OGH 10ObS93/12t

OGH10ObS93/12t24.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 9. Mai 2012, GZ 7 Rs 25/12v‑23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist seit 1. 1. 2009 als Turnusärztin beim Land Steiermark beschäftigt. Sie ist der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH zur Dienstleistung am Dienstort LKH L***** zugewiesen. Ihr Beschäftigungsausmaß beträgt 40 Wochenstunden. Sie ist jedoch vertraglich zur Leistung von Nachtarbeit und Überstunden verpflichtet. Die tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt daher insgesamt bis zu 72 Wochenstunden, wobei sie etwa 3 Nachtdienste pro Monat leistet. Ihr Einkommen für die Monate Dezember 2009 bis einschließlich Februar 2010 betrug insgesamt 6.174,75 EUR netto. Im Februar 2010 informierte die Klägerin ihren Dienstgeber von ihrer Schwangerschaft und teilte ihm den mit 10. 10. 2010 errechneten Geburtstermin mit. Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft leistete sie entsprechend den Beschäftigungsverboten der §§ 6 und 8 MSchG weder Überstunden noch Nachtarbeit. Dies hatte zur Folge, dass sich sowohl die Zahl der Arbeitsstunden als auch das Einkommen der Klägerin entsprechend verringerte. Ihr Einkommen in den Monaten April bis einschließlich Juni 2010 betrug 5.087,88 EUR. Aus dem Einkommensteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2009 ergibt sich ein Jahreseinkommen von insgesamt 21.269,32 EUR.

Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom 15. 9. 2010 wurde der Klägerin ab 1. 7. 2010 ein Wochengeld gemäß § 84 B‑KUVG iVm §§ 162 sowie 165 bis 168 ASVG und §§ 28 bis 30 der Satzung der BVA in Höhe von 65,42 EUR täglich, ausgehend von einem maßgeblichen Einkommen in den letzten 3 Kalendermonaten von 5.087,88 EUR zuzüglich 17 % Zuschlag laut Satzung, zuerkannt. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin zu 38 Cgs 264/10x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht Klage, mit der sie die Zahlung eines höheren Wochengeldes begehrte. Sie stützte ihr Begehren im Wesentlichen darauf, sie sei durch die infolge der Beschäftigungsverbote nach den §§ 6 und 8 MSchG eingetretene Verminderung der Bemessungsgrundlage für einen Anspruch auf Wochengeld aufgrund des Geschlechts sowie gegenüber jenen Schwangeren, die die Verpflichtung zur unverzüglichen Verständigung des Dienstgebers von der Schwangerschaft nicht erfüllen und daher weiterhin Nachtdienste leisten, diskriminiert. Das Erstgericht wies das auf Zahlung eines höheren Wochengeldes gerichtete Klagebegehren der Klägerin ab. Der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. 6. 2011, 6 Rs 23/11s, keine Folge gegeben. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Die Klägerin beantragte bei der beklagten Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter die Gewährung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes (Variante 12 + 2).

Mit Bescheid vom 7. 4. 2011 sprach die beklagte Partei aus, dass die Klägerin für ihre am 16. 10. 2010 geborene Tochter Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich 52,34 EUR für die Zeit vom 12. 12. 2010 bis 15. 10. 2011 habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage zuletzt mit dem Begehren auf Gewährung eines weiteren Betrags von 11,88 EUR täglich an Kinderbetreuungsgeld.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ein Kinderbetreuungsgeld in der bereits bescheidmäßig zuerkannten Höhe von 52,34 EUR täglich für den Zeitraum vom 12. 12. 2010 bis 15. 10. 2011 zu bezahlen und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht ‑ zusammengefasst ‑ die Ansicht, der Klägerin stehe gemäß § 24a Abs 1 Z 1 KBGG ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich 80 % des auf den Kalendertag entfallenden Wochengeldes zu. Ausgehend von dem der Klägerin rechtskräftig zugesprochenen Wochengeld von 65,42 EUR täglich stehe ihr daher ein Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich 52,34 EUR zu. Auch eine Günstigkeitsberechnung nach § 24a Abs 1 Z 5 KBGG führe zu keinem höheren Anspruch der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung insbesondere darauf, dass die im gegenständlichen Verfahren strittige Vorfrage der Höhe des der Klägerin zugestehenden Wochengeldes bereits im Vorverfahren 38 Cgs 264/10x des Erstgerichts als Hauptfrage rechtskräftig entschieden worden sei und daher eine neuerliche Überprüfung der Höhe des Wochengeldes im gegenständlichen Verfahren unzulässig sei. Die Klägerin falle als Wochengeldbezieherin in den Anwendungsbereich des § 24a Abs 1 Z 1 KBGG. Danach betrage das Kinderbetreuungsgeld täglich 80 % des auf den Kalendertag entfallenden Wochengeldes. Auch eine verfassungskonforme Auslegung könne nicht dazu führen, dass für die Klägerin entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine andere Berechnungsmethode herangezogen werde. Gegen die bestehende Gesetzeslage bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Berufungsgericht habe die Verfassungswidrigkeit des § 24a KBGG nicht erkannt und sei von der ständigen Rechtsprechung zur verfassungskonformen Auslegung von Normen unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes abgewichen. Die von den Vorinstanzen angenommene zwingende Berechnung des Kinderbetreuungsgeldes anhand des Wochengeldes, sofern man Wochengeld beziehe, sei sachlich nicht gerechtfertigt, sofern die Klägerin durch diese Bestimmung weniger erhalte als ihre männlichen Kollegen oder im Falle einer Heranziehung einer anderen Berechnungsbasis (zB § 24a Abs 1 Z 2 KBGG).

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld handelt es sich um einen (teilweisen) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens. Es beträgt nach § 24a KBGG 80 % der letzten Einkünfte, allerdings maximal 66 EUR täglich und wird parallel nach zwei Berechnungsmethoden ermittelt: Bei der ersten Berechnungsmethode wird die Höhe des Tagesbetrags anhand des Wochengeldes, also nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst während der letzten 13 Wochen vor Beginn des Beschäftigungsverbots ermittelt (§ 24a Abs 1 Z 1 KBGG). Bei Beamtinnen, die keinen Anspruch auf Wochengeld haben, denen aber ihr Entgelt während des Beschäftigungsverbots vom Dienstgeber weiterbezahlt wird, beträgt das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld 80 % des durchschnittlichen täglichen Netto‑Monatsbezugs der letzten 3 Kalendermonate vor Beginn des Beschäftigungsverbots, inklusive aliquoter Sonderzahlungen (§ 24a Abs 1 Z 2 KBGG). Dasselbe gilt für Beamte und unselbständig erwerbstätige Väter. Da hier nicht auf den Beginn des tatsächlichen Beschäftigungsverbots abgestellt werden kann, wird dieses mittels einer 8‑Wochenfrist vor der Geburt des Kindes fingiert (vgl § 24a Abs 1 Z 3 KBGG für männliche Beamte und § 24a Abs 1 Z 4 KBGG für unselbständig erwerbstätige Väter). Zusätzlich erfolgt eine zweite Berechnung des Tagesbetrags auf Grundlage der maßgeblichen Einkünfte, die im letzten Kalenderjahr vor der Geburt, in dem kein Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, erzielt wurden (§ 24a Abs 1 Z 5 und Abs 3 KBGG). Die beiden Berechnungsarten werden dann gegenübergestellt und der für die Eltern günstigere Tagesbetrag ergibt schließlich die endgültige Höhe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes (vgl Rosenmayer, Kinderbetreuungsgeld 2010, ZAS 2010/2, 4 [6 f]; Schrittwieser, Änderungen im Kinderbetreuungsgeldgesetz ab 1. 1. 2010, DRdA 2010, 85 ff ua).

2. Ausgehend von den soeben beschriebenen unterschiedlichen Fallgruppen haben bereits die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin als Wochengeldbezieherin eindeutig der ersten Fallgruppe (§ 24a Abs 1 Z 1 KBGG) zuzuordnen ist und ihr daher ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 80 % ihres auf den Kalendertag entfallenden Wochengeldbezugs nach § 84 B‑KUVG iVm §§ 162, 165 bis 168 ASVG und §§ 28 bis 30 der Satzung der BVA gebührt. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, dass die Höhe des der Klägerin nach den erwähnten Bestimmungen zustehenden Wochengeldes im Vorverfahren 38 Cgs 264/10x des Erstgerichts bereits rechtskräftig festgesetzt wurde und eine neuerliche Überprüfung der Höhe des Wochengeldanspruchs der Klägerin im gegenständlichen Verfahren daher nicht mehr in Betracht kommt. Auf die Revisionsausführungen der Klägerin zu der von ihr bei der Berechnung ihres Wochengeldanspruchs geltend gemachten Diskriminierung ist daher nicht weiter einzugehen.

2.1 Soweit die Klägerin meint, die Vorinstanzen hätten im Rahmen einer „verfassungskonformen Interpretation“ die Höhe ihres einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes nach der für sie günstigeren und für Männer geltenden Bestimmung des § 24a Abs 1 Z 2 KBGG bemessen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung nicht auf männliche Kinderbetreuungsgeldbezieher (arg „von Beginn des Beschäftigungsverbots“), sondern auf Beamtinnen, die keinen Anspruch auf Wochengeld, sondern auf Entgeltfortzahlung durch ihren Dienstgeber haben, abstellt. Es hat ebenfalls bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass auch eine verfassungskonforme Auslegung eines Gesetzes ihre Grundlage im Gesetz selbst haben muss (RIS‑Justiz RS0008798) und daher eine vom Gesetzgeber für eine andere Fallgruppe vorgesehene Berechnungsweise nicht einfach im Wege einer verfassungskonformen Interpretation die vom Gesetzgeber für den vorliegenden Fall vorgesehene Berechnungsweise ersetzen kann. Die von der Klägerin angestrebte Auslegung, die bei eindeutiger Gesetzeslage vom Wortlaut abweichen würde, kann daher auch nicht mit Verfassungskonformität gerechtfertigt werden (vgl Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 27 mwN).

3. Da das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld einen (teilweisen) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens bieten soll, bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die Höhe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes bei Wochengeldbezieherinnen an die Höhe ihres Wochengeldbezugs anknüpft. Eine unsachliche Benachteiligung von Wochengeldbezieherinnen bei der Höhe des Anspruchs auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld gegenüber den anderen Personengruppen des § 24a Abs 1 KBGG ist nicht erkennbar, da auch das Wochengeld nach dem ASVG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst während der letzten 13 Wochen (bzw 3 Kalendermonate) vor Beginn des Beschäftigungsverbots ermittelt wird (vgl Schober in Sonntag, ASVG3 § 162 Rz 21 ff mwN).

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts daher mit der eindeutigen Gesetzeslage und der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang steht, war die außerordentliche Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte