OGH 10ObS49/08s

OGH10ObS49/08s24.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christoph H*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. März 2008, GZ 25 Rs 140/07k-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juli 2007, GZ 46 Cgs 213/04a-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung in einem Senat aufgetragen, in dem alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehören.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger erlitt am 9. 4. 2004 - wie sich aus dem Anstaltsakt ergibt - im Zuge seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der M***** W***** GmbH nach einem Geschäftstermin in der Kanzlei seines Steuerberaters einen Unfall, bei dem er schwer verletzt wurde.

Mit Bescheid vom 1. 12. 2004 lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung des Unfalls vom 9. 4. 2004 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen aus Anlass dieses Unfalls ab.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das auf „Gewährung von Leistungen gemäß § 173 ASVG im gesetzlichen Ausmaß ab Stichtag 9. 4. 2004" gerichtete Klagebegehren ab. Es entschied in einem Senat, in dem beide fachkundige Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehörten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es entschied in nichtöffentlicher Sitzung, wobei dem erkennenden Senat je ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehörte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil aus Anlass des Rechtsmittels eine Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen ist und dieser Frage immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (vgl RIS-Justiz RS0042743 - zuletzt 10 ObS 144/07k mwN).

Gemäß § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG haben in Streitsachen unter anderem nach dem GSVG alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für Sozialrechtssachen, die Angelegenheiten der Unfallversicherung der gewerblich selbständig tätigen Personen betreffen (RIS-Justiz RS0085526). Dagegen hat das Berufungsgericht verstoßen, weil dem erkennenden Senat ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehörte. Das Berufungsgericht war daher nicht vorschriftsmäßig besetzt, was die Entscheidung nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig macht (RIS-Justiz RS0042176). Durch den Umstand, dass die mangelnde Besetzung des Berufungsgerichts in der Revision nicht gerügt wurde, ist jedenfalls für jene Verfahren, auf die § 37 ASGG anzuwenden ist, keine „Heilung" eingetreten. Es ist gerade das Charakteristikum der Nichtigkeitsgründe nach § 477 ZPO, dass sie regelmäßig von Amts wegen, also auch ohne entsprechende Rüge in einem Rechtsmittel, aufzugreifen sind. Dies wird hinsichtlich des Nichtigkeitsgrunds des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO betreffend die nicht vorschriftsgemäße Besetzung des erkennenden Gerichts insoweit relativiert, als hier unter bestimmten Voraussetzungen durch Einlassung „Heilung" eintreten kann. Dabei handelt es sich aber im Ergebnis nicht um eine Frage der „amtswegigen" Wahrnehmung von Nichtigkeitsgründen, sondern inwieweit überhaupt noch das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrunds anzunehmen ist, ob also dieser nicht bereits „geheilt" wurde (vgl 9 ObA 132/07p mwN; G. Kodek in Fasching/Konecny, ZPO² § 260 Rz 42 ff mwN; aA 3 Ob 246/98t = SZ 72/81 für Verbandsklagen nach § 28 KSchG). Der Nichtigkeitsgrund ist im vorliegenden Fall daher auch von Amts wegen wahrzunehmen, solange er nicht geheilt ist. Der dem Berufungsgericht unterlaufene Verstoß gegen § 12 Abs 3 ASGG wurde nicht geheilt, weil die Parteien mangels Anberaumung einer mündlichen Verhandlung keine Möglichkeit hatten, ihn geltend zu machen (RIS-Justiz RS0040259, RS0085554).

Es musste daher das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung in ordnungsgemäßer Senatszusammensetzung aufgetragen werden (vgl zuletzt 10 ObS 144/07k mwN).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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