Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die zum Stichtag (1. 8. 1999) 40 Jahre alte Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als angelernte Näherin tätig. Seit 1998 übt sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr aus. Sie kann die Tätigkeit als Wäschenäherin, Bekleidungsfertigerin und Maschinennäherin nicht mehr an allen am allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätzen ausüben, weil sie den damit in der industriellen Fertigung verbundenen Arbeiten unter besonderem und überdurchschnittlichem Zeitdruck nicht gewachsen ist. Sie kann auf Grund ihrer näher beschriebenen Leidenszustände noch ganztägig leichte und bis zu einem Drittel der täglichen Arbeitszeit mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen im Freien und in geschlossenen Räumen unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeiten und Ruhebedingungen verrichten. Tätigkeiten mit Fingergeschicklichkeit sind möglich, das Feingefühl der Hände ist erhalten. Bück- und Hebearbeiten sind um ein Drittel eines Arbeitstages zu verkürzen und gleichmäßig zu verteilen. Auszuscheiden sind Arbeiten in Kälte und Nässe, Arbeiten mit den Atemtrakt reizenden Substanzen wie extremer Staub-, Rauch- oder Gasbelastung, Arbeiten an exponierten Stellen, Nachtarbeiten und Arbeiten unter Zeitdruck. Ein normales Arbeitstempo ist ganztägig möglich.
Im Falle, dass der Klägerin Berufsschutz als Wäschenäherin oder Bekleidungsfertigerin zukommt, kommen für sie noch die Verweisungstätigkeiten einer Musternäherin und Änderungsschneiderin in Betracht. Änderungsschneider sind in der Regel Absolventen der dreijährigen Lehrausbildung zum Damen- oder Herrenkleidermacher oder Bekleidungsfertiger, die im Einzelhandel oder in darauf spezialisierten Gewerbebetrieben mit der Änderung von Kleidung befasst sind. Die Erfüllung dieser Berufsaufgaben erfolgt in geschlossenen Räumen und ist mit einer leichten körperlichen Beanspruchung verbunden. Die Tätigkeiten sind überwiegend im Sitzen und bis zu einem Viertel der täglichen Arbeitszeit auch im Stehen, von kurzfristigem Gehen unterbrochen, zu verrichten. Bis zu einem Drittel der Arbeitszeit ist eine gebückte und eine vorgebeugte Zwangshaltung gegeben. Überkopfarbeiten und Arbeiten an exponierten Stellen kommen in der Regel nicht vor. Gefordert ist ein Feingefühl der Hände, Geschicklichkeit und Tastsinn der Finger. Zeitdruck, vergleichbar dem Zeitdruck bei Akkord- und Fließbandarbeiten, besteht nicht. Ein forciertes Arbeitstempo oder Nachschichtarbeit sind nicht zu erbringen. Im Falle, dass die Klägerin keinen Berufsschutz genießt, kommen für sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Verweisungstätigkeiten einer Kontrollarbeiterin, Bürohilfskraft, Parkgaragenkassiererin, Aufseherin usw in Betracht.
Das Erstgericht wies das gegen den abweisenden Bescheid der beklagten Partei gerichtete Begehren der Klägerin, die beklagte Partei zur Gewährung einer Invaliditätspension zu verpflichten, ab. Die Klägerin könne zwar nicht mehr im zuletzt überwiegend ausgeübten Beruf als Näherin an allen am Arbeitsmarkt angebotenen Arbeitsplätzen tätig sein, sie müsse sich aber im Falle, dass sie Berufsschutz (nach § 255 Abs 2 ASVG) genieße, auf die Tätigkeiten einer Änderungsschneiderin oder Musternäherin und im Falle, dass sie keinen Berufsschutz genieße, nach § 255 Abs 3 ASVG auf die Tätigkeiten einer Kontrollarbeiterin, Bürohilfskraft usw verweisen lassen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete die Arbeitsfähigkeit der Klägerin für die vom Erstgericht näher beschriebene Tätigkeit einer Änderungsschneiderin für ausreichend, da mit dieser Tätigkeit nur eine leichte körperliche Beanspruchung und kein der Klägerin nicht mehr zumutbarer überdurchschnittlicher Zeitdruck (im Sinne eines forcierten Arbeitstempos sowie einer Akkord- und Fließbandarbeit) verbunden sei.
Dieses Urteil des Berufungsgerichtes wurde dem Vertreter der Klägerin nach der beigehefteten Übernahmsbestätigung (ebenso wie der beklagten Partei) am 27. 7. 2001 zugestellt. Die nicht verlängerbare Revisionsfrist endete gemäß § 505 Abs 2 ZPO somit am 24. 8. 2001. Die klagende Partei gab zwar ihre Revision am 24. 8. 2001 zur Post, adressierte das Rechtsmittel aber an das "Oberlandesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Marburger Kai 49, 8010 Graz". Das Rechtsmittel langte am 27. 8. 2001 beim Oberlandesgericht Graz ein. Nach sofortiger Weiterleitung gelangte das Rechtsmittel noch am selben Tag an das gemäß § 505 Abs 1 ZPO allein zuständige Prozessgericht erster Instanz.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist rechtzeitig, weil nach der Rechtsprechung die Absendung eines Rechtsmittels an ein unrichtiges Gericht der Anwendung des § 89 GOG dann nicht entgegensteht, wenn das Rechtsmittel am selben Tag, an dem es bei dem irrigerweise in der Adresse angeführten Gericht eingelangt ist, an das zuständige Gericht weitergeleitet wurde und bei diesem noch am selben Tag eingetroffen ist (SZ 24/10, RZ 1962, 42; 6 Ob 589, 615/85; 2 Ob 611/86; 1 Ob 190/99v mwN ua; RIS-Justiz RS0041653).
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Die Feststellung des medizinischen Leistungskalküls und die Frage, welche Tätigkeiten auf Grund dieses Leistungskalküles noch verrichtet werden können, gehören ebenso wie die Frage, welche Anforderungen in den genannten Verweisungsberufen an den Versicherten gestellt werden, dem Tatsachenbereich an. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist die Klägerin aber imstande, die im einzelnen festgestellten Verweisungstätigkeiten im Rahmen ihres medizinischen Leistungskalküls auszuüben. Dies gilt sowohl für den Verweisungsberuf der Änderungsschneiderin im Rahmen der Berufsgruppe der Bekleidungsfertigerinnen und Wäschenäherinnen (§ 255 Abs 2 ASVG) als auch im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG für die weiteren genannten Verweisungstätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt. Die von der Klägerin in ihren Ausführungen vertretene Ansicht, ihr Gesundheitszustand lasse die Verrichtung der Tätigkeit einer Änderungsschneiderin nicht mehr zu, stellt den unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen zu bekämpfen. Damit sind aber die Voraussetzungen für die begehrte Invalidtitätspension weder nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG noch nach § 255 Abs 3 ASVG gegeben.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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