OGH 11Os150/21z

OGH11Os150/21z30.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart desRichteramtsanwärters Mag. Buttinger als Schriftführer wegen Feststellung der Verletzung des Rechts auf Datenschutz in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit (§ 85 iVm § 85a GOG) über die Beschwerde des Dr. * D* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 2. November 2021, GZ 22 Ns 1/21s‑5, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00150.21Z.0830.000

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Beschwerde vom 31. Mai 2021begehrte der Rechtsanwalt Dr. * D*, der in der Hauptverhandlung zum Verfahren AZ 16 Hv 7/17i des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Verteidiger eines der dort Angeklagten eingeschritten war, gemäß § 85a Abs 2 iVm § 85 Abs 1 GOG

1./ die Feststellung einer im genannten Verfahren erfolgten Verletzung in seinem Grundrecht auf Datenschutz sowie

2./ die Erteilung der „erforderlichen Aufträge für die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands […], also insbesondere die Löschung der unrechtmäßig erstellten Bild- und Tonaufnahmen des Beschwerdeführers“ an das Landesgericht für Strafsachen Wien.

[2] Dazu brachte er vor, im Zusammenhang mit der an zahlreichen Verhandlungstagen durchgeführten Hauptverhandlung zum genannten Verfahren seien Bild- und Tonaufnahmen (auch) von ihm angefertigt worden, die nicht nur die Vorgänge in der Hauptverhandlung selbst, sondern darüber hinaus (überschießend) auch Aufzeichnungen der Vorgänge vor Beginn oder nach Ende eines Hauptverhandlungstages sowie während einer Unterbrechung oder Vertagung der Hauptverhandlung („Verhandlungspausen“) festgehalten hätten. In Ansehung der überschießenden Aufnahmen sei eine rechtsgrundlose Verarbeitung, Erhebung und Speicherung ihn betreffender personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Strafgerichtsbarkeit erfolgt.

 

[3] Das Oberlandesgericht Wien wies das Begehren mit Beschluss vom 2. November 2021, GZ 22 Ns 1/21v‑5, ab.

[4] Dagegen richtet sich die Beschwerde des Dr. * D* vom 24. November 2021 gemäß § 85a Abs 2 iVm § 85 Abs 5 zweiter Satz GOG (ON 6), mit welcher er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt und dasbereits erwähnte Begehren (1./ und 2./) wiederholt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Mit Blick auf § 85a Abs 2 GOG betreffend Datenschutz in Angelegenheiten der Strafgerichtsbarkeit („§ 85 gilt sinngemäß. […] Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen der StPO, sofern in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist“) iVm § 85 Abs 5 dritter Satz GOG („muss […] durch einen Rechtsanwalt vertreten sein“) und das Fehlen einer § 28 ZPO vergleichbaren Sonderbestimmung in StPO oder GOG ist zunächst festzuhalten, dass fallbezogen jedenfalls von einer solchen Vertretung des Beschwerdeführers durch einen Rechtsanwalt auszugehen ist, weil nach dem Deckblatt der Beschwerdeschrift („vertreten durch“; „Vollmacht erteilt“), die – zulässig und wirksam (§ 21e RAO) – bevollmächtigte Di* Anwalts GmbH eingeschritten ist, in welcher (unwiderlegt) ein neben dem Beschwerdeführer vertretungsbefugter weiterer Gesellschafter mit der Vertretung (§ 8 Abs 1 RAO) befasst war.

 

[6] Das Verfahren nach §§ 85, 85a GOG ist subsidiär. Eine Überprüfung nach diesen Bestimmungen findet nur dann statt, wenn die Verfahrensgesetze kein Aufgreifen der bestehenden Datenschutzrechte ermöglichen (RIS‑Justiz RS0129940 [T8]; Kristoferitsch/Bugelnig, WK‑StPO § 74 Rz 137).

[7] Die Strafprozessordnung normiert einen (subjektiven) Anspruch (ua) auf Löschung von durch das Gericht im Rahmen seiner Aufgaben im Strafverfahren (§ 1 StPO) erlangten personenbezogenen Daten (§§ 74, 75 StPO). Berechtigten Löschungsanträgen einer betroffenen Person hat das zuständige Organ der Gerichtsbarkeit unverzüglich zu entsprechen. Mit einer solchen Löschung entfällt die (weitere) Beschwer des Betroffenen durch Klaglosstellung (vgl auch RIS-Justiz RS0099046, RS0098988).

[8] Eine (gänzlich oder teilweise) abschlägige Entscheidung des Gerichts über einen solchen Antrag hat mit Beschluss (vgl §§ 35 Abs 2, 86, 87 StPO) zu ergehen (siehe dazu bereits 11 Os 69/18h; vgl Kristoferitsch/Bugelnig, WK‑StPO § 74 Rz 133; Reindl-Krauskopf, Durchsetzung der Datenschutzrechte bei Akten der Strafgerichtsbarkeit, altes und neues Recht, JBl 2019, 737).

[9] Damit bleibt aber kein Raum für die begehrte Überprüfung der geltend gemachten Datenschutzansprüche (auch) nach den Bestimmungen der §§ 85, 85a GOG.

[10] Im Übrigen wurden die relevierten Daten nach der Aktenlage (vgl Ratz, WK‑StPO Vor §§ 280–296a Rz 6/1) vom Landesgericht für Strafsachen Wien bereits – auch im Original – gelöscht und (erkennbar) bloß die um die Pausen bereinigten Aufnahmen zu den Akten im Verfahren AZ 16 Hv 7/17i genommen (ON 1 Blg ./3 und ./4; ON 3 S 10; ON 4 S 9, 17 jeweils der Ns-Akten; S 3 sowie Blg ./2 der Äußerung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme der Generalprokuratur; Blg ./3 der Äußerung des Angeklagten D* zur Stellungnahme der Generalprokuratur zu 11 Os 104/21k zum Verfahren AZ 16 Hv 7/17i des Landesgerichts für Strafsachen Wien). Da bei der Geltendmachung von Löschungsrechten nach der StPO ohnehin ein Leistungsbegehren (auf Löschung) an das zuständige Organ gestellt wird, das eine implizite Lösung der Vorfrage (Gesetzeskonformität der Datenverarbeitung) voraussetzt, ist ein gesondertes rechtliches Interesse an einer bloßen Feststellung nicht zu erkennen (vgl auch RIS‑Justiz RS0039021). Allfällige Vorgänge in anderen Verfahren sind zudem ohne Belang.

[11] Mit Blick auf die bereits oben angeführte Judikatur des Obersten Gerichtshofs (insb 11 Os 69/18h; vgl allgemein RIS‑Justiz RS0129940) hängt die Entscheidung somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 85a Abs 2 iVm § 85 Abs 5 zweiter Satz GOG).

[12] Die Beschwerde des Dr. * D* war daher – im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als unzulässig zurückzuweisen.

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