Spruch:
Martin Engelbert M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Gegen Martin Engelbert M***** ist beim Landesgericht Innsbruck die Voruntersuchung wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (unter Bedachtnahme auf das Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB) anhängig.
Er wird - nachdem vorerst mit Beschluß vom 22.April 1997 über ihn die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO verhängt worden war - nunmehr seit 30. April 1997 gemäß § 429 Abs 4 StPO (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO) im psychiatrischen Krankenhaus Hall vorläufig angehalten, weil er im Verdacht steht, unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes (§ 11 StGB) am 21.April 1997 in Reutte als PKW-Lenker durch vorsätzliches (absichtliches) Losfahren mit hoher Geschwindigkeit auf zwei andere besetzte Fahrzeuge in einem Fall einen Zusammenstoß mit schwerem Sachschaden und schwerer Verletzung von Lenker und Beifahrer, im anderen die Erzwingung des Auslenkens über eine Böschung in ein Feld mit konkreter Gefährdung der Fahrzeuginsassen und gleichfalls erheblicher Beschädigung des Fahrzeuges dolos herbeigeführt zu haben.
Seiner gegen die am 23.Juli 1997 verfügte Fortsetzung dieser Sicherungsmaßnahme (ON 35), erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 5.August 1997, AZ 6 Bs 358/97, unter Fristverlängerung bis längstens 6.Oktober 1997 nicht Folge (ON 45).
Der Gerichtshof zweiter Instanz gründete das Vorliegen des - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - dringenden Tatverdachts auf die bisherigen Ergebnisse der Voruntersuchung, wobei es auf Grund des (ergänzten) gerichtspsychiatrischen Gutachtens des Univ.Prof. Dr.P***** (ON 23 und 27) davon ausging, daß sich der Betroffene zur Tatzeit in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand (§ 11 StGB) infolge einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades befunden hat, die Gefährlichkeitsprognose ungeachtet einer seit der Tatzeit eingetretenen Verbesserung des psychischen Zustandsbildes jedenfalls auch noch zum Zeitpunkt der Erstellung des Ergänzungsgutachtens am 16.Juni 1997 - wo insbesondere darauf eingegangen wurde, daß es beim Betroffenen auch zu schizophrenen Wahnbildungen gekommen ist, die noch immer nicht gänzlich abgeklungen sind (ON 27) - eindeutig zu bejahen sei und eine weitere Beobachtung durch zwei bis drei Monate durchgeführt werden müsse, um dann beurteilen zu können, ob künftig eine ambulante Betreuung ausreichend sein könnte.
Die Schilderung des Taterfolges ergebe, daß das Gesamtgewicht der Auswirkungen dem Erfordernis "der schweren Folgen" sowohl dem Sinn des § 21 StGB als auch des § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO entspreche.
Eine Substituierbarkeit der Maßnahme sei bei der gegebenen Fallkonstellation - die Unterbringung stelle sich als logische Konsequenz der zugrundeliegenden Prognose dar und eine Antragstellung nach § 21 Abs 1 StGB ohne gleichzeitige nach § 429 Abs 4 StPO sei nicht vorstellbar - nicht möglich.
Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, in der der Betroffene die unzulässige Fortdauer der Anhaltung mangels Vorliegens der vom Oberlandesgericht angeführten Haftgründe moniert, kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
In der Beschwerde wird vorgebracht, die bis- herige Unbescholtenheit sowie die "sich eindeutig ergebende Genesungsentwicklung" sprächen gegen die Annahme der Tatbegehungsgefahr; im übrigen mangle es am hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, daß der Beschwerdeführer bei Aufhebung der Anhaltung und der Erteilung von Weisungen eine Tat mit schweren Folgen begehen werde.
Ob eine strafbare Handlung mit schweren Folgen verbunden ist, ist nach allen konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit sämtlicher aus der Tat resultierenden (auch außertatbestandsmäßigen) effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im ganzen, deren Gewicht durch die in der Sozietät bestehenden, insofern normativen (durchschnittlichen) Wertvorstellungen der mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen bestimmt wird, zu beurteilen (SSt 48/2, 14 Os 91/95). Bei der hier in Rede stehenden Anlaßtat - nämlich dem absichtlichen Losfahren mit hoher Geschwindigkeit auf zwei andere besetzte Fahrzeuge verbunden in einem Fall mit einem Zusammenstoß mit schwerem Sachschaden und Verletzung von Lenker und Beifahrer (auf Grund des nunmehrigen Standes der Voruntersuchung wird der Verdacht des Eintritts eines schweren Verletzungserfolges im Sinn des § 84 Abs 1 StGB künftig nicht aufrecht zu erhalten sein - ON 46, S 151; die Voraussetzungen des § 84 Abs 2 Z 1 StGB bzw jene der §§ 15, 87 Abs 1 StGB werden noch zu prüfen sein) sind derartige Auswirkungen insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes zu bejahen, daß der Betroffene offenbar unter massiven psychotischen (religiösen) Wahnvorstellungen leidet und seinen Angaben zufolge sein strafrechtlich relevantes (für Außenstehende völlig unmotiviertes) Fahrmanöver gesetzt hat, "um einen Nagel des Kreuzes Christi zu holen" (S 253, 281). Im Zusammenhang mit den Ausführungen des Sachverständigen vom 16.Juni 1997 liegt die Befürchtung der Begehung gleichartiger Straftaten für absehbare Zeit nahe (die beabsichtigte Kontrolluntersuchung bzw das zusätzlich in Auftrag gegebene Gutachten Dris.H***** ist derzeit noch ausständig), sodaß zu Recht die Gefahr angenommen wurde, daß der Betroffene neuerlich zumindest eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen könnte, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO).
Die Art der Anlaßtat im Zusammenhang mit der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen zum Zeitpunkt der Beschlußfassung läßt ein Surrogat der Maßnahme nicht zu, zumal die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges auch ohne Führerschein faktisch möglich ist und Aggressionshandlungen auch durch Einsatz anderer gefährlicher Mittel im Wahrscheinlichkeitsbereich liegen. Daran vermag auch die zwischenzeitig vorgelegte Bestätigung Dris.T***** über die angebliche Arbeitsfähigkeit bzw eine ab 8.August 1997 vorliegende pneumonische Erkrankung des Betroffenen - die sich als unzulässige Neuerung darstellt - nichts zu ändern.
Dem Vorbringen, die Unterlassung der Beiziehung eines Sachverständigen von Amts wegen in der Haftverhandlung vom 23.Juli 1997 stelle fallunabhängig jedenfalls eine Grundrechtsverletzung dar, genügt die Erwiderung, daß der Gesetzgeber dem Untersuchungsrichter diese Möglichkeit in der Bestimmung des § 429 Abs 2 Z 3 StPO als "Kann-Bestimmung" einräumt, sodaß auch dieser Einwand ins Leere geht.
Die Beschwerde war mithin ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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