Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Erich V***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I A - C), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I D, E) und des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er teils unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich und Dritte unrechtmäßig zu bereichern,
I. teils weggenommen, teils abgenötigt, und zwar
A. am 11. Jänner 1999 in Heilbrunn der Angestellten der R***** Birgit S***** durch Vorhalten einer doppelläufigen Flinte und die Aufforderung, ihm Geld zu geben, sowie dadurch, dass er selbst Geld vom Kassenpult und aus einer Geldkassette nahm, 404.840 ATS (29.420,87 EUR);
B. am 25. Februar 1999 in Gasen der Angestellten der R***** Martina B***** durch Vorhalten einer doppelläufigen Flinte und die Aufforderung „Geld her, sonst ich schießen" sowie dadurch, dass er selbst Geld aus der Geldlade und dem Tresor nahm, 349.062 ATS (25.367,32 EUR);
C. am 14. April 1999 in St. Bartholomä den Angestellten der R***** Andrea Z***** und Karin T***** durch Vorhalten eines Gasrevolvers und die Aufforderung „Alles Geld" sowie dadurch, dass er selbst Geld aus der Kassenlade und dem Tresor entnahm, 1,036.000 ATS (75.289,06 EUR);
D. am 15. Juni 1999 in Oberlienz/Osttirol - überdies mit Gewalt - dem Angestellten der R***** Kurt W***** durch Vorhalten einer Spielzeugpistole, Fesseln mit Klebeband und Wegnehmen von Geld aus den Kassenladen und aus dem Tresor 144.336,27 ATS (10.489,33 EUR);
E. am 29. Juni 2001 in Nikolsdorf/Osttirol im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verurteilten Kurt V***** - überdies mit Gewalt - den Angestellten der R***** 947.363 ATS (68.847,55 EUR), indem sie Brunhilde R***** und Michael O***** jeweils eine Spielzeugpistole vorhielten und sie zur Herausgabe des Geldes sowie zum Hinlegen aufforderten, wobei sie eine Geiselnahme androhten, die beiden Angestellten, sowie Hans-Jörg G***** zu Boden drückten und deren Hände mit Kabelbindern am Rücken fesselten;
II. abzunötigen versucht, und zwar am 3. Juli 2000 in Strengen/Arlberg der Angestellten der R***** Kathrin F***** durch Vorhalten einer Spielzeugpistole einen größtmöglichen Geldbetrag, wobei es beim Versuch blieb, weil Kathrin F***** aus dem Bankinstitut zum nahe gelegenen, öffentlich frequentierten Postamt flüchtete und Erich V***** - nachdem er sie bis dorthin verfolgt hatte - unfreiwillig ohne Beute flüchtete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 10a StPO.
Die Verfahrensrüge (Z 4) verkennt, dass die (in der Praxis häufig als „Vorhalt" bezeichnete - hier S 87/XV) „Anführung" von Beweismitteln (also etwa einer Aussage eines Zeugen im Vorverfahren) im Rahmen der Vernehmung des Angeklagten über den Inhalt der Anklage gemäß § 245 Abs 1 StPO - anders als deren „Vorführung" im Rahmen des Beweisverfahrens (§§ 246 Abs 1, 325 Abs 1 StPO) - nicht unter die Verlesung und die damit verbundenen Beschränkungen des § 252 Abs 1 StPO fällt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 237; RIS-Justiz RS0113446). Eine auf Grundlage der zuletzt genannten Gesetzesstelle vorgenommene Verlesung einer früheren Aussage des Zeugen H***** - der in der Hauptverhandlung sein Entschlagungsrecht in Anspruch nahm (S 94/XV) - fand jedoch gerade nicht statt (S 107/XV).
Die Verteidigerin hatte sich in der Hauptverhandlung gegen einen an den Angeklagten gerichteten Vorhalt aus dessen Vernehmungen im Vorverfahren ausgesprochen, „weil im Hinblick darauf, dass die österreichischen Ermittlungsbehörden unter Missachtung der gesetzlichen Vorschriften in der Schweiz, eigenständig und ohne Genehmigung des dortigen Untersuchungsrichters und Einschaltung der entsprechenden österreichischen und schweizer Behörden, eine Einvernahme durchgeführt haben, sodass diese Einvernahme nicht rechtmäßig zustande gekommen ist, der Angeklagte dadurch in seinem Recht nach Art 6 Abs 1 MRK auf ein faires Verfahren verletzt ist". Der abweisliche Beschluss des Schwurgerichtshofs (S 85/XV) verletzte - der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider - weder Gesetze noch Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist. Die in Rede stehenden Vernehmungen (ON 487/X) erfolgten nämlich sehr wohl mit Wissen und Willen der (österreichischen) Untersuchungsrichterin und mit Genehmigung der darum ersuchten (schweizer) Behörden (siehe Antrags- und Verfügungsbogen S 3h5 verso, 3h6 sowie ON 391 bis 395 in Bd VIII und ON 284 in Bd X). Auf dieser Grundlage sind die Beschwerdevorwürfe daher nicht nachvollziehbar. Das über den Antrag hinausgehende Vorbringen der Rechtsmittelschrift ist unbeachtlich (WK-StPO § 281 Rz 325). Zur Abrundung sei erwähnt, dass der Angeklagte bei beiden thematisierten Vernehmungen auf die Beiziehung eines Rechtsbeistandes ausdrücklich verzichtete (S 83, 113/X), wodurch der Berufung auf Art 6 Abs 3 lit c MRK der Boden entzogen ist.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) bekämpft die Feststellung der Verwendung von Waffen in den Wahrsprüchen, die zu den Schuldsprüchen I A bis C führten. Durch die Betonung der in der Hauptverhandlung (anders als im Vorverfahren - S 115 ff/X) diesbezüglich leugnenden Einlassung des Angeklagten (S 77/XV), den Hinweis auf andere, mit Spielzeugpistolen verübte Raubtaten (Fakten I D, E, II sowie ON 325) und die - durch eigene Spekulationen angereicherten - Umstände des Auffindens einer Waffe und von Schuhen (ON 160, vgl die hinsichtlich des Orts kongruente Aussage des Rechtsmittelwerbers S 119/X) - die die Geschworenen den Fakten I A und I B zuordneten - gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, erhebliche Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes hervorzurufen.
Dieser greift seinem Wesen nach nämlich erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen (13 Os 43/03, 12 Os 38/04), nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583; 11 Os 52/05i, 12 Os 94/07a uva).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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