OGH 11Os12/14w

OGH11Os12/14w8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mehmet B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. September 2013, GZ 34 Hv 83/13p‑140, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten Mehmet B***** und seines Verteidigers Dr. Starzer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Mehmet B***** wird unter Anwendung des § 36 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Über die Anrechnung der von Mehmet B***** in Vorhaft zugebrachten Zeit hat das Erstgericht zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte B***** auf die Strafneubemessung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten Maximilian P***** (2./) enthält, wurde (der am 7. Juli 1992 geborene) Mehmet B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (1./) schuldig erkannt und nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Danach hat er von Sommer 2012 bis Mitte Februar 2013 in I***** und anderen Orten im Zuge einer Vielzahl einzelner, größtenteils gewinnbringender Verkaufshandlungen vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „Cannabis“ (US 6: Cannabisharz) mit einem THC-Gehalt von jedenfalls mehr als 5 % und Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20 %, in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um mehr als das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar durch Weitergabe von insgesamt zumindest 15 kg Cannabis (mehr als 750 Gramm reines THC bzw 37,5 Grenzmengen) an im Urteil näher bezeichnete und weitere namentlich nicht bekannte Abnehmer sowie von insgesamt 250 Gramm Kokain (50 Gramm reines Kokain bzw 3,3 Grenzmengen) an Patrick H***** (3 Gramm Kokain), Jens H***** (cirka 2 Gramm Kokain) und namentlich nicht bekannte Abnehmer (zumindest 245 Gramm Kokain).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mehmet B***** kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) spricht mit ihrem Vorbringen, die vom Angeklagten veräußerten Kokainmengen (US 6) seien „auf Basis der Verfahrensergebnisse nicht nachvollziehbar“ (Z 5 vierter Fall; vgl aber US 8 iVm ON 139 S 3) und überdies in Übergehung einer schriftlichen Stellungnahme des Angeklagten konstatiert worden (Z 5 zweiter Fall), wonach er (nur) „ca 50 Gramm Koks verkauft“ habe (ON 122), von vornherein keinen entscheidenden - demnach auf die rechtliche Unterstellung der Tat oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss übenden - Umstand an (vgl RIS-Justiz RS0099497 [T15, T16], RS0108362). Denn das - für die Qualifikation der Taten als ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG erforderliche ‑ zumindest fünfundzwanzigfache Übersteigen der Grenzmenge an Suchtgift (§ 28b SMG) ist unabhängig vom im Urteil festgestellten Quantum an Kokain bereits unter Zugrundelegung der weitergegebenen Cannabismenge erfüllt (US 7).

Im Übrigen stellt § 28a Abs 4 Z 3 SMG eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Suchtgiftmengen - vergleichbar dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar, weshalb gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG - derart qualifiziert - bei gleichartiger Realkonkurrenz stets nur ein (einziges) Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (vgl RIS-Justiz RS0123912, RS0117464). Die gegenteilige Beschwerdebehauptung, die sich zur Entscheidungswesentlichkeit ohne Ableitung aus dem Gesetz auf eine Verbrechensmehrheit und den (allerdings bloß für § 28a Abs 1 SMG maßgeblichen) Rechtssatz RIS-Justiz RS0123911 beruft, geht somit ins Leere.

Der weitere Einwand, die Annahme eines Reinheitsgehalts des in Verkehr gesetzten Cannabisharzes von „knapp über 5 %“ sei mit der Bezugnahme auf die kriminaltechnische Auswertung von Proben aus einer beim Angeklagten erfolgten Sicherstellung und auf „unterdurchschnittliche“ Qualität (US 6 f und 8 f) unzureichend begründet und „bedenklich“ (Z 5 vierter Fall, der Sache nach teils auch Z 5a), erschöpft sich in der schlichten Kritik, dass das Schöffengericht aus den insofern maßgeblichen Verfahrensresultaten statt der gezogenen Rückschlüsse auf die Qualität der nicht sichergestellten Mengen nicht andere (für den Nichtigkeitswerber günstigere) Folgerungen abgeleitet hat, somit in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter, und vermag beim Obersten Gerichtshof auch keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellungen zur tatverfangenen THC-Menge zu erwecken (zum durchschnittlichen Reinheitsgehalt von Cannabisharz vgl im Übrigen auch RIS-Justiz RS0119257 [T5]). Der Hinweis, das Gericht dürfe - dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zufolge - ungeklärt gebliebene Umstände nicht zum Nachteil des Angeklagten ergänzen, spricht keinen aus Z 5 beachtlichen Mangel an (RIS-Justiz RS0102162).

Mit der Wiederholung dieser zur Mängelrüge vorgebrachten Einwände vernachlässigt die Sanktionsrüge (Z 11; Punkt 1.2.b des Rechtsmittels) zunächst den in den getroffenen Feststellungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810). Im Widerspruch zu völlig eindeutigen Passagen im Ersturteil (US 3 und 10) behauptet sie weiters, das Schöffengericht habe den Beschwerdeführer „gleich mehrerer zusätzlicher Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt“ und damit „im Hinblick auf den Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB für die Strafbemessung entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt bzw in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen“ und entzieht sich damit einer sachlichen Erwiderung.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen.

Zu Recht hingegen kritisiert die weitere Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall; Punkt 1.2.a des Rechtsmittels), dass das Schöffengericht bei Ausmittlung der über den am 7. Juli 1992 geborenen und daher im Tatzeitraum (bis Mitte Februar 2013) noch nicht 21‑jährigen Beschwerdeführer (vgl auch US 11) verhängten Strafe von einem unzutreffenden Strafrahmen (von einem bis zu 15 Jahren) ausgegangen ist (US 3 und 10), obwohl die bei Straftaten von jungen Erwachsenen zwingend anzuwendende Bestimmung des § 36 vorletzter Satz StGB die Untergrenze des § 28a Abs 4 SMG auf ein Mindestmaß von sechs Monaten Freiheitsstrafe herabsetzt. Dies bewirkt unabhängig davon, ob die konkret verhängte Strafe innerhalb des zulässigen Strafrahmens liegt, Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO (RIS-Justiz RS0119279, RS0116127, RS0099762).

Demgemäß war - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B***** im diesen betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und in diesem Umfang nach § 288 Abs 2 Z 3 StPO wie aus dem Spruch ersichtlich in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlichen Neubemessung der Strafe waren die beiden Vorstrafen nach dem Suchtmittelgesetz und die Tatbegehung während anhängigem Verfahren unter Fortsetzung der Delinquenz auch nach insoweit erfolgter Verurteilung vom September 2012 wegen gewerbsmäßiger Überlassung von Suchtgift (RIS-Justiz RS0119271) als erschwerend zu berücksichtigen, als mildernd hingegen das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren und die eigene Suchtgiftergebenheit im Tatzeitraum.

Demnach war bei Mehmet B***** unter Anwendung des § 36 StGB eine unrechts- und schuldangemessene Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu verhängen.

Mit seiner Berufung war der Genannte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster und zweiter Fall StPO sei angemerkt, dass die ‑ ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO; RIS-Justiz RS0088035) erfolgte - Konfiskation (§ 19a StGB) der bei den Suchtgiftverkäufen verwendeten Mobiltelefone (US 4) ohne Nachteil für die Angeklagten blieb (RIS-Justiz RS0088201 [T11, T14]), weil sie hiezu ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt hatten (ON 139 S 9).

Der Mitangeklagte P***** wurde eines (gleichfalls im Alter unter 21 Jahren begangenen) Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 3 zweiter Fall SMG schuldig erkannt und - ohne Bezugnahme auf § 36 StGB - unter Heranziehung eines Strafrahmens von bis zu fünf Jahren nach § 28a Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Da bei diesem Angeklagten § 36 StGB den anzuwendenden Strafrahmen nicht bekämpft, musste diese Bestimmung bei ihm im Erkenntnis auch nicht angeführt werden (RIS -Justiz RS0124806 [T3]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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