Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, welches auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Günther R***** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens nach § 3g VG schuldig erkannt, weil er sich vom 3. März 1996 bis 4. April 2001 in Salzburg und anderen Orten des Bundesgebietes auf eine andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise nationalsozialistisch betätigte, um bei anderen Personen eine nationalsozialistische Gesinnung zu erwecken oder sie in einer derartigen Gesinnung zu bestärken, und zwar dadurch, dass er
I. an Treffen mit gleichgesinnten Freunden teilnahm, bei denen nationalsozialistisches Gedankengut propagiert, Ausländerhetze betrieben und geäußert wurde, man solle die Öfen in Mauthausen wieder einheizen;
II. verschiedene, im Urteilstenor näher bezeichnete Gegenstände mit nationalsozialistischer Ausrichtung zu propagandistischen Zwecken in seiner Wohnung zur Schau stellte und teils auch in seinem PKW mitführte;
III. im Urteilsspruch detailliert angeführte Tonträger mit nationalsozialistischem Inhalt zur Verfügung stellte, vorführte und mit Freunden gemeinsam mit nationalsozialistischer Zielsetzung anhörte;
IV. NS-Lektüre, nämlich das Buch von Herbert Sch***** mit dem Titel „Evolution und Wissen", der deswegen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilt wurde, unter Bekanntgabe der Bezugsadresse als besonders lesenswert empfahl.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.
Die Fragenrüge (Z 6) behauptet eine mangelnde Individualisierung der in den von den Geschworenen bejahten Hauptfragen beschriebenen Taten. Vorauszuschicken ist, dass nach § 312 StPO alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt-)Frage aufzunehmen sind, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung der dem Täter angelasteten Tat(en) (nach Ort, Zeit, Gegenstand und dergleichen) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13) gewährleistet (s Schindler in WK-StPO § 312 Rz 24). Wenngleich der Gerichtshof an die der Anklage zugrunde liegende Tat gebunden ist, ist er nicht verpflichtet, die Anklage wortgetreu in der Hauptfrage wiederzugeben; er hat vielmehr im Anklagesatz übergangene gesetzliche Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und auch für eine ausreichende Individualisierung und Konkretisierung nach Maßgabe der Beweisergebnisse dann Sorge zu tragen, wenn diesen Erfordernissen in der Anklageschrift nicht entsprochen wurde (vgl Mayerhofer StPO4 § 312 E 8). Sind daher dem Wahrspruch nicht alle Tatbestandsmerkmale des in Rede stehenden Deliktes zu entnehmen, liegt somit maW ein materieller Feststellungsmangel vor, oder lässt er die nähere Konkretisierung der Beteiligung des Angeklagten am Tatgeschehen vermissen und macht dadurch die rechtliche Überprüfung des Wahrspruches durch den Schwurgerichtshof gleichwie im Rechtsmittelverfahren durch den Obersten Gerichtshof unmöglich, liegt, weil dem Wahrspruch eine Fragestellung zugrunde liegt, die den gesetzlichen Anforderungen des § 312 Abs 1 StPO nicht Rechnung trägt, Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO vor (vgl 12 Os 53, 54/92, 13 Os 123/00).
Soweit die Fragenrüge mit der bloß pauschalen Behauptung, es reiche nicht hin, floskelhafte, allgemein gehaltene Pauschalfragen ohne konkreten Tatsacheninhalt zu stellen, nicht aufzeigt, in welchen Punkten die kritisierten Fragen den beschriebenen Kriterien nicht entsprechen sollen, entbehrt sie einer prozessordnungsgemäßen Darstellung.
Zur Hauptfrage 1 (Schuldspruchfaktum I) vernachlässigt die Beschwerde mit der Behauptung, die Fragestellung, "ob man in einer Zeitspanne von 3. März 1996 bis 4. April 2001 zB an nicht näher bestimmten und beschriebenen Treffen teilgenommen habe", entspreche nicht dem Individualisierungsgebot, den maßgeblichen Text der Frage in seiner Gesamtheit. Durch die Formulierung, wonach der Angeklagte "an Treffen mit gleichgesinnten Freunden teilnahm, bei denen nationalsozialistisches Gedankengut propagiert, Ausländerhetze betrieben und geäußert wurde, man solle die Öfen in Mauthausen wieder einheizen", "um bei anderen Personen eine nationalsozialistische Gesinnung zu erwecken oder sie in einer derartigen Gesinnung zu bestärken", wird im Übrigen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte nicht nur passiver Konsument der in der Frage beschriebenen Vorgänge bei diesen Treffen war, sondern daran aktiv mitgewirkt hat (vgl dazu 12 Os 21/99).
Zur Hauptfrage 4 (Schuldspruchfaktum II) lässt die Beschwerde mit der Behauptung, dem Angeklagten werde nur vorgeworfen, er habe "beschlagnahmte Gegenstände bei nicht näher beschriebenen und bestimmten Anlässen zur Schau gestellt ... bzw. sie in seinem PKW mitgeführt" außer Acht, dass er nach dem Inhalt der Frage zahlreiche detailliert beschriebene Gegenstände "mit nationalsozialistischer Ausrichtung zu propagandistischen Zwecken in seiner Wohnung" deshalb zur Schau stellte und teils auch in seinem PKW mitführte, "um bei anderen Personen eine nationalsozialistische Gesinnung zu erwecken oder sie in einer derartigen Gesinnung zu bestärken", und legt nicht dar, welche näheren Angaben über die - somit hinreichend konkretisierte - Tat noch erforderlich sein sollen (vgl dazu 15 Os 80/03: Anbringen eines Hakenkreuzes über dem Bett und des SS-Symbols an der Zimmertür).
Zur Hauptfrage 6 (Schuldspruchfaktum III) behauptet die Beschwerde der Sache nach, dass sie durch die Beschreibung, der Angeklagte habe "Tonträger nicht bekannten und nicht genannten Personen zur Verfügung gestellt ... bzw. vorgeführt" (ersichtlich gemeint: mangels Anführung der Zahl und der Namen der Konsumenten der Aktivitäten des Angeklagten) dem Individualisierungsgebot zuwiderlaufe. Die Rüge legt jedoch nicht dar, warum dies im konkreten Fall erforderlich sein soll. Einer zahlenmäßigen Bestimmung und namentlichen Nennung der Kontaktpersonen des Angeklagten bedurfte es unter Beachtung der Deliktsspezifika des § 3g VG angesichts der örtlichen und zeitlichen Begrenzung der Tathandlungen sowie der Anführung der inkriminierten Tonträger - wodurch die Gefahr der Verwechslung mit einer anderen Straftat ausgeschlossen ist - nicht (vgl Mayerhofer StPO4 § 312 E 33).
Weshalb der Umstand, dass der Autor des Buches "Evolution und Wissen" wegen dessen Verfassung bzw Verbreitung erst mit Urteil vom 28. Oktober 1997 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt wurde, bezüglich der das Schuldspruchfaktum IV betreffenden Hauptfrage 7 eine Verletzung der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften begründen sollte, wird in der Beschwerde nicht näher dargetan, sodass dieser Einwand einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich ist.
In seiner (der Sache nach nur für das Schuldspruchfaktum III relevanten) Tatsachenrüge (Z 10a) versucht der Beschwerdeführer einem ihm günstigeren Ergebnis zum Durchbruch zu verhelfen, indem er den ihn angeblich entlastenden Charakter der Aussagen der in der Niederschrift der Geschworenen angeführten Zeugen in der Hauptverhandlung hervorkehrt und fehlende Beweise für das ihm angelastete Tatverhalten behauptet. Dabei lässt er jedoch alle übrigen Verfahrensergebnisse, insbesondere die sicherheitsbehördlichen Ermittlungsberichte und die belastenden Angaben dieser Zeugen im Vorverfahren außer Acht. Sein Beschwerdevorbringen erschöpft sich damit in einer in unzulässiger Form, nämlich nach Art einer im Geschworenenverfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung, vorgetragenen Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter, vermag jedoch keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 3g VG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall, die Faktenmehrheit, die Fortsetzung der Wiederbetätigung trotz Kenntnis des anhängigen Verfahrens sowie den Umstand, dass der Angeklagte zum Teil aus rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründen gehandelt hat, als mildernd hingegen die lange Verfahrensdauer und den Umstand, dass die Taten zum überwiegenden Teil bereits lange zurückliegen. Dagegen richtet sich die eine Reduktion und die bedingte Nachsicht der Strafe begehrende Berufung des Angeklagten. Ihr ist zwar zuzugestehen, dass der Erschwerungsgrund des Handelns aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven im vorliegenden Fall zu entfallen hat, weil solches bereits typischerweise mit einem Schuldspruch nach dem VG verbunden ist. Zu Recht hat hingegen das Erstgericht auch die Vorstrafe wegen falscher Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB als erschwerend gewertet, erfolgte sie doch zur Unterstützung eines Gesinnungsgenossen in dessen Verfahren nach dem VG und beruhte daher auf gleichartigen verwerflichen Beweggründen (§ 71 StGB). Mit der Behauptung, die Annahme des Erschwerungsgrundes der Fortsetzung der Wiederbetätigung trotz anhängigen Verfahrens sei verfehlt, orientiert sich die Berufung nicht am vorliegenden Schuldspruch. Der lange Tatzeitraum wurde der Berufung zuwider gar nicht als besonderer Erschwerungsumstand gewertet.
Auf Basis der gesetzlichen Strafdrohung nach dem ersten Strafsatz des § 3g VG, unter entsprechender Gewichtung der vorliegenden besonderen Strafzumessungsgründe und mit Blick auf die allgemeinen Strafzumessungskriterien des § 32 StGB erachtete der Oberste Gerichtshof die vom Geschworenengericht ausgemessene Freiheitsstrafe für nicht überhöht, sodass für eine Strafreduzierung kein Anlass bestand.
Die bedingte Nachsicht auch nur eines Teils der Strafe (§ 43a Abs 4 StGB) konnte nicht erfolgen, weil schon in Hinblick auf die einschlägigen Vorverurteilungen nicht von der gesetzlich verlangten hohen Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens des Angeklagten auszugehen ist.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
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