Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Punkten C und D des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruches nach § 38 StGB) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urtei wurde Gerhard H*** des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Z 1 StGB [zu ergänzen: § 83 Abs. 1 StGB (als Grundtatbestand; vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN 1 zu § 83 StGB)] (Punkt A I des Urteilssatzes), sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (A II a bis c), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (A III a, b), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB (B), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (C) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien
A/ vorsätzlich die nachgenannten Personen am Körper verletzt, wodurch diese folgende - in der Faktengruppe III jeweils an sich schwere - Verletzungen erlitten:
I. am 30.November 1981 Brigitte Z*** durch einen Schlag ins Gesicht mit der Hand, in welcher er eine brennende Zigarette hielt, eine Kopfprellung, Abschürfungen im Gesichtsbereich, eine Augapfelprellung und eine Hornhautverbrennung mit einer Akkommodationslähmung des rechten Auges, wobei die Tat für lange Zeit eine schwere Schädigung des Sehvermögens zur Folge hatte;
II. a) in der Zeit von November 1977 bis 1981 Waltraud S*** mehrmals durch Ausdrücken von brennenden Zigaretten an ihrem Körper und Versetzen von Schlägen Hämatome, zwei Brandwunden im Bereiche des Kinns und des Gesäßes sowie den Verlust des linken dritten oberen Zahnes;
b) in der Zeit von November 1981 bis 8.Februar 1982 Brigitte Z*** mehrmals durch Schläge ins Gesicht Hautabschürfungen;
c) im Dezember 1983 Maria C*** durch einen Schlag ins Gesicht eine Verletzung des Knorpels der Nasenspitze;
III. a) am 13.März 1977 Waltraud S*** durch einen Schlag ins Gesicht eine Totalverrenkung der beiden mittleren oberen Schneidezähne;
b) am 31.Jänner 1983 Gabriele H*** durch einen Schlag ins Gesicht einen Bruch des Nasenbeins und einen Bruch des linken Oberkiefers sowie eine Rißquetschwunde am Hinterkopf, wobei die Tat außerdem eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;
B/ im Dezember 1983 und am 24.Mai 1984 Maria C*** durch Androhung von Schlägen und Verunstaltung sowie durch Androhung des Umbringens gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
C/ in der Zeit vom 31.Jänner bis 4.Februar 1983 Gabriele H*** widerrechtlich gefangengehalten und
D/ am 25.Dezember 1983 eine fremde Sache, nämlich die Wohnungseingangstür der Maria C*** durch Dagegentreten beschädigt, wobei der - sonst nicht weiter angegebene - Schaden 5.000 S nicht übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten stützt sich in Bekämpfung aller Fakten auf Z 5, hinsichtlich des Faktums D (der Sache nach auch hinsichtlich des Faktums C) auch auf "Z 9" (ersichtlich zu ergänzen: lit. a) des § 281 Abs. 1 StPO, der teilweise Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Unbegründet ist die Nichtigkeitsbeschwerde allerdings, soweit die Fakten A und B bekämpft werden.
Der Angeklagte vermeint, das Gericht begründe im Urteil die Körperverletzungstatbestände (Faktengruppe A) völlig unzureichend, ohne daß er jedoch näher ausführt, worin der geltend gemachte Begründungsmangel erblickt wird. Der Hinweis, es würden nur "Behauptungen" aufgestellt, ohne daß der Entscheidung entnommen werden könne, "auf Grund welcher Erwägungen das Erstgericht zu diesen Annahmen gelangt ist", erweist sich als zu unsubstantiiert, um einer sachlichen Erörterung zugänglich zu sein. Mit der Behauptung hinwieder, im Urteil werde nicht auf die subjektive Tatseite eingegangen, setzt er sich prozeßordnungswidrig über jenen Urteilsinhalt hinweg, der seinen Verletzungsvorsatz konstatiert (S 456, 460 ff). Für die Annahme einer fahrlässigen Verletzungszufügung bietet der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt, ganz abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer im Verlaufe der Hauptverhandlung mehrmals (S 379, 425, 441) hinsichtlich des gesamten Faktums A ohne Einschränkung, somit sowohl hinsichtlich der objektiven als auch der subjektiven Tatseite schuldig bekannt hat. Auch in der Mängelrüge vermag der Angeklagte keinen Umstand aufzuzeigen, aus dem sich bloß fahrlässiges Handeln erschließen ließe.
Einer näheren Begründung der Kausalität zwischen den Tätlichkeiten des Beschwerdeführers am 30.November 1981 und der Augenverletzung bei Brigitte Z*** bedurfte es angesichts seines - wie gesagt vorbehaltslosen - Geständnisses, das zudem im Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr. R***, den Aussagen der Zeugin Brigitte Z*** im Vorverfahren (S 13 f, 21, 25 f, 88) und der Zeugin Christa W*** (S 53, 392) sowie in der Verletzungsanzeige des A*** K*** DER S*** WIEN
(S 61) seine Stütze findet, nicht, zumal dieser Konstatierung des Erstgerichtes auch keine gegenteiligen Verfahrensergebnisse entgegenstehen. Letztlich versagt aber auch der Einwand, die Augenverletzung der Brigitte Z*** könne auf Schläge anderer Männer oder auf einen Sturz zurückzuführen sein: Bei diesen spekulativen Erwägungen handelt es sich um eine im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässige und demnach unbeachtliche Neuerung. Ein Begründungsmangel des Ersturteils im Sinn des relevierten Nichtigkeitsgrundes wird damit nicht aufgezeigt. Auch das Faktum B erweist sich - der Ansicht des Nichtigkeitswerbers zuwider - als zureichend begründet. Das Erstgericht hat die Feststellung, der Angeklagte habe der Zeugin C*** Schläge und Verunstaltungen sowie das Umbringen angedroht, nicht - wie in der Mängelrüge aktenwidrig behauptet wird - auf die Tatsachen, daß die Zeugin C*** in der Hauptverhandlung den Eindruck erweckte, sie fürchte sich noch heute vor dem Angeklagten und daß sie ihre Angaben in der Hauptverhandlung wesentlich abgeschwächt hat, gestützt. Es hat vielmehr - wie sich aus dem Hinweis des Urteils auf die Abschwächung ihrer Aussagen in der Hauptverhandlung ergibt - diese Feststellungen ersichtlich auf die Angaben der Zeugin C*** vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter gestützt. Ein Vergleich der Aussagen dieser Zeugin im Vorverfahren mit jenen in der Hauptverhandlung ergibt die Haltlosigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, Maria C*** habe ihre Angaben in der Hauptverhandlung nicht abgeschwächt. Daß diese in der Hauptverhandlung behauptet hätte, ihre den Angeklagten belastende Aussage vor der Polizei sei auf Medikamenten- und Alkoholeinfluß zurückzuführen, wie in der Mängelrüge behauptet wird, erweist sich als seinerseits aktenwidriges Vorbringen, denn nach dem ungerügt gebliebenen, demnach vollen Beweis machenden Hauptverhandlungsprotokoll hat die Zeugin eine derartige Behauptung nie aufgestellt.
Insoweit in der Nichtigkeitsbeschwerde daher die Faktengruppen A und B bekämpft werden, ist sie zum Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, zum Teil offenbar unbegründet. Sie war daher teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO sowie teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Berechtigung kommt ihr jedoch zu, sofern darin die Schuldsprüche wegen der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (C) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D) bekämpft werden. Im erstgenannten Faktum wurde der Angeklagte schuldig erkannt, Gabriele H*** in der Zeit vom 21.Jänner bis 4.Februar 1983 widerrechtlich gefangengehalten zu haben. Hiezu stellte das Gericht fest (US 8), der Angeklagte habe der Genannten, nachdem er sie verletzt hatte (A III b) und sie wegen ihrer Schmerzen die Wohnung verlassen wollte, erklärt: "Du wirst nicht rausgehen, du bleibst hier". Da H*** schwer verletzt war, habe sie sich nicht getraut, weitere Versuche zu unternehmen, die Wohnung zu verlassen. In der Zeit vom 31.Jänner bis 4.Februar 1983 sei ihr dies auch nicht möglich gewesen, weil der Angeklagte es nicht zugelassen habe. Erst am 4.Februar 1983, als der Angeklagte weggegangen sei, um sich zum Arbeitsamt zu begeben, hätte sie schnell ihre Sachen gepackt und sei ausgezogen. In der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes traf das Erstgericht die weitere Feststellung (US 12), die Zeugin H*** hätte deswegen die Wohnung nicht verlassen können, weil der Angeklagte ständig anwesend gewesen sei.
"Gefangenhalten" im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB ist die Behinderung einer Person am Verlassen eines umgrenzten Raumes (Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , Anm. 3 zu § 99). Das Hindernis muß ein ernstliches und gewichtiges sein (EvBl 1979/145). Wer sich etwa durch Rufen oder Springen aus einem ebenerdig gelegenen Fenster befreien kann, wird nicht "gefangengehalten" (Mayerhofer-Rieder aaO). Zutreffend bringt hiezu der Beschwerdeführer vor, seine bloße Äußerung, H*** werde nicht "rausgehen", sie bleibe hier, stelle in Verbindung mit der unpräzisen Konstatierung, der Angeklagte habe nicht zugelassen, daß sie die Wohnung verlasse, noch keine tragfähige Begründung für die Erfüllung des Tatbestandes der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB in objektiver und subjektiver Richtung (hiezu enthält das Urteil überhaupt keine Feststellungen - Z 9 lit. a) dar. Hiezu kommt, daß im Urteil die Aussage der Zeugin H*** vor der Polizei (S 144), nach welcher ihr das Verlassen der Wohnung auf Grund ihrer
Verletzungen - zumindest für einen Teil der inkriminierten Zeit - unmöglich war, unerörtert bleibt. Da die Bewegungsfreiheit des Opfers objektiv zufolge des vorsätzlichen, die Tatbestandsverwirklichung anstrebenden Verhaltens des Täters effektiv aufgehoben sein muß (12 Os 73/82), das Schöffengericht aber die Verfahrensergebnisse, die auf eine Verletzung der Genannten als Ursache des Unvermögens, die Wohnung zu verlassen, hinweisen, übergeht, haftet dem Urteil auch hinsichtlich des festgestellten Tatzeitraumes ein entscheidender Begründungsmangel an. Zu Recht bemängelt der Beschwerdeführer aber auch die Urteilsannahme, der Angeklagte sei vom 31.Jänner bis 4.Februar 1983 ständig in seiner Wohnung anwesend gewesen, als unzureichend begründet, da diese Feststellung weder in der Aussage der Zeugin H*** (S 143 f, 207), noch in der Verantwortung des Angeklagten eine Stütze findet.
Unvollständig sind die Entscheidungsgründe schließlich auch insofern, als sie sich mit der Verantwortung des Angeklagten (S 67 b, 387) nicht auseinandersetzen, die Zeugin H*** habe einen Schlüssel zur Wohnung des Angeklagten besessen, was ihr allenfalls ein Verlassen der Wohnung ermöglicht hätte. Die beiden zuletzt aufgezeigten Umstände sind deswegen von entscheidender Bedeutung, weil - was das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren abzuklären haben wird - für den Fall, daß Gabriele H*** eine Möglichkeit, die Wohnung ungehindert zu verlassen, allenfalls aus Furcht, weil sie noch unter der fortdauernden Wirkung des vorangegangenen gewalttätigen Vorgehens des Angeklagten stand (vgl. hiezu insb. 10 Os 152/84), nicht wahrgenommen hätte, der Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt eines allfälligen Vorliegens des Tatbestandes der Nötigung - in objektiver und subjektiver Hinsicht - zu prüfen sein wird. Da eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes zum Faktum C nach dem Vorgesagten somit derzeit noch nicht möglich ist und demgemäß eine Entscheidung in der Sache selbst nicht in Betracht kommt, war insofern mit einer Urteilsaufhebung im genannten Schuldspruch bereits in einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO) vorzugehen.
Gleiches gilt für das Faktum D.
Die Erfüllung des Tatbestandes der Sachbeschädigung nach § 125 StGB erblickt das Erstgericht darin, daß der Angeklagte am 25. Dezember 1982 eine fremde Sache, nämlich die Eingangstür zur Wohnung der Maria C*** durch Dagegentreten beschädigt hat, wobei ein 5.000 S nicht übersteigender Schade entstanden ist. Diesbezüglich stellt das Gericht fest, der Angeklagte sei am genannten Tage zur Wohnung der Zeugin C*** gekommen; da ihm nicht geöffnet wurde, habe er derartig gegen die Wohnungstür getreten, daß dabei "ein Schaden" entstanden sei; das Schließblech sei verbogen worden.
Die vom Angeklagten behauptete Aktenwidrigkeit liegt zwar nicht vor, weil auf Grund der Polizeierhebungen (S 163, 167 f) an sich eine ausreichende Grundlage für die Annahme, durch seine Tritte sei eine Verformung des Schließblechs der Tür erfolgt, bestünde. Das Erstgericht hat es aber unterlassen, sich mit der Aussage der Zeugin C*** auseinanderzusetzen, wonach ihrer Ansicht nach durch diese Tat des Beschwerdeführers kein Schaden entstanden sei (S 197). Aus diesem Grunde ist die Urteilsbegründung in Ansehung einer entscheidungswesentlichen Tatsache unvollständig geblieben. Der in der Beschwerde zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel macht daher auch in diesem Faktum eine Urteilsaufhebung unvermeidlich. Das Erstgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren - die Aufrechterhaltung der Anklage zu diesem Punkt vorausgesetzt - damit auseinanderzusetzen haben, ob die sichtbare Veränderung am Türblech objektiv bereits als zugefügter Schaden im Sinn des § 125 StGB anzusehen ist, und - bejahendenfalls - ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte darauf zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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