European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00012.23H.0314.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde D* A* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 25. Juni 2022 in M* versucht, seine ehemalige Ehefrau M* A* zu töten, indem er sie festhielt und mit einem mitgeführten Klappmesser mehrfach auf ihren Kopf‑ und Halsbereich sowie ihren linken Unterarm „einstach bzw weiter einstechen wollte“, wodurch sie zahlreiche Schnittwunden am Unterarm und im Gesichtsbereich, insbesondere eine entlang des linken Unterkieferkörpers auf das linke Ohrläppchen reichende, etwa vier Zentimeter lange, zirka zwei bis drei Millimeter weit klaffende Hautdurchtrennung erlitt, die sich in enger Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen, insbesondere der Halsschlagader und weiteren Halsvenen befand.
[3] Die Geschworenen hatten die anklagekonform in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellte Hauptfrage 1./ bejaht. Demzufolge blieben die Eventualfragen in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (1./), „des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4, Abs 5 Z 1 StGB“ (2./; vgl Rechtsbelehrung ON 71.2 S 14 und 16; zur echten Idealkonkurrenz der [selbständigen] Qualifikation nach § 84 Abs 4 StGB und der [unselbständigen] Qualifikation nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB bei Tat‑ und Opferidentität siehe allerdings RIS‑Justiz RS0132358 [T1] undBurgstaller/Schütz in WK2 StGB § 84 Rz 2, 104; zur [gesonderten] Fragestellung in einem solchen Fall siehe 11 Os 87/22m [11 Os 88/22h] und 15 Os 91/22d; RIS‑Justiz RS0100788; Lässig, WK‑StPO § 314 Rz 1) sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB (3./) unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
[5] Die Fragenrüge (Z 6) orientiert sich nicht an der Verfahrensordnung (RIS‑Justiz RS0117447; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23). Nach § 312 StPO sind die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt‑)Frage(n) aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung der dem Täter angelasteten Tat(en) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13) gewährleistet (RIS‑Justiz RS0119082, RS0100780; vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 34; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 2, 4, 9, 18 ff). Überdies muss der Inhalt dieser Frage(n) nicht nur in Ansehung des gesetzlichen Tatbestands, sondern auch hinsichtlich des konkreten Sachverhalts mit der Anklage übereinstimmen (RIS‑Justiz RS0100505, RS0100509).
[6] Aus welchem Grund die Hauptfrage 1./ diesen Anforderungen nicht genügen sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich. Hinsichtlich des in der Hauptverhandlung zur Sprache gekommenen (mit nicht unerheblichem Kraftaufwand und einem gewissen Druck erfolgten) Verursachensder in Rede stehendenSchnittverletzungen (allenfalls auch) durch Schnitt‑ anstatt (allenfalls ausschließlich) durch Stichbewegungen (vgl ON 71.3, 51 ff) legt sie nicht dar, weshalb das Unterbleiben einer alternativen Aufnahme dieser Sachverhaltsvariante in das Frageschema Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 6 begründen sollte (RIS‑Justiz RS0100737; Ratz WK‑StPO § 345 Rz 47, 52).
[7] Die Tatsachenrüge (Z 10a) bezieht sich mit Hinweisen auf isoliert hervorgehobene Ergebnisse der Hauptverhandlung (vgl aber ON 71.3, 21 f, 35 ff, 40 f, 44 f, 52–56) bloß auf die auch in der Fragenrüge releviertenDetails der im Wahrspruch festgestellten Tathandlungen (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 15, 47). Dass die in Rede stehenden Schnittverletzungen (wegen Abwehrhandlungen des Opfers) allenfalls (auch) durch Schnitt‑ und nicht (ausschließlich) durch Stichbewegungen des Angeklagten verursacht worden sein können, vermag beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen ([vorsätzlicher] Tötungsversuch durch einen mehrfachen Angriff mit einem mitgeführten Klappmesser ua gegen den Kopf‑ und Halsbereich, der ua eine etwa vier Zentimeter lange und weit klaffende Hautdurchtrennung in enger Nachbarschaft zu großen Blutgefäßen, insbesondere der Halsschlagader und weiteren Halsvenen nach sich zog) hervorzurufen (vgl RIS‑Justiz RS0099720 [T5]).
[8] Die Rechtsrüge (nominell Z 12, der Sache nach Z 11 lit a) ist ebenso wenig prozessordnungskonform ausgeführt, leitet sie doch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116569), aus welchem Grund eine Subsumtion unter den – keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichende Vorsatzform oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangenden – Tatbestand des § 75 StGB die Erwähnung der subjektiven Tatseite im Wahrspruch voraussetzen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0113270; zur Rechtsbelehrung siehe im Übrigen ON 71.2, 8 f, 12).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (angemeldete – ON 71.3, 64) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 344, 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO – RIS‑Justiz RS0100080) bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Hieraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung und die Beschwerde (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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