Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 21. 1. 1941 geborene Kläger schloss am 31. 1. 2000 mit seiner vormaligen Dienstgeberin eine Vereinbarung, mit der das Dienstverhältnis per 25. 4. 2000 durch einvernehmliche Auflösung beendet wurde.
Am 11. 2. 2001 stellte der Kläger an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten folgende "Anfrage wegen vorzeitiger Alterspension":
"Da ich am 21. Jänner 2001 das 60. Lebensjahr vollendet habe, möchte ich anfragen, ob nun mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine vorzeitige Alterspension auf Grund langer Versicherungsdauer oder aber auf Grund von Arbeitslosigkeit möglich ist. Mein Dienstverhältnis wurde am 31. 1. 2000 per Ende April 2000 zur Auflösung gebracht und ich beziehe seit Anfang Mai v.J. Arbeitslosengeld.
Des weiteren habe ich Beiträge zur gesetzlichen Höherversicherung geleistet und ersuche Sie hier ebenso mir mitzuteilen, ob ich daraus eine Pension ab Vollendung des 60. Lebensjahres beziehen kann."
Da diese Anfrage seitens der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten unbeantwortet blieb, verfasste der Kläger am 20. 3. 2001 eine "Urgenz zu meiner Anfrage wegen vorzeitiger Alterspension", in der er ersuchte, kurzfristig Bescheid zu erhalten, damit er nicht irgendwelche Termine versäume.
Diese weitere Anfrage überschnitt sich mit der Beantwortung durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit Schreiben vom 21. 3. 2001. Laut der Antwort wurde im Hinblick auf das Anfallsalter - Vollendung des 724. Lebensmonats (60 Jahre und 4 Monate) - zum Stichtag 1. 6. 2001 eine Prüfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension vorgenommen. Hingewiesen wurde in der Antwort auch darauf, dass die Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer beantragt werden müsse. Hierauf stellte der Kläger am 30. 3. 2001 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum Stichtag 1. 6. 2001, "soweit er tatsächlich der frühestmögliche für eine vorzeitige Alterspension ist, insb auch unter Berücksichtigung sämtlicher Übergangsbestimmungen ...". Mit Bescheid vom 6. 6. 2001 hat die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 6. 2001 anerkannt und ausgesprochen, dass die Pension ab 1. 6. 2001 monatlich brutto 32.481,30 S (2.360,51 EUR) beträgt. Das Erstgericht hat die gegen diesen Bescheid erhobene, auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 2. 2001 gerichtete Klage abgewiesen. Wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr im Jänner, Februar oder März 2001 vollendet habe, bestehe ein Anspruch auf eine Pensionsleistung nach § 253b ASVG idF BGBl I 2000/101 ab Vollendung des 724. Lebensmonats. Die Übergangsbestimmung des § 588 Abs 15 ASVG treffe lediglich auf Versicherte zu, die nach der am 30. 9. 2000 geltenden Rechtslage Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG spätestens mit Stichtag 1. 2. 2001 hätten und deren Arbeitsverhältnis nachweislich bis zum 30. 6. 2000 zu einem Termin zwischen dem 31. 8. 2000 und dem 31. 12. 2000 nachweislich wegen Inanspruchnahme der Pension gelöst worden sei. Auf den Kläger könne diese Schutzbestimmung nicht Anwendung finden.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass Leistungen aus der Pensionsversicherung gemäß § 361 Abs 1 Z 1 ASVG grundsätzlich nur auf Antrag zu gewähren seien. Aus dem Schreiben des Klägers vom 11. 2. 2001 gehe völlig eindeutig hervor, dass es sich lediglich um eine Anfrage des Klägers an die Beklagte über das Bestehen eines Anspruchs "auf vorzeitige Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer oder aber aufgrund von Arbeitslosigkeit" handle. Ein auf Leistung einer vorzeitigen Alterspension gerichtetes Begehren könne dem Schreiben nicht entnommen werden. Dementsprechend könne darin - selbst bei großzügiger Beurteilung - auch kein Antrag auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erblickt werden. Auf dieser Grundlage ergebe sich, dass der Kläger einen Antrag auf vorzeitige Alterspension erst am 30. 3. 2001 gestellt habe. Der Kläger habe das 60. Lebensjahr am 21. 1. 2001 vollendet. Gemäß § 86 Abs 3 Z 2 ASVG käme daher selbst bei Anwendung des § 253b Abs 1 ASVG in der zum 30. 9. 2000 geltenden Fassung ein Pensionsanfall frühestens mit 1. 4. 2001 in Betracht. Die vom Kläger angestrebte teleologische Reduktion des § 588 Abs 15 ASVG erscheine nicht angezeigt. Die vom Kläger vorgenommene Auslegung laufe nur darauf hinaus, gegen den Wortlaut des § 588 Abs 15 ASVG alle Personen in ihrem Vertrauen auf die geltende Rechtslage zu schützen, über deren Dienstverhältnis bis 30. 6. 2000 disponiert worden sei, ohne dass es noch auf den gewählten Endzeitpunkt ankäme. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zwecksetzung der Regelung treffe auf Versicherte nicht zu, die - wie der Kläger - ihr Dienstverhältnis bereits zu einem deutlich vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung liegenden Termin beendet hätten. Auch eine Verfassungswidrigkeit des § 588 Abs 15 ASVG unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes müsse verneint werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Eingangs ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF der 59. ASVGNov BGBl I 2002/1).
Die Gewährung von Leistungen aus der Pensionsversicherung setzt einen Antrag voraus (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG; RIS-Justiz RS0085092). Bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger muss der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden (SSV-NF 2/52, 4/22 ua; RIS-Justiz RS0085092 [T8], RS0086444 [T2], RS0086446). Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags lässt sich freilich auch aus den Grundsätzen sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 4/21, 5/35, 11/156 ua; RIS-Justiz RS0085092 [T5]). Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die "Anfrage" des Klägers vom 11. 2. 2001 selbst bei großzügiger Beurteilung nicht als Antrag auf eine Pensionsleistung angesehen werden kann. Es lässt sich dem Schreiben keineswegs "unzweifelhaft" erkennen, dass der Kläger bereits damit eine Pensionsleistung begehrt. Vielmehr ersuchte er um eine Information. Diese Vorgangsweise ist im Zusammenhang mit den im Jahr 2000 stattgefundenen Pensionsreformen, die ua eine (schrittweise) Anhebung des Anfallsalters bei den Formen der vorzeitigen Alterspension mit sich brachten, nicht unverständlich.
Mangels eines Antrags bestand für den Versicherungsträger auch kein Anlass, den mit einem Antrag verfolgten Parteiwillen - etwa durch Vernehmung der Partei - klarzustellen (vgl RIS-Justiz RS0085092 [T3]). Selbst dann, wenn man die Anfragen des Klägers vom 11. 2. und 20. 3. 2001 als Anträge qualifizierte, wäre für ihn nichts gewonnen, da ein Anspruch auf die begehrte Leistung nach den einschlägigen Bestimmungen des ASVG ohnedies erst ab 1. 6. 2001 bestehen konnte. Nach dem vorhin Gesagten ist davon auszugehen, dass der Kläger erst am 30. 3. 2001 einen Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum Stichtag 1. 6. 2001 gestellt hat, "soweit er tatsächlich der frühestmögliche für eine vorzeitige Alterspension ist, insb auch unter Berücksichtigung sämtlicher Übergangsbestimmungen ...".
Im Hinblick auf § 86 Abs 3 Z 2 ASVG kommt als frühestmöglicher Stichtag der 1. 4. 2002 in Betracht. Zu diesem Stichtag hatte der Kläger allerdings den 724. Lebensmonat (§ 253b Abs 1 iVm § 588 Abs 6 Z 1 ASVG) noch nicht vollendet. Aufgrund der Gesetzeslage nach dem Inkrafttreten des SRÄG 2000 (BGBl I 2000/92 bzw 101) kommt für ihn der Stichtag 1. 6. 2001 in Betracht. Die Übergangsbestimmung des § 588 Abs 15 ASVG ist damit auf den Kläger nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht anzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in einer Reihe von Entscheidungen mit der Frage befasst, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegen die schrittweise Anhebung des Anfallsalters bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer bestehen (10 ObS 330/02f; ebenso 10 ObS 205/02y, 10 ObS 206/02w und 10 ObS 219/02g) und diese Bedenken mit eingehender Begründung verneint. Der erkennende Senat sieht auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Sonderbestimmung des § 588 Abs 15 ASVG, die als Teil einer Gruppe von "abfedernden" Übergangsbestimmungen zu sehen ist. Der einfache Gesetzgeber ist im Zusammenhang mit der Schaffung von Übergangsbestimmungen durchaus legitimiert, Personen aus dem Schutz von Übergangsbestimmungen auszunehmen, die durch eine Novellierung nicht mehr unmittelbar in ihrer Lebensplanung betroffen werden, etwa weil sie - wie der Kläger - ihr Arbeitsverhältnis nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Pension gelöst haben, sondern bereits lange vor dem Zeitpunkt, zu dem sie - selbst bei unveränderter Rechtslage - Anspruch auf eine Pension erlangten. Davon abgesehen ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass bei der Beurteilung einer Norm unter dem Blickwinkel ihrer Verfassungskonformität von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen ist; dass sich vereinzelt Härtefälle ergeben können muss unberücksichtigt bleiben (VfSlg 11.665 = ZAS 1988/29; SSV-NF 4/153). Ein bestimmter "geschäftlicher Usus" bei großen Konzernen vermag für sich allein einer Gesetzesnovellierung nicht ihre "sachliche Rechtfertigung" zu nehmen.
Der Revision des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)