OGH 10ObS62/20w

OGH10ObS62/20w26.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Sebastian Maierhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. März 2020, GZ 12 Rs 13/20y‑22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 17. Jänner 2020, GZ 9 Cgs 1/19s‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00062.20W.0526.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger hat im Zeitraum ab September 2002 bei seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter ab einer täglichen Arbeitszeit von 7 Stunden und 51 Minuten 2.000 Arbeitskilokalorien verbraucht. Im Regelfall betrug seine tägliche Arbeitszeit nicht an zumindest 15 Tagen pro Monat 8 Stunden. Lediglich in 23 – näher genannten – Monaten im Zeitraum ab Oktober 2012 arbeitete er zumindest an 15 Tagen pro Monat jeweils mindestens 7 Stunden und 51 Minuten. Dass dies auch in weiteren Monaten der Fall gewesen wäre, kann (mangels Vorhandenseins von Arbeitszeitaufzeichnungen) nicht festgestellt werden. Aufgrund der sehr unterschiedlich gelagerten Arbeitszeiten des Klägers kann weiters nicht festgestellt werden, dass er an Feiertagen oder Urlaubstagen zumindest 7 Stunden und 51 Minuten gearbeitet hätte, wäre an diesen Tagen fiktiv gearbeitet worden.

Mit Bescheid vom 9. 11. 2018 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 5. 9. 2018 auf Anerkennung von Schwerarbeitszeiten (§ 247 Abs 2 ASVG) im Zeitraum von 1. 9. 2002 bis 31. 10. 2018 ab.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage im Umfang von 23 namentlich genannten Monaten (aus dem Zeitraum ab Oktober 2012) statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab.

Rechtlich ging das Erstgericht vom Vorliegen von nur 23 (näher genannten) Schwerarbeitsmonaten gemäß § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV (BGBl II 2006/104) aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens nicht Folge. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich klargestellt habe, ob gemäß § 247 Abs 2 ASVG stets tatsächlich konkrete Zeiträume als Versicherungszeiten festzustellen seien oder ob auch die bloße Feststellung der Anzahl erworbener Versicherungszeiten ausreiche und ob – im Zusammenhang mit der Feststellung von Schwerarbeitszeiten – § 273 Abs 1 ZPO anwendbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst eine eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

1.2 Der Oberste Gerichtshof hat sich kürzlich zu 10 ObS 154/19y in einem vergleichbaren Fall mit der Frage befasst, ob im Verfahren gemäß § 247 Abs 1 und 2 ASVG stets tatsächlich konkrete Zeiträume als Versicherungszeiten (Schwerarbeitszeiten) festzustellen sind oder ob auch die bloße Feststellung der Anzahl erworbener Versicherungszeiten ausreicht. In der Entscheidung wurde klargestellt, dass die Feststellung der Versicherungszeiten (Schwerarbeitszeiten) entsprechend der vom Gesetz selbst getroffenen eindeutigen Regelung nicht nur die Anzahl der erworbenen Versicherungszeiten (Tage und Monate), sondern auch deren zeitliche Lage umfasst. Vor dem Hintergrund der tageweisen Zählung von Versicherungszeiten und der Voraussetzung zur Erfüllung der Wartezeit (zum Erwerb einer Schwerarbeitspension mindestens 120 Schwerarbeitsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag) besteht andernfalls für den Versicherten im Verfahren nach § 247 Abs 2 ASVG keine ausreichende Entscheidungsgrundlage dafür, ob er einen Pensionsantrag stellen oder weiter im Arbeitsleben bleiben soll.

Auf die nähere Begründung der Entscheidung 10 ObS 154/19y kann auch für den vorliegenden Fall verwiesen werden.

2.1 Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Entscheidung. Wurde zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 273 ZPO bejaht oder verneint, muss dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RS0040282).

2.2 Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens infolge Nichtanwendung des § 273 ZPO bei der Feststellung von Schwerarbeitszeiten verneint. Eine vom Berufungsgericht bereits verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann in der Revision aber nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RS0042963).

3.1 Zeiten des Urlaubsverbrauchs können Schwerarbeitszeiten begründen, wenn während des Urlaubs, wäre fiktiv gearbeitet worden, Schwerarbeit geleistet worden wäre (RS0126110).

3.2 Das Argument, die Vorinstanzen hätten die Anwendung dieser Rechtsprechung (des „fiktiven Ausfallsprinzips“) auf den vorliegenden Fall ohne Grund abgelehnt, trifft nicht zu. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist das Erstgericht (im Rahmen seiner Beweiswürdigung) davon ausgegangen, dass infolge der unregelmäßigen Arbeitszeiten des Klägers nicht (fiktiv) auf eine jeweils 7 Stunden und 51 Minuten umfassende tägliche Arbeitszeit an Urlaubs- und Feiertagen zu schließen sei. Fragen der Beweiswürdigung können aber nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042903 [T8]).

4. Wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

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