Spruch:
1.) Der Antrag der Klägerin, beim Verfassungsgerichtshof das Gesetzesprüfungsverfahrens in Bezug auf § 258 Abs 4 ASVG zu beantragen, wird zurückgewiesen.
2.) Der Antrag der Klägerin, eine mündliche Revisionsverhandlung anzuberaumen, wird abgewiesen.
3.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 28. 4. 1997, 3 C 68/96m-19 wurde die zwischen der Klägerin und Kurt Anton R***** am 31. 1. 1985 vor dem Standesamt Wien-Brigittenau geschlossene Ehe geschieden. Im Scheidungsurteil wurde ausgesprochen, dass das überwiegende Verschulden Kurt Anton R***** trifft. In der Folge begehrte die Klägerin beim Bezirksgericht Floridsdorf die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 9. 9. 1999, 3 F 81/98b-26, wurde über diesen Antrag wie folgt entschieden:
".... 1. Die bestehenden Hauptmietrechte an der bisherigen Ehewohnung
in .... werden vom Antragsgegner auf die Antragstellerin allein
übertragen.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, alle zur Übertragung der alleinigen Hauptmietrechte erforderlichen Erklärungen gegenüber den zuständigen Stellen binnen 14 Tagen ab Aufforderung abzugeben.
2. Hausrat und sämtliche in der oben genannten Ehewohnung befindlichen Einrichtungsgegenstände, mit Ausnahme der persönlichen Sachen des Antragsgegners werden in das Alleineigentum der Antragstellerin übertragen.
3. Die Antragstellerin ist verpflichtet, den von ihr aufgenommenen Kredit bei der B***** allein weiterhin zurückzubezahlen und den Antragsgegner hinsichtlich dieses Kredites schad- und klaglos zu halten.
4. Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner als Ausgleichszahlung einen Betrag von S 80.000,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."
Am 8. 5. 2000 verstarb Kurt Anton R*****.
Zum Zeitpunkt seines Todes hat er der Klägerin weder auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, noch auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung Unterhalt geleistet. Er hat im Zeitpunkt seines Todes auch nicht regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfes der Klägerin beigetragen.
Mit Bescheid vom 8. 5. 2001 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 8. 9. 2000 auf Zuerkennung einer Witwenpension nach ihrem geschiedenen Ehemann ab.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Gewährung der Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 10. 2000. Sie habe während aufrechter Ehe mit Kurt Anton R***** gegen diesen einen Unterhaltsanspruch gehabt, der durch das Recht auf Mitbenützung der Ehewohnung, deren alleiniger Hauptmieter ihr Ehemann gewesen sei, befriedigt worden sei. Nach der Scheidung seien im Zuge des Aufteilungsverfahrens die Hauptmietrechte an der Ehewohnung an sie übertragen worden. Durch diese Übertragung sei ihr Unterhaltsanspruch "prolongiert" worden, sodass ihr Witwenpension zustehe. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Witwenpension seien nicht erfüllt. Die im Aufteilungsverfahren ergangene Entscheidung sei in keiner Weise als Unterhaltsverpflichtung zu verstehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zweck des Aufteilungsverfahrens sei die Zuweisung der vorhandenen Bestandteile des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, nicht aber die Regelung des gegenseitigen Unterhaltes der geschiedenen Ehegatten. Dieser sei in seinem Wesen nach ein auf Dauer ausgerichteter Anspruch des Berechtigten zur Abdeckung seiner Bedürfnisse, der je nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (und auch jener des Unterhaltsberechtigten) Schwankungen unterliege. Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sei so vorzunehmen, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten möglichst wenig berühren sollen. Die Anerkennung eines noch im Aufteilungsverfahren zu prüfenden und durch die Entscheidung über den Aufteilungsantrag für alle Zukunft "prolongierten" Alimentationsanspruches durch Übertragung der Ehewohnung führte dazu, dass sich auch künftig die Lebensbereiche der Ehepartner weiterhin berührten und verkehrte den gesetzlichen Zweck des Aufteilungsverfahrens in sein Gegenteil. Auch zeige der Umstand, dass die Klägerin die Ehewohnung gegen Leistung einer Ausgleichszahlung zugesprochen bekommen habe, deutlich, dass keine Unterhaltsregelung, sondern eben eine Aufteilungsregelung getroffen worden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die im Aufteilungsverfahren ergangene Entscheidung sei kein Unterhaltstitel im Sinn des § 258 Abs 4 lit a und b ASVG und auch keine Unterhaltsvereinbarung im Sinn der lit c dieser Gesetzesstelle. Der Zuspruch der Ehewohnung könne weder rechtlich noch wirtschaftlich dahin ausgelegt werden, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin Beiträge zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs habe leisten wollen oder geleistet hätte. Dies gehe schon daraus hervor, dass die Klägerin eine nicht unbedeutende Abschlagszahlung habe leisten müssen. Außerdem müsse die Unterhaltsverpflichtung nicht nur dem Grunde nach feststehen, sondern aus dem Unterhaltstitel müsse auch die Anspruchshöhe bestimmt hervorgehen oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sein. Dem werde aber der Spruch der Entscheidung im Aufteilungsverfahren nicht gerecht, weil darin eine konkrete Unterhaltsleistung nicht festgelegt werde und selbst bei ziffernmäßiger Kenntnis der Höhe der Monatsmiete schon infolge der Abschlagszahlung von S 80.000,-- auch nicht ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar wäre. Die Voraussetzungen des im § 258 Abs 4 lit d ASVG geregelten Falles seien schon deshalb nicht erfüllt, weil der geschiedene Ehemann der Klägerin vor Ablauf der in dieser Gesetzesstelle genannten Jahresfrist verstorben sei. Die von der Klägerin dargelegten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 258 Abs 4 ASVG könnten nicht geteilt werden.
In ihrer Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung. Vorweg ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf deren Gesamtrechtsnachfolgerin "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov, BGBl I 2002/1).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Witwenpension gebührt gemäß § 258 Abs 4 ASVG nach Maßgabe der
dieser Bestimmung vorangehenden Absätze auch der Frau, deren Ehe mit
dem Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden
worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt
(einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw Unterhalt geleistet
hat, und zwar
a) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles,
b) auf Grund eines gerichtlichen Vergleiches,
c) auf Grund einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe
eingegangenen vertraglichen Verpflichtung,
d) regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab dem Zeitpunkt nach
der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während
der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, wenn die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau nicht eine neue Ehe geschlossen hat.
Das Vorliegen der Fallgruppen der lit b (ein gerichtlicher Vergleich) und der lit c (ein vor Auflösung der Ehe eingegangene vertragliche Verpflichtung) wurde von den Vorinstanzen zutreffend verneint und wird von der Revisionswerberin auch nicht releviert. Den Revisionsausführungen lässt sich nicht deutlich entnehmen, ob das Klagebegehren auf § 258 Abs 4 lit a (gerichtliches Urteil) gestützt wird. Es liegt auch kein gerichtliches Urteil vor, dass eine Unterhaltspflicht des Versicherten festlegte. Nach ständiger, von der Revisionswerberin insoweit gar nicht in Frage gestellter Rechtsprechung reicht entgegen einzelnen in der Lehre vertretenen Meinungen (vgl Rummel, ZAS 1978, 114 ff; Kerschner, ZAS 1982, 110 f) ein bloßer Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil nicht aus, sondern es bedarf eines Urteiles, das über die Unterhaltspflicht an sich abspricht (SSV-NF 5/127; 13/34). Das Vorliegen eines nur den Anspruch auf Unterhalt begründenden abstrakten Tatbestandes nach dem Ehegesetz genügt nicht als Anspruchsvoraussetzung nach § 258 Abs 4 ASVG (vgl RIS-Justiz RS008571). Aus den Revisionsausführungen geht nicht klar hervor, ob die Klägerin die Auffassung vertritt, die im Aufteilungsverfahren ergangene Entscheidung sei - obgleich ein Beschluss - ein gerichtliches Urteil im Sinn des § 258 Abs 4 lit a ASVG. Auch dies ist schon deshalb zu verneinen, weil der Beschluss nicht über eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten abspricht:
Unterhalt ist ein Beitrag zur Deckung der laufenden und künftigen Bedürfnisse. Davon geht eindeutig die gesamte Regelung des § 258 ASVG aus. Eine laufend zu erfüllende Pensionsverpflichtung tritt an die Stelle einer gleichartigen Unterhaltsverpflichtung (vgl Selb, Glosse zu ZAS 1991/6). Unterhalt nach der Scheidung ist Geldunterhalt (§ 70 Abs 1 Satz 1 EheG). Es spricht aber grundsätzlich nichts dagegen, dass die Unterhaltszahlung in der Form geleistet wird, dass der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsbeträge nicht unmittelbar dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stellt, sondern die Beträge vereinbarungsgemäß dazu verwendet, um damit dem Unterhaltsberechtigten belastende Verbindlichkeiten abzudecken. Damit steht dem Unterhaltsberechtigten aus eigenem Einkommen ein um die laufenden Verbindlichkeiten erhöhter Betrag für Zwecke des Unterhaltes zur Verfügung. Die vereinfachte Zahlungsweise, die Umwegsüberweisungen verhindert, nimmt, wenn dem eine Unterhaltsvereinbarung zugrundeliegt, dieser Zahlung nicht den Charakter einer Unterhaltsleistung (10 ObS 252/02k; 1 Ob 173/01z; SSV-NF 4/75 = JBl 1991, 56 = ZAS 1991/6 [Selb]).
Unterhalt ist aber nicht Gegenstand der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung, zu der auch die Frage der Zuweisung der Ehewohnung gehört (§§ 87 f EheG) [vgl 10 ObS 252/02k]. Die gemäß § 87 Abs 2 EheG getroffene Anordnung, dass die Klägerin anstelle des Versicherten in den Mietvertrag eintritt, ist eine dem Gegenstand des Aufteilungsverfahrens entsprechende Gestaltung der Vermögensauseinandersetzung, hat aber keinen Unterhaltscharakter. Die Zuweisung der Ehewohnung nach § 87 Abs 2 EheG wirkt ex nunc (Stabentheiner in Rummel3, ABGB II/4 § 87 EheG Rz 2). Die Klägerin wurde Mieterin und damit Schuldnerin der Mietzinses und der sonstigen Kosten der Wohnung. Von einer Gewährung des Unterhaltes in natura durch den Versicherten ab dem Eintritt der Klägerin in den Mietvertrag kann daher keine Rede sein. Dass der Versicherte weiterhin bis zu seinem Tod die Wohnungskosten der Klägerin bestritten hätte, wurde nicht behauptet.
Damit scheidet auch § 258 Abs 4 lit d ASVG als Anspruchsgrundlage aus, der nicht voraussetzt, ob nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein Anspruch auf Unterhalt bestand (SSV-NF 13/67 mwN). Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung hat diese ua zur Voraussetzung, dass der Versicherte mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs beitrug. Dies hat der Versicherte nicht getan. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die von der Klägerin in ihren Revisionsausführungen unter verschiedenen Aspekten als verfassungswidrig kritisierten, sich nur auf die Fälle des § 258 Abs 4 lit a bis c ASVG beziehende Rechtsprechung (SSV-NF 13/67), wonach in diesen Fällen aus dem Titel auch die (monatliche) Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar hervorgehen muss (SZ 69/121; RIS-Justiz RS0085196), die die Klägerin auch auf § 258 Abs 4 lit d ASVG bezieht und daraus eine Verfassungswidrigkeit dieser Norm ableitet.
Da die Revisionswerberin vom Obersten Gerichtshof nicht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages verlangen kann, war ihr darauf abzielender Antrag zurückzuweisen (SSV-NF 6/51; SSV-NF 9/34 ua). Die Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung steht im Ermessen des Obersten Gerichtshofes (SZ 66/97; SSV-NF 16/23). Ein Anlass dazu ist jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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