Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Verweisbarkeit des am 30. 11. 1950 geborenen Klägers ist im allein noch strittigen Zeitraum ab 1. 12. 2007 nach § 255 Abs 4 ASVG zu beurteilen. In den maßgeblichen 180 (Kalender-)Monaten vor dem Stichtag übte der Kläger durch mehr als 120 (Kalender-)Monate eine Tätigkeit im Lager- und Logistikbereich einer Fensterhandelsfirma aus. Dabei verbrachte er etwa 40-50 % seiner Arbeitszeit mit Staplerfahren, etwa 1 % mit Büroarbeit, den Rest mit manuellen Leistungen (dabei waren auch Fenster manuell zu bewegen; diese haben ein Gewicht von 40-70 kg). Die Arbeit erfolgte in ungeheizten Lagerhallen, tagsüber mit geöffneten Toren ins Freie.
Diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einer Kombination aus Staplerfahren, Kommissionieren und manuellen Arbeiten im Bereich der Fenster kann der Kläger mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit nicht mehr ausüben, weil er die manuellen Arbeiten (Bewegen der Fenster) nicht mehr ausführen kann. Er könnte aber als (reiner) Staplerfahrer arbeiten. Außerdem könnte er die von ihm ausgeübte Kombination in Leichtgewichtsbranchen wie der Pharmaindustrie ausüben. Dort wird vergleichsweise mehr manuell und weniger mit dem Stapler gearbeitet, die Kommissioniertätigkeit bliebe in etwa gleich. Die Arbeit wäre eher in geschlossenen Räumen durchzuführen; die anderen Merkmale des arbeitskulturellen Umfelds differieren kaum.
Das Erstgericht sprach dem Kläger ab 1. 12. 2007 die Invaliditätspension zu. Bei einer Arbeit in einer anderen Branche würde sich das arbeitskulturelle Umfeld unzumutbar ändern (Kontakte mit anderen Umgangsformen wären erforderlich). Auf die Tätigkeit eines reinen Staplerfahrers könne der Kläger nicht verwiesen werden, weil seine bisherige Tätigkeit in diesem Bereich untrennbar mit den anderen Teilen verbunden gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte im klagsabweisenden Sinn ab: Dem Kläger sei die bisher ausgeübte Tätigkeit - in einer anderen Branche als bisher - möglich, wobei sich nur die Gewichtung der beiden Kerntätigkeiten (manuelle Handgriffe und Staplerfahren) verschieben würde. In Bezug auf Kundenkontakte gebe es keine Änderung. Auf dieser Grundlage sei das Bestehen von Invalidität zu verneinen, weil dem Kläger die bisherige Tätigkeit mit etwas anderer Gewichtung und mit leichteren Materialien in einer anderen Branche nach wie vor möglich sei. Außerdem sei eine Verweisung auf die Tätigkeit eines (reinen) Staplerfahrers zulässig, weil diese Tätigkeit bereits bisher einen Kernbereich seiner Tätigkeit ausgemacht habe.
In seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision macht der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage geltend.
Die Frage, ob eine Verweisungstätigkeit eine „zumutbare Änderung“ der im Sinne des Tätigkeitsschutzes nach § 255 Abs 4 ASVG maßgebenden „eine“ Tätigkeit darstellt, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und bildet regelmäßig keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Tätigwerden des Klägers in der bisherigen Kombination (Staplerfahrer, Kommissionierer und Ausführung manueller Handgriffe, wenn auch mit anderer Gewichtung) in einer Leichtgewichtsbranche stelle eine zumutbare Änderung der zuletzt ausschließlich ausgeübten Tätigkeit im Lager- und Logistikbereich einer Fensterhandelsfirma dar, liegt im Rahmen der vom Berufungsgericht zitierten Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 255 Abs 4 ASVG (vgl 10 ObS 183/08x = RIS-Justiz RS0100022 [T27]).
Zu ergänzen ist, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 255 Abs 4 ASVG ausreicht, dass das Arbeitsumfeld dem bisherigen ähnlich ist. Kriterien sind dabei neben dem technischen Umfeld unter anderem auch die Kontakte mit Mitarbeitern und Kunden sowie die räumliche Situation, etwa ob die Arbeiten im Freien oder am Fließband auszuüben sind. Der Branche kann keine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen; sie kann aber bei der Konkretisierung des Umfelds eine Rolle spielen (RIS-Justiz RS0100022).
Die vom Kläger in seinem Rechtsmittel angeführten Unterschiede (schwere Bauzubehörteile/Medikamentenpackungen; branchenbedingte Unterschiede in den Kundenkontakten, Änderung der räumlichen Situation) erreichen kein solches Ausmaß, dass eine Ähnlichkeit der Tätigkeiten zu verneinen wäre: Schließlich kommt es entscheidend darauf an, dass der Kläger nach wie vor dieselben Grundtätigkeiten (Kombination aus Staplerfahren, Kommisionierungen und manuellen Tätigkeiten) ausüben müsste.
Da zur Verneinung des Vorliegens von Invalidität iSd § 255 ASVG nach ständiger Rechtsprechung bereits ein einziger nach dem medizinischen Leistungskalkül möglicher Verweisungsberuf genügt (vgl 10 ObS 130/08b mwN), erübrigt sich ein Eingehen auf die in der außerordentlichen Revision weiters relevierte Rechtsfrage, ob (auch) eine Verweisung des Klägers auf die Tätigkeit eines reinen Staplerfahrers in Betracht kommt.
Die außerordentliche Revision ist daher mangels Geltendmachung einer für die Entscheidung wesentlichen erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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