Spruch:
Durch den Strafausspruch des Urteiles des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 5. Dezember 1996 sowie den unter einem ergangenen Beschluß auf nachträgliche Straffestsetzung (beide Entscheidungen unter GZ 2 U 167/96-7) wurde das Gesetz in den Bestimmungen des § 494a Abs 1 Z 3 erster und zweiter Halbsatz StPO iVm § 28 Abs 1 StGB, durch den Ausspruch der Probezeitverlängerung in letzterer Entscheidung überdies auch in der Vorschrift des § 15 Abs 2 JGG verletzt.
Der Strafausspruch dieses Urteiles, das im übrigen unberührt bleibt, sowie der erwähnte Beschluß werden aufgehoben, und es wird dem Bezirksgericht Bruck an der Leitha die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 19. Juni 1995, GZ 1 U 24/93-14, wurde die am 27. Dezember 1976 geborene Sandra L***** - unter Mißachtung des in § 29 StGB normierten Zusammenrechnungsprinzips - der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB (richtig:
des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahles nach §§ 127 und 15 StGB) schuldig erkannt. Der Ausspruch der wegen dieser Jugendstraftat über sie zu verhängenden Strafe wurde gemäß § 13 Abs 1 JGG für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.
Mit dem (gemäß § 458 Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigten) Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 5. Dezember 1996, GZ 2 U 167/96-7, wurde Sandra L***** wegen des während der Probezeit, nämlich am 7. Juli 1996 begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB aF zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Gleichzeitig faßte das Gericht den (auch sprachlich mißglückten) Beschluß "auf nachträgliche Strafsetzung zu 1 U 24/93 des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha gemäß § 494 Abs 1 Z 3 StPO, wobei hiefür eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat festgesetzt wird für das Vergehen nach §§ 127 bzw 15, 127 StGB die Probezeit wird auf fünf Jahre verlängert" (S 41), ohne jedoch zugleich gemäß § 494a Abs 1 Z 3 zweiter Halbsatz StPO auszusprechen, daß im früheren Verfahren ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt.
Dieser Beschluß sowie der Strafausspruch des Urteiles des Bezirkgsgerichtes Bruck an der Leitha vom 5. Dezember 1996, GZ 2 U 167/96-7, stehen, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
1) Im Fall des nachträglichen Ausspruchs einer Strafe (§§ 15, 16 JGG) sind die Unrechtsfolgen gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO (erster Halbsatz) in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre. Das Gesetz schließt somit für die vorliegende Fallgestaltung einen nachträglichen Strafausspruch als gesonderte Unrechtsfolge grundsätzlich aus und schreibt insoweit eine Sanktion nach den Bestimmungen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (siehe § 28 StGB, §§ 21 f FinStrG) vor. Die gemeinsame Strafbemessung nach § 494a Abs 1 Z 3 StPO darf demgemäß nur dann zum Ausspruch mehrerer Strafen führen, wenn die Vorschriften über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen dies vorsehen (11 Os 129/90, 12 Os 147, 163/96), was aber hier nicht der Fall ist. Aufgrund der Strafdrohungen für die Vergehen des vollendeten und versuchten Diebstahles nach §§ 127 und 15 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB aF - jeweils Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen - wäre vorliegend nur eine Strafe zu verhängen gewesen. Der dagegen am hier nicht anwendbaren Kumulationsprinzip (§ 28 Abs 2 StGB) orientierte Ausspruch einer gesonderten Strafe für die dem Schuldspruch des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha vom 19. Juni 1995 zugrundeliegenden Straftaten erweist sich damit als verfehlt und wirkt sich auch zum Nachteil der Beschuldigten aus (EvBl 1997/90 = RZ 1997/43).
2) Gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 494a Abs 1 Z 3 zweiter Halbsatz StPO wäre aufgrund der nachträglichen Straffestsetzung auch auszusprechen gewesen, daß im Verfahren AZ 1 U 24/93 des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha, in dem ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ergangen ist, ein nachträglicher Strafausspruch nicht mehr in Betracht kommt.
3) Schließlich steht auch die Verlängerung der Probezeit - zum Nachteil der Sandra L***** - mit § 15 JGG nicht im Einklang. Diese Gesetzesstelle sieht für den Fall einer neuerlichen Verurteilung des Rechtsbrechers wegen einer vor Ablauf der Probezeit begangenen strafbaren Handlung nur eine Entscheidung über den nachträglichen Strafausspruch (Abs 1) sowie bei dessen Unterbleiben eine Überprüfung vor, ob verfügte Maßnahmen beizubehalten oder andere Maßnahmen zu treffen sind (Abs 2). Hingegen ist eine Verlängerung der Probezeit in diesem Fall - anders als nach §§ 53 Abs 2 StGB und 494a Abs 6 erster Halbsatz StPO bei Unterbleiben des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe - nicht vorgesehen (Leukauf/Steininger Komm3 § 53 RN 7; 14 Os 97/91, 15 Os 176/96 ua). Eine Probezeitverlängerung könnte aber auch nicht per analogiam auf die Bestimmung des § 494a Abs 6 StPO gestütz werden, weil es sich bei dieser nur um eine den Anwendungsbereich materieller Vorschriften nicht erweiternde Zuständigkeitsnorm handelt (14 Os 14/91, 15 Os 176/96).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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