OGH 10ObS377/02t

OGH10ObS377/02t14.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Thomas Albrecht (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz T*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 2002, GZ 7 Rs 263/02a-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Mai 2002, GZ 5 Cgs 2/02x-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2002 zu gewähren, wird abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters 319,70 EUR (darin 53,28 EUR Umsatzsteuer) an Kosten des Verfahrens erster Instanz, 364,39 EUR (darin 60,73 EUR Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens und 249,84 EUR (darin 41,64 EUR Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist am 17. 12. 1941 geboren. Zu dem für ihn relevanten Stichtag (1. 1. 2002) hat er das 60. Lebensjahr vollendet und 481 Beitragsmonate erworben.

Mit Bescheid vom 20. 12. 2001 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit der Begründung abgelehnt, dass der Versicherte Anspruch auf diese Pensionsleistung nach Vollendung des 60. Lebensjahres habe, wenn und sobald er 540 Beitragsmonate erworben habe. Der Kläger erfülle diese Anspruchsvoraussetzung nicht, weil er zum Stichtag nur 481 Beitragsmonate erworben habe.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 1. 2002 gerichtete Klage ab und schloss sich dem im Bescheid vertretenen Rechtsstandpunkt an.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. 1. 2002 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und eine vorläufige Zahlung von 600 EUR monatlich zu erbringen.

Die (zeitlich begrenzte) Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters sei auch bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG (Gleichbehandlungsrichtlinie; im Folgenden "Richtlinie") grundsätzlich zulässig. Darauf komme es aber im vorliegenden Fall nicht entscheidend an.

In § 588 Abs 7 ASVG sei nämlich für Frauen, die die vorzeitige Alterspension - wie früher - mit 55 Jahren in Anspruch nehmen wollten, eine Anhebung der hiefür erforderlichen Beitragszeit von ursprünglich 420 auf nunmehr 480 Beitragsmonate vorgenommen worden, während Männer, die dieselbe Leistung mit dem früheren Antrittsalter von 60 Jahren beanspruchen wollten, anstatt der ursprünglich ebenfalls 420 Beitragsmonate nunmehr den Erwerb von insgesamt 540 Beitragsmonaten nachweisen müssten. Mit der Schlussbestimmung zum Sozialrechtsänderungsgesetz 2000 sei also gegenüber der ursprünglichen Regelung, die hinsichtlich der Beitragszeiten - ebenso wie § 253b Abs 1 Z 2 lit b ASVG idgF - trotz des unterschiedlichen Anfallsalters für Männer und Frauen in gleicher Weise 420 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung normiert habe, nunmehr für die von der Übergangsbestimmung erfassten Versicherten eine neue geschlechtsspezifische Diskriminierung eingeführt worden: Während für weibliche Versicherte die erforderliche Beitragszeit lediglich um 60 Monate angehoben worden sei, sei betreffend die männlichen Versicherten eine Anhebung im doppelten Ausmaß, nämlich um 120 Beitragsmonate erfolgt. Wegen des dadurch erschwerten Zuganges könnten nur wesentlich weniger Männer die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, diese Pensionsleistung mit dem ursprünglichen Pensionsalter zu beziehen, in Anspruch nehmen. Dies zeige sich gerade im Fall des Klägers, dem die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit Vollendung des 60. Lebensjahres zuerkannt werden müsste, hätte der Gesetzgeber die erforderliche Beitragszeit geschlechtsneutral auch für männliche Versicherte nur um 60 Monate auf insgesamt 480 Beitragsmonate angehoben.

Ausnahmen von der Gleichbehandlungsrichtlinie seien eng auszulegen. Setze ein Mitgliedstaat unter Berufung auf Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie für die Gewährung der Alters- und Ruhestandsrente für Männer und Frauen ein unterschiedliches Alter fest, so sei der von der Richtlinie definierte Anwendungsbereich der zugelassenen Ausnahme auf solche in anderen Leistungssystemen bestehende Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dieser unterschiedlichen Altersgrenze verbunden seien. Eine solche Verbindung bestehe, wenn die Diskriminierungen objektiv erforderlich seien, um zu verhindern, dass das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet werde, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten. Zwar könnten sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats Haushaltserwägungen zu Grunde liegen; sie könnten allerdings eine Diskriminierung nach dem Geschlecht nicht rechtfertigen. Besonders schwerwiegende finanzielle Beeinträchtigungen für das gesamte System der sozialen Sicherheit in Österreich seien vom beklagten Versicherungsträger weder vorgebracht worden noch lägen hiefür irgendwelche Anhaltspunkte vor. Haushaltserwägungen könnten daher die Diskriminierung männlicher Versicherter durch die Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG keinesfalls rechtfertigen. Auch Gründe der Kohärenz zwischen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) und der Alterspension (§ 253 ASVG) könnten die unterschiedliche Anhebung der Beitragszeiten für männliche und weibliche Versicherte nicht rechtfertigen. Die Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG stehe daher im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie, zumal diese Bestimmung nicht auf den Abbau zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerichtet sei, sondern eine neue Geschlechterdiskriminierung eingeführt habe. Auf Grund der unmittelbaren Wirkung des Art 4 Abs 1 der Richtlinie sei daher § 253b Abs 1 ASVG idgF iVm § 588 Abs 7 auf den Kläger so anzuwenden, dass auf Grund des unbestrittenen Erwerbes von über 480 Beitragsmonaten zum Stichtag 1. 1. 2002 als Anspruchsvoraussetzung für die angestrebte Versicherungsleistung 480 Beitragsmonate (anstelle der vorgesehenen 540 Beitragsmonate) ausreichend seien. Da das Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht strittig sei, sei das Klagebegehren dem Grunde nach berechtigt und der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung aufzutragen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

In ihren Revisionsausführungen beruft sich die beklagte Partei in erster Linie darauf, dass das um fünf Jahre unterschiedliche Alter für die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer in Österreich in Einklang mit dem Diskriminierungsverbot der Richtlinie 79/7/EWG stehe (gerechtfertigte Ausnahme nach Art 7 Ab 1 lit a Richtlinie) und dass auch die für beide Geschlechter einheitlich vorgesehene Anhebung des Pensionsalters um jeweils 18 Monate keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darstelle. Mit dieser Ausgangsrechtslage müsse die Regelung des § 588 Abs 7 ASVG in Zusammenhang stehend betrachtet werden. Ziel dieser Regelung sei es, jene Versicherten zu schützen, die eine lückenlose Versicherungskarriere aufweisen. Die aus normtechnischen Gründen gewählte Fassung habe dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass ab frühestmöglichem Beginn die Versicherungskarriere bei Frauen 40, bei Männern aber 45 Jahre betrage. Bei einer Feststellung eines einheitlichen Ausmaßes für beide Geschlechter hätte der österreichische Gesetzgeber eine gemeinschaftsrechtlich nicht zu rechtfertigende (indirekt) diskriminierende Maßnahme gesetzt. Wären nämlich beispielsweise für beide Geschlechter 45 Jahre verlangt worden, wären Frauen von dieser Schutzregelung zur Gänze ausgeschlossen worden; wären hingegen für beide Geschlechter etwa nur 40 Jahre verlangt worden, hätten Männer de facto die Schutzregelung viel leichter erfüllen können, da nur diesem Geschlecht fünf Jahre Lücken in der Versicherungskarriere erlaubt gewesen wären. Die geltende Rechtslage habe daher die einzige Möglichkeit dargestellt, eine nicht diskriminierende Rechtslage sicherzustellen. Auch aus der EuGH-Rechtsprechung ergebe sich, dass sich das erlaubterweise unterschiedliche Pensionsalter durchaus auch auf die Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der Leistungen auswirken könne. § 588 Abs 7 ASVG widerspreche daher keinesfalls der Richtlinie. Des Weiteren sei anzumerken, dass mit der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG keine auf Dauer angelegte Regelung geschaffen worden sei, sondern nur ein Übergang zwischen der zum Stichtag 1. 9. 2000 geltenden und der vom Geburtstag unabhängigen Gesetzeslage als Einschleifbestimmung geschaffen worden sei. Diese Übergangsbestimmung erweise sich somit mit fortschreitenden Kalenderjahren als obsolet.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Eingangs sei festgehalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei amtswegig von "Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit 1. 1. 2003 alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I Nr 1/2002).

Nach § 253b Abs 1 ASVG idF vor der Änderung durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG 2000, BGBl I Nr 92/2000) hatte der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, wenn neben anderen Voraussetzungen die Wartezeit (§ 236) erfüllt ist (Z 1), am Stichtag 450 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate (Z 2 lit a) oder 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erworben sind (Z 2 lit b). Durch das SRÄG 2000 wurde das Zugangsalter für die vorzeitigen Alterspensionen beginnend mit 1. Oktober 2000 so angehoben, dass im Dauerrecht ab 1. Oktober 2002 ein Anfallsalter von 61 ½ Jahren für Männer und 56 ½ Jahren für Frauen erreicht wird. Die weitere erwähnte Anspruchsvoraussetzung, dass die Wartezeit erfüllt ist und am Stichtag 450 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate oder 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erworben sind, blieb hingegen unverändert.

Zur Vermeidung von Härten im Zuge der Anhebung des Anfallsalters für die vorzeitigen Alterspensionen sah der Gesetzgeber in der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG vor, dass für männliche Versicherte, die vor dem 1. Oktober 1945 geboren sind, und für weibliche Versicherte, die vor dem 1. Oktober 1950 geboren sind, das am 30. 9. 2000 in Geltung gestandene Anfallsalter (60 Jahre für Männer bzw 55 Jahre für Frauen) maßgebend sein soll, wenn und sobald der Versicherte 540 Beitragsmonate bzw die Versicherte 480 Beitragsmonate erworben hat. Hiebei werden auch bis zu 12 Ersatzmonate an Präsenz- oder Zivildienstzeiten und bis zu 60 Ersatzmonate an Kindererziehungszeiten berücksichtigt, soweit sie sich nicht mit Beitragsmonaten decken. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 181 BlgNR 21. GP 32 soll damit für männliche Versicherte mit 45 Beitragsjahren und für weibliche Versicherte mit 40 Beitragsjahren die Hinaufsetzung des Pensionsanfallsalters nicht wirksam sein, sofern sie dem Pensionsanfallsalter nahe sind. Wie die beklagte Partei in ihren Revisionsausführungen zutreffend aufzeigt, zielt diese Regelung somit darauf ab, jene Versicherten zu schützen, die eine lückenlose Versicherungskarriere aufweisen. Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass bei einem frühestmöglichen einheitlichen Beginn einer Versicherungskarriere (mit Vollendung des 15. Lebensjahres) die Versicherungskarriere im Hinblick auf das unterschiedliche Pensionsansfallsalter bei Frauen 40 Jahre und bei Männern 45 Jahre beträgt. Durch das SRÄG 2000 erfolgte somit zwar eine schrittweise Anhebung des Pensionsanfallsalters für vorzeitige Alterspensionen, jedoch keine Erhöhung der Anzahl der für die Leistungsgewährung erforderlichen Versicherungs- und Beitragsmonate. Auch die Bestimmung des § 588 Abs 7 ASVG hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keine für Männer und Frauen unterschiedliche "Anhebung" der für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erforderlichen Anzahl der Beitragsmonate der Pflichtversicherung (im Dauerrecht) zum Inhalt, sondern es umschreibt diese Regelung lediglich jenen Personenkreis, der nach dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen einer Übergangsbestimmung von der Anhebung des Pensionsanfallsalters ausgenommen sein soll.

Es ist im Folgenden zu prüfen, ob die Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG, wie dies vom Kläger geltend gemacht wird, im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie steht oder in der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie Deckung findet.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet gemäß Art 4 der Richtlinie den Fortfall jeglicher unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, insbesondere betreffend den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen. Nach Art 7 Abs 1 Buchstabe a steht die Richtlinie aber nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Kläger in den persönlichen Geltungsbereich der Richtlinie fällt, die strittige Leistung zum sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie gehört und die hier maßgebende Bestimmung des § 588 Abs 7 ASVG insofern diskriminierenden Charakter hat, als sie bei Männern das Vorliegen einer höheren Anzahl von Beitragsmonaten als bei Frauen verlangt. Entscheidend ist somit, ob die in Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit auf die Bestimmung des § 588 Abs 7 ASVG anwendbar ist. Es wird dabei auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt, dass die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b ASVG als "Altersrente" im Sinne der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie zu qualifizieren ist und eine geschlechtsspezifische Festsetzung des Rentenalters daher grundsätzlich zulässig ist (vgl auch 10 ObS 334/01t).

Es trifft zwar zu, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH diese in Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie enthaltene Möglichkeit einer Ausnahme eng auszulegen ist (vgl insbesondere das Urteil vom 23. Mai 2000 in der Rechtssache C-104/98 , Buchner, Slg 2000, I-3625, Randnr 21; Urteil vom 22. Oktober 1998 in der Rechtssache C-154/96 , Wolfs, Slg 1998, I-6173 Randnr 24 und vom 30. März 1993 in der Rechtssache C-328/91 , Thomas ua, Slg 1993, I-1247, Randnr 8). Da sich diese Ausnahmebestimmung auf die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente bezieht, betrifft sie somit eindeutig den Zeitpunkt, von dem an die Renten gewährt werden können. Dagegen nimmt diese Bestimmung nicht ausdrücklich auf Diskriminierungen hinsichtlich der Dauer der Beitragspflicht für die Rente oder deren Berechnung Bezug. Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen aber auch diese Diskriminierungen unter die Ausnahmebestimmung, wenn sie zur Erreichung der Ziele erforderlich sind, die die Richtlinie damit verfolgt, dass sie den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung eines unterschiedlichen gesetzlichen Rentenalters für Männer und Frauen lässt. Da mit der Bestimmung des Zugangsalters auch die typisierende Festlegung der für die Altersrente notwendigen Beiträge, insbesondere die Beitragsdauer, verbunden ist, hat der EuGH es zugelassen, dass - bei gleichem Rentenzahlbetrag - für die frühere Altersrente an Frauen weniger Beitragsjahre verlangt werden als für die spätere Altersrente an Männer (EuGH, Rs C-9/91 , Queen, Slg 1992, I-4297, Randnr 13 ff; Steinmeyer in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht3 657 ua). Die Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 Buchstabe a erlaubt daher nach Auffassung des EuGH nicht nur die ausdrücklich genannte unterschiedliche Festsetzung des Zeitpunkts der Auszahlung der Altersrenten, sondern auch Bestimmungen, die eine unterschiedliche Dauer der Beitragsleistungen zur Folge haben.

Der Bereich der zulässigen Ausnahme ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH allerdings auf Diskriminierungen beschränkt, die notwendig und objektiv mit dem unterschiedlichen Rentenalter verbunden sind (EuGH, Rs C-377/96 bis C-384/96 , De Vriendt ua, Slg 1998, I-02105, Randnr 25 mwN ua). So ist ein Mitgliedstaat, der in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein unterschiedliches Rentenalter für männliche und weibliche Arbeitnehmer aufrecht erhalten hat, berechtigt, die Höhe der Rente je nach dem Geschlecht des Arbeitnehmers verschieden zu berechnen. Die Festsetzung des Rentenalters bestimmt tatsächlich den Zeitraum, während dessen die Betroffenen Beiträge zur Rentenversicherung entrichten können. Wenn ein unterschiedliches Rentenalter aufrecht erhalten worden ist, ist eine unterschiedliche Art der Berechnung der Renten notwendig und objektiv mit diesem Unterschied verbunden und fällt daher unter die in Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie vorgesehene Ausnahme (EuGH, Rs C-377/96 bis C-384/98 , De Vriendt ua, Slg 1998, I-02105, Randnr 27 ff; Rs C-154/96 , Wolfs, Slg 1998, I-06173, Randnr 28 ff). Diesen beiden Urteilen lag zu Grunde, dass in der belgischen Rentenversicherung für Frauen mit 60 und für Männer mit 65 Jahren die Möglichkeit des Übertritts in den Ruhestand bestand. Die Berechnung der Renten erfolgte für Männer und Frauen unterschiedlich auf der Grundlage einer angenommenen Erwerbstätigkeit von 45 bzw 40 Jahren. Nach einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit von 40 Jahren für Frauen und von 45 Jahren für Männer konnten die Berechtigten eine volle Rente beanspruchen. Bei einer geringeren Dauer beitragspflichtiger Berufstätigkeit wurde die Höhe der Rentenleistung in Bruchteilen (1/40 bzw 1/45) der Bemessungsgrundlage errechnet.

In der Entscheidung vom 30. 1. 1997, Rs C-139/95 , Balestra, Slg 1997, I-0549, hat der EuGH in Randnummer 39 ff ausgeführt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt. Der EuGH hat in diesem Urteil weiters dargelegt, dass bei einem zulässigen unterschiedlichen Rentenalter der Mitgliedstaat auch bestimmen kann, dass Arbeitnehmer bestimmter Unternehmen für die Zeit vom Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bis zur Erreichung des Alters, in dem sie eine Altersrente verlangen können, Anspruch auf eine Gutschrift zusätzlicher Rentenbeiträge bis zur Höchstgrenze von fünf Jahren haben, weil die bei der Methode zur Berechnung der Vorruhestandsleistungen vorgenommene Unterscheidung nach dem Geschlecht objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist. Der EuGH sah bei der in Italien vorgesehenen Regelung, auf Grund derer fiktive Beiträge zwischen der tatsächlichen Aufgabe der Erwerbstätigkeit und längstens dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) für höchstens fünf Jahre gutgeschrieben wurden, einen Zusammenhang zwischen der Altersrenten- und der Vorruhestandsregelung; die Wahrung dieser Kohärenz sei notwendig, da ihre Aufhebung zu anderen Diskriminierungen führen könne.

In der Entscheidung vom 23. 5. 2000, Rs C-196/98 , Hepple, Slg 2000, I-3701, Randnr 23 ff, hat der EuGH dargelegt, dass die zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalters auch nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie den Erlass von Maßnahmen rechtfertigen kann, die untrennbar mit dieser Ausnahmeregelung verbunden sind, sowie die Änderung derartiger Maßnahmen erforderlich machen. Der Ausnahme in Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie würde nämlich ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn ein Mitgliedstaat, der für Männer und Frauen ein unterschiedliches Rentenalter festgesetzt hat, nach Ablauf der Umsetzungsfrist keine damit zusammenhängenden Maßnahmen erlassen oder ändern dürfte. Der EuGH kam daher zu dem Ergebnis, dass die Ausnahme in Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie auch auf eine nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht eingeführte Leistung anwendbar ist, wenn die Diskriminierung objektiv und notwendig mit dem für Männer und Frauen unterschiedlichen Rentenalter zusammenhängt.

Letztere Vorausetzung ist auch im vorliegenden Fall erfüllt. Nach der hier strittigen Bestimmung des § 588 Abs 7 ASVG sollen Versicherte, die dem Pensionsanfallsalter (60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen) nahe sind, ganz offenbar aus Gründen des Vertrauensschutzes von der Hinaufsetzung des Pensionsanfallsalters nicht betroffen sein. Der Gesetzgeber hat diesen Personenkreis dahin umschrieben, dass es sich dabei um männliche Versicherte, die vor dem 1. 10. 1945 geboren sind und 540 Beitragsmonate erworben haben, bzw um weibliche Versicherte, die vor dem 1. 10. 1950 geboren sind und 480 Beitragsmonate erworben haben, handeln muss. Der Gesetzgeber wollte damit den männlichen und weiblichen Versicherten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der schrittweisen Anhebung des Pensionsanfallsalters bereits 55 bzw 50 Jahre alt waren, einen Pensionsantritt zum bisherigen Anfallsalter von 60 bzw 55 Jahren unter der Voraussetzung ermöglichen, dass sie bei einem frühestmöglichen einheitlichen Beginn einer Versicherungskarriere (mit Vollendung des 15. Lebensjahres) einen durchgehenden Versicherungsverlauf (45 Jahre bei Männern und 40 Jahre bei Frauen) aufweisen können. Da die (zulässige) Festsetzung des unterschiedlichen Rentenalters auch tatsächlich den Zeitraum bestimmt, während dessen die Betroffenen Beiträge zur Rentenversicherung entrichten können, zeigt sich, dass eine Diskriminierung bei der Anzahl der für einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension nach der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG erforderlichen Beitragsmonate notwendig und objektiv mit dem hinsichtlich der Festsetzung des Rentenalters aufrecht erhaltenen Unterschied verbunden ist, da sie sich unmittelbar aus der Tatsache ergibt, dass das Rentenalter bisher für Männer mit 60 und für Frauen mit 55 Jahren festgesetzt war (vgl EuGH, Rs C-377/96 bis C-384/96 , De Vriendt ua, Slg 1998, I-02105, Randnr 29 f, Rs C-154/96 , Wolfs, Slg 1998, I-06173, Randnr 28 f; Rs C-139/95 , Balestra, Slg 1997, I-0549, Randnr 39 f ua). Außerdem würde die vom Kläger gewünschte Lösung, wie die beklagte Partei in ihren Revisionsausführungen zutreffend ausführt, ihrerseits zu einer Diskriminierung der weiblichen Arbeitnehmer führen. So wären bei einer einheitlich verlangten Anzahl von 540 Beitragsmonaten die Frauen de facto zur Gänze von dieser Übergangsbestimmung ausgeschlossen worden und auch bei einheitlichen 480 Beitragsmonaten hätten die männlichen Versicherten de facto die Voraussetzungen viel leichter erfüllen können, weil ihnen in diesem Fall Lücken in ihrer Versicherungskarriere bis zum Ausmaß von fünf Jahren nicht geschadet hätten, während weibliche Versicherte eine ununterbrochene Versicherungskarriere aufweisen müssten. Die Diskriminierung der Männer, die sich aus der höheren Anzahl der für einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension nach der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 7 ASVG erforderlichen Beitragsmonate ergibt, ist somit eine notwendige Folge der Tatsache, dass die Frauen (bisher) mit 55 Jahren eine solche Leistung verlangen konnten, während die Männer dies erst mit 60 Jahren konnten, und fällt daher unter die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 Buchstabe a der Richtlinie 79/7 . Da, wie bereits dargelegt, nach der Rechtsprechung des EuGH die Beantwortung der Frage, ob eine Diskriminierung objektiv und notwendig mit der Festsetzung eines nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters verbunden ist, in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt, konnte der erkennende Senat diese Frage unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des EuGH dazu entwickelten Grundsätze auch ohne Einholung einer Vorabentscheidung beurteilen.

Soweit der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung verfassungsrechtliche Bedenken gegen die schrittweise Anhebung des Pensionsalters für Männer und Frauen durch das SRÄG 2000 wegen Verstoßes gegen den aus dem Gleichheitssatz des Art 7 B-VG erfließenden Vertrauensschutz, den Schutz der Unverletzlichkeit des Eigentums und das Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832, geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, dass der erkennende Senat bereits in mehreren Entscheidungen ausführlich begründet hat, warum er diese Bedenken nicht teilt (vgl 10 ObS 206/02w, 10 ObS 219/02g und 10 ObS 330/02f, auf deren Begründung im Hinblick auf § 15a OGHG verwiesen wird). Es wurde vom erkennenden Senat ebenfalls bereits ausgesprochen, dass gegen diese für Männer und Frauen in gleicher Weise geltende Anhebung des frühestmöglichen Pensionsantrittsalters auch keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken bestehen (10 ObS 49/02g). Auf die weiteren Ausführungen des Klägers über gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 253 Abs 1 ASVG ist nicht einzugehen, weil diese Ausführungen die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Alterspension betreffen, die jedoch nicht Verfahrensgegenstand ist. Der erkennende Senat sieht sich daher zu der vom Kläger angeregten Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH und Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

Da unbestritten feststeht, dass der Kläger lediglich 481 Beitragsmonate erworben hat und daher die Anspruchsvoraussetzungen für die von ihm begehrte Leistung nach § 588 Abs 7 ASVG nicht erfüllt und diese Bestimmung auch nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, war in Stattgebung der Revision der beklagten Partei das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger, der nach seinem Vorbringen und nach der Aktenlage Notstandshilfebezieher ist, die Hälfte der Kosten seines Vertreters zuzusprechen (SSV-NF 4/84 mwN ua).

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