OGH 11Os118/93

OGH11Os118/937.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jürgen S***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 1. Satz

2. Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Jürgen S***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Krems a. d.Donau vom 16.Juni 1993, GZ 15 Vr 140/93-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, des Generalanwaltes Dr.Kodek, des Angeklagten Jürgen S***** und des Verteidigers Dr.Schimmer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten zu den Punkten I.2. und II.1. zur Last liegenden Tathandlungen als Verbrechen des (versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB und als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Jürgen S***** hat durch die in den Punkten I.2. und II.1. des Urteilsspruchs bezeichneten Tathandlungen das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt bleibenden Teil des Schuldspruchs zur Last fallenden Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB und des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Jahren verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen S***** auf Grund des jeweils einstimmigen Wahrspruchs der Geschwornen (I.1.) der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB, (I.2.) des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB und (III.) des räuberischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen (II.1.), des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB und (II.2.) der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

zu I. am 10.März 1993 in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem rechtskräftig mitverurteilten Andreas F***** (§ 12 StGB) versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, anderen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegzunehmen, und zwar

1. in Zwettl durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89), indem Andreas F***** eine Gaspistole gegen Josef F***** richtete und ihn aufforderte: "Geld her", sohin unter Verwendung einer Waffe, während er im Fluchtfahrzeug wartete;

2. in Waidhofen an der Thaya dem Josef R***** durch Einbruch in dessen Würstelstand;

II. am 12.Jänner 1993 allein in Bernschlag vorsätzlich

1. Maria N***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 1.300 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2. Maria N***** dadurch geschädigt, daß er eine Geldbörse im Werte von 350 S aus ihrem Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, indem er die Geldbörse später wegwarf;

III. am 10.März 1993 in Waidhofen an der Thaya mit Andreas F***** durch die Vereinbarung, den Tankwart der Tankstelle Weiß in Waidhofen an der Thaya nach Betriebsschluß bei Abtransport der Tageslosung zu überfallen, wobei Andreas F***** den Tankwart niederstoßen und ihm die Handkasse entreißen, er selbst aber im Fluchtfahrzeug als dessen Lenker warten sollte, die gemeinsame Ausführung eines Raubes verabredet.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Nach dem Beschwerdevorbringen habe der Vorsitzende des Geschwornengerichtes, was der Beschwerdeführer erst nachträglich erfuhr, in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Landesgerichtes Krems vor der Hauptverhandlung oftmals das Gefangenenhaus inspiziert und die Häftlinge in ihren Zellen "besucht". Dabei habe er wiederholt mit dem Mitangeklagten Andreas F***** "Besprechungen abgehalten", bei denen nach Angabe des Beschwerdeführers eine geeignete Verteidigungsstrategie erarbeitet worden sei. Der Vorsitzende hätte daher an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen dürfen.

Dieses der Sache nach eine Befangenheit des Vorsitzenden relevierende Vorbringen bringt keinen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung:

Gemäß § 345 Abs. 1 Z 1 StPO bewirkt neben anderen, hier nicht in Betracht kommenden Fällen nur die Teilnahme eines ausgeschlossenen Richters Nichtigkeit. Die Ausgeschlossenheit (§§ 67, 68 StPO) des Vorsitzenden wird aber vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Im übrigen wurde die Tatsache, daß der Vorsitzende des erkennenden Gerichtes in seiner Eigenschaft als Justizverwaltungsorgan Gefangenenhausvisitationen durchführte (§ 189 StPO, § 621 Geo) und dabei pflichtgemäß Häftlinge, allenfalls auch den Komplizen des Beschwerdeführers, befragte (wodurch allerdings nicht einmal der äußere Anschein einer Befangenheit hervorgerufen wird), vom Angeklagten nicht zum Gegenstand eines Ablehnungsantrages gemacht, sodaß schon aus diesem Grund das Beschwerdevorbringen auch unter dem Aspekt der Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO nicht zielführend ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß zeigt sich aber, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit dem materiellrechtlichen und daher von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 12 StPO behaftet ist: Das Geschwornengericht erkannte nämlich - ungeachtet der richtigen Formulierung der Anklageausdehnung (S 359) - den Angeklagten neben dem Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (I.2.) auch des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II.1.) schuldig. Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB bilden aber alle in einem Verfahren dem selben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Subsumtionseinheit, sodaß die getrennte Annahme eines Vergehens des Diebstahls neben einem Verbrechen des Diebstahls unzulässig ist (Foregger-Kodek, StGB5 Anm I, Leukauf-Steininger Komm3 RN 6 jeweils zu § 29). Die rechtsirrige Beurteilung des gesetzlich zusammengefaßten Tatgeschehens als zwei gesondert strafbare Handlungen begründet somit Nichtigkeit, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und mangels einer darauf abzielenden Rüge gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war (11 Os 107/90, 11 Os 114/90, 14 Os 44/91 ua). Somit war aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten zu den Schuldspruchsfakten I.2. und II.1. zur Last liegenden Tathandlungen sowie im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs.2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst unter gleichzeitiger Strafneubemessung zu erkennen.

Hiebei waren erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen dreier Verbrechen mit einem Vergehen und der zweifache diebische Angriff, mildernd hingegen daß es teilweise beim Versuch blieb und das Teilgeständnis.

Daß der Angeklagte an den ihm zur Last liegenden Verbrechen nur in untergeordneter Weise beteiligt war, trifft nicht zu (vgl hiezu die Angaben des Andreas F*****, insbesondere S 318 ff). Auch von einem reumütigen Geständnis des Beschwerdeführers (§ 34 Z 17 StGB) kann im Hinblick auf seine überwiegend leugnende Verantwortung bei der Gendarmerie (S 25 ff, 159 ff), vor dem Untersuchungsrichter (ON 13) und in der Hauptverhandlung (S 332 ff) keine Rede sein. Soweit der Antrag auf außerordentliche Strafmilderung darüber hinaus auch damit begründet wird, daß die Straftaten partiell "nicht von langer Hand vorbereitet waren", werden keine für die angestrebte Strafkorrektur hinreichenden Grundlagen aufgezeigt.

Bei der aktuellen Sachkonstellation, insbesondere der seit geraumer Zeit permanent auffälligen Raubdelinquenz, bedarf es zur Erreichung des Strafzwecks insbesondere in diesem Kriminalitätsbereich aus general- und spezialpräventiver Sicht der Verhängung von Sanktionen, die dem besonderen Tatunrecht und dem schon in der gesetzlichen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen Störwert entsprechend Rechnung tragen. Diesen Erfordernissen wird die an der Untergrenze der aktuellen Strafdrohung ausgemessene Freiheitsstrafe im Ergebnis gerecht.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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