätzlich ausschließen", übergeht - wie gleich im Anschluss eingeräumt wird - die keineswegs derart einschränkenden Ausführungen S 26 der Rechtsbelehrung. Die Hypothese, „durch die Rechtsbelehrung ist den Geschworenen also eine vertiefte gedankliche Durchdringung der Tatbestandsmerkmale des § 76 erschwert worden", entbehrt jeglicher juristischer Fundierung; die Annahme „monatelanger Kränkungen schwersten Ausmaßes" verlässt den Anfechtungsrahmen vollends. Die abschließend monierte „Verquickung der Tat- und Rechtsfragen" bleibt der Nichtigkeitswerber zu konkretisieren schuldig.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) greift mit der Feststellung der Fesselung des Opfers keine entscheidenden Tatsachen für den konkreten Schuldspruch nach § 75 StGB auf und vermag mit dem Einwand, die im Verfahren beigezogene psychiatrische Expertin habe den Angeklagten schon bei früheren Betreuungen (im Zuge eines Verfahrens wegen bedingter Entlassung) kennengelernt, keine erheblichen Bedenken gegen die Annahme seiner Schuldfähigkeit zu erwecken. Entgegen der Beschwerde wurden diesbezüglich in der Hauptverhandlung auch keine Anträge gestellt (vgl S 232, 237/V).
Die auf Z 11 [lit] a gestützten Rechtsmittelausführungen lassen einen Vergleich der im Wahrspruch festgestellten Tatsachen mit dem Gesetz vermissen.
Soweit sie - der Sache nach Z 13 erster Fall - die Annahme einer die Tat beeinflussenden geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grads als nicht ausreichend begründet kritisieren, versäumen sie eine an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO orientierte Anfechtung (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21-25 [2005] Rz 9), sondern beschränken sich auf die - im Hinblick auf die eingehenden Darlegungen der Tatrichter (US 7 ff) - unsubstantiierte Behauptung mangelnder Deutlichkeit und die nicht erwiderungsfähige Forderung „im Übrigen darf der bloße Verweis auf SV-Gutachten nicht ausreichen, um einen derart gravierenden Entschluss für den Betroffenen ziehen zu können". Den Rechtsmittelerwägungen zuwider hat das Erstgericht dieser Einweisungsvoraussetzung gar wohl „besonderes Augenmerk" geschenkt und ist nach detaillierter Abwägung auch - ohne irgendeine Undeutlichkeit (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419) - zum vermissten „Gesamtschluss" gelangt (US 11).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde gegen einen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach bedingter Entlassung folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 Satz 4StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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