OGH 10Os152/84

OGH10Os152/846.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini (Berichterstatter), Dr.Friedrich, Dr.Lachner und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1

StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 30.Jänner 1984, GZ 12 Vr 2889/83-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Knob, des Vertreters der Privatbeteiligten Isabella R***, Rechtsanwalt Dr.Karpf, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Waneck zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, die Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt, das Urteil im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Privatbeteiligte Isabella B mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs.2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.November 1945 geborene Angestellte Franz A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs.1 StGB schuldig erkannt.

Nach den (kurz zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen richtete der Angeklagte am Vormittag des 8. September 1983 gegen Isabella B, mit der er sich (nachdem sich seine Ehefrau - von der er damals geschieden war - entfernt hatte) allein in einem Wochenendhaus in Prägrad, Bezirk Feldkirchen, aufhielt, ein Messer, sagte zu ihr in befohlenem Ton: 'Jetzt ziehst du dich aus und legst dich nackt ins Bett', erklärte, als sie ihn bat, ihr nichts zu tun, er könne ihr nur den guten Rat geben, das zu tun, was er wolle, und nötigte sie solcherart zu einem Geschlechtsverkehr, den er gegen den Willen der Isabella B, die den Angeklagten nicht provozieren wollte und aus Angst alles über sich ergehen ließ, um die Mittagszeit noch ein zweites Mal vollzog. Der erwähnte Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs.1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer darin, daß seinem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheins (vgl. S 84) nicht entsprochen wurde. Er wurde jedoch durch dessen Abweisung (vgl. S 85 und S 91) in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn das Erstgericht hat jene Umstände, auf deren Nachweis der Beweisantrag abzielte, ohnedies als erwiesen angenommen und festgestellt, daß Isabella B an sich mehrfach in der Lage gewesen wäre, aus dem erwähnten Wochenendhaus (an dem in einer Entfernung von 20-30 m eine Straße vorbeiführt) zu flüchten (S 90, 92). Dafür aber, ob Isabella B, wie der erkennende Senat des weiteren annahm, eine Flucht aus Angst vor dem Angeklagten, um ihn nicht zu reizen und zu einer unbedachten Tat zu veranlassen, unterließ, war die beantragte Beweisaufnahme ohne Belang.

Es trifft aber auch der in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281

Abs.1 Z 5 StPO erhobene Beschwerdevorwurf nicht zu, das Urteil leide in Ansehung der darin getroffenen, die Vorgänge bis zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs betreffenden Feststellungen an einer Unvollständigkeit, weil es den vom Angeklagten insbes. bei seiner Vernehmung vor der Gendarmerie (S 25-29) bekundeten Umstand übergehe, daß er mit Isabella B (nach Weglegen des Messers und vor Durchführung des Geschlechtsverkehrs) längere Zeit im Bett gelegen sei, daß sich Isabella B aktiv am Geschlechtsverkehr beteiligt und geholfen habe, sein Glied in ihre Scheide einzuführen, und daß sie sich somit nicht geweigert habe, mit ihm geschlechtlich zu verkehren.

Mit dieser Darstellung des Angeklagten, der es nur insoweit folgte, als sie mit den Angaben der Zeugin B übereinstimmt (vgl. S 92), hat sich das Erstgericht eingehend auseinandergesetzt. Die Frage aber, wie lange der Angeklagte mit Isabella B im Bett gelegen ist, bevor es zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs kam und ob Isabella B sich an diesem aktiv beteiligte, bedurfte keiner besonderen Erörterung, weil das Urteil ohnedies klarstellt, daß Isabella B nicht freiwillig mit dem Angeklagten geschlechtlich verkehrte, sondern sich nur unter dem Eindruck seiner Drohungen, also nur aus Angst und um ihn nicht weiter zu provozieren, zum mehrmaligen Geschlechtsverkehr mit ihm bereitfand.

Rechtliche Beurteilung

Es bedeutet aber auch keinen Begründungsmangel, daß sich das Erstgericht im Urteil nicht mit jenen Verfahrensergebnissen befaßt, aus denen sich ergibt, daß Isabella B schon früher zwei Nächte gemeinsam mit dem Angeklagten verbracht hat, ohne sich deshalb genötigt zu sehen, ihm ein strafbares Verhalten vorzuwerfen. Denn da es nach den insoweit übereinstimmenden Angaben des Angeklagten (S 74) und der Isabella B (S 80) damals nicht zu einem Geschlechtsverkehr kam, ist dieser Umstand für das vorliegende Tatgeschehen ohne Bedeutung.

Insoweit der Beschwerdeführer schließlich aus der - ohnedies festgestellten (S 91) - Tatsache, daß Isabella B im gegenständlichen Fall selbst keine Anzeige erstattete, (anders als das Erstgericht) abzuleiten versucht, sie habe keinen Grund zur Anzeige gehabt, unternimmt er nur einen im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die freie Beweiswürdigung des erkennenden Senates. Die auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs.1 Z 10 StPO - sachlich Z 9

lit.a - gestützte Rechtsrüge entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung, soweit sie vermeint, es sei für die Feststellung, der Angeklagte habe durch Verwendung eines Messers und mit drohenden Worten den Willen der Isabella B gebeugt, 'im Verfahren kein Platz' und es habe im Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs keine nötigende Beeinflussung des Willens der B durch den Angeklagten bestanden. Denn zur gesetzmäßigen Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist erforderlich, an den Feststellungen festzuhalten und diese mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen. Davon kann aber vorliegend - weil die erstgerichtlichen Konstatierungen insgesamt keinen Zweifel daran lassen, daß Isabella B den Geschlechtsverkehr (beide Male) nur infolge der vorangegangenen (fortwirkenden) gefährlichen Drohungen des Angeklagten (nach Willensbeugung) zuließ - keine Rede sein. Schließlich kann auch der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, 'das Delikt wäre erst dann vollendet und vollbracht', wenn der Angeklagte das Messer zwecks Erzwingung des Geschlechtsverkehrs unmittelbar vor demselben 'neuerlich verwendet' hätte. Denn diesbezüglich kommt es nicht darauf an, ob das Opfer das ihm abgenötigte Verhalten sofort nach der Drohung gesetzt hat, sondern darauf, ob der Beischlaf oder zumindest der Beginn dessen Vollziehung unter dem Druck einer Drohung geduldet wurde, die dazu geeignet war, eine entsprechende nachhaltige Wirkung bei der Bedrohten zu erzeugen.

Eine Imminenz des angedrohten übels ist demnach nicht erforderlich; desgleichen auch nicht ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem vom Täter angestrebten Beischlaf und der zu diesem Zweck von ihm angewandten Drohung.

Da nun im vorliegenden Fall - wie bereits erwähnt - im Urteil mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck gebracht wird, daß die Duldung des (zweimaligen) Beischlafs durch Isabella B eine - tätergewollte - Folge der vom Angeklagten geäußerten (willensbeugenden) Drohungen war, deren Wirkung auf B auch im Zeitpunkt des zweiten Geschlechtsverkehrs noch bestand, weil der Angeklagte vor demselben die bei ihm bestandene Bereitschaft zum Vollzug des angedrohten übels betont hatte, war dessen mithin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 202 Abs.1 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe und gemäß § 369 StPO zur Bezahlung von 1.000 S an die Privatbeteiligte Isabella B.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend eine Vorstrafe wegen Freiheitsentziehung und Körperverletzung, die Wiederholung der Tat und ein Abhängigkeitsverhältnis des Opfers, das seine Mieterin war; als mildernd wurden ein Teilgeständnis und der Umstand angesehen, daß keine ernsten Folgen eingetreten sind. Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft, die eine Straferhöhung anstrebt und des Angeklagten, der sowohl eine Herabsetzung des Strafmaßes als auch die bedingte Strafnachsicht begehrt.

Nur dem letzteren Rechtsmittel kommt teilweise und zwar in Ansehung der Strafhöhe Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat zwar im wesentlichen die Strafzumessungsgründe vollständig angeführt, jedoch bei der Würdigung derselben dem vorliegend nicht übermäßig hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten zuviel Gewicht beigemessen und demnach über den Angeklagten eine etwas überhöhte Strafe verhängt. Es konnte daher diesbezüglich der Berufung stattgegeben und das Strafmaß auf sieben Monate ermäßigt werden. Eine weitere Herabsetzung kam schon im Hinblick auf die Vorverurteilung wegen Freiheitsentziehung und wegen Körperverletzung, die somit wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten erfolgt ist, nicht in Betracht. Nicht begründet ist auch das weitere Begehren auf Gewährung bedingter Strafnachsicht. Dem Angeklagten wurde diese Rechtswohltat bereits einmal - im Jahre 1980 anläßlich einer Verurteilung wegen des Vergehens des Betruges nach § 146, 147 Abs.2

StGB - zuteil. Sie vermochte ihn nicht vor der Begehung der gegenständlichen Straftaten - bereits wenige Monate nach der endgültigen Strafnachsicht - abzuhalten. Es bedarf daher nunmehr bei ihm vor allem aus spezialpräventiven Erwägungen des Vollzuges der über ihn verhängten Strafe, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Die Staatsanwaltschaft, die mit ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafmaßes begehrt, in der Rechtsmittelschrift jedoch lediglich auf eine gravierendere Würdigung der angenommenen Erschwerungsumstände abstellt, sonst aber keine neuen für die Strafzumessung relevanten Gründe aufzuzeigen vermag, war auf obige Entscheidung zu verweisen. Des weiteren bekämpft der Angeklagte das angefochtene Urteil im Adhäsionserkenntnis. Diesbezüglich kommt seiner Berufung Berechtigung zu.

Mit Schriftsatz vom 28.September 1983 (ON 9) hat Isabella B erklärt, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen und ihre Ansprüche in der Hauptverhandlung geltend zu machen. In dieser hat sie dann den Zuspruch eines Teilschmerzengeldes von 1.000 S begehrt; sowohl der Angeklagte als auch dessen Verteidiger bestritten die Berechtigung eines solchen Begehrens (S 85).

Im Urteil begründet das Erstgericht den Zuspruch dieses Betrages an die Privatbeteiligte nun damit, daß der Angeklagte die Schmerzengeldforderung zwar nicht anerkannt habe, doch könne der Zeugin B 'für das erlittene Ungemach' dieser Betrag 'sicherlich' zugesprochen werden.

Die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ist schon deshalb zielführend, weil die Privatbeteiligte das erlittene Ungemach gar nicht als Grund ihres Anspruchs auf Schadenersatz geltend gemacht, sondern diesen nur aus dem Titel einer Schmerzengeldforderung, somit aus einem anderen Rechtsgrund erhoben hat (vgl. hiezu SSt. 52/5, SSt. 50/21 u.a.). Zu einer Schadenersatzforderung wegen erlittenen Ungemaches ist aber weder der Angeklagte noch sein Verteidiger gehört worden. Es fehlt demnach schon an den formellen Voraussetzungen des § 365 Abs.2 zweiter Satz erster Halbsatz StPO für einen Zuspruch; bereits deshalb war der Berufung in diesem Umfang Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Adhäsionserkenntnis aufzuheben und die Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

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