Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 17. September 1938 geborene und in der Bundesrepublik Jugoslawien wohnhafte Kläger hat in der Zeit von Juli 1966 bis März 1979 in Österreich insgesamt 141 Beitragsmonate und vier Ersatzmonate erworben. Im Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawien hat er insgesamt 144 Versicherungsmonate erworben. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 1. März 1999 liegen keine Beitragsmonate.
Mit Bescheid vom 11. August 1999 lehnte die beklagte Partei den Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität ab.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung einer Invaliditätspension ab dem Stichtag 1. März 1999 gerichtete Klagebegehren ab. Zum Stichtag 1. März 1999 sei das zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit nicht mehr in Geltung gestanden und das bereits unterzeichnete Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien noch nicht ratifiziert gewesen, weshalb zur Berechnung der Wartezeit lediglich die in Österreich erworbenen Beitragsmonate heranzuziehen seien, mit denen allein der Kläger die Wartezeit aber nicht erfülle. Im übrigen liege auch Invalidität nicht vor, weil der Kläger mangels Beitragsmonaten in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keinen Berufsschutz genieße.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die in den Urteilen der Vorinstanzen enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien wurde das Abkommen über soziale Sicherheit vom 19. November 1965 (BGBl 1966/289) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 19. März 1979 (BGBl 1980/81) und des zweiten Zusatzabkommens vom 11. Mai 1988 (BGBl 1989/269) zwischen der Republik Österreich und den jugoslawischen Nachfolgestaaten vorerst weiter angewendet. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien hat die Republik Österreich das Abkommen gemäß seinem Art 48 zum 30. September 1996 gekündigt (BGBl 1996/345 vom 19. Juli 1996).
Die Kündigung des Abkommens seitens der Republik Österreich hatte zur Folge, dass im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien seit 1. Oktober 1996 im Bereich der sozialen Sicherheit keine bilateralen Beziehungen mehr bestehen. Das am 5. Juni 1998 unterzeichnete Abkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit wurde bislang nicht ratifiziert und steht daher (noch) nicht in Kraft.
Die Frage, ob und in welcher Fassung ein Sozialversicherungsabkommen auf einen konkreten Fall Anwendung zu finden hat, ist ausgehend von der Rechtslage am Stichtag zu prüfen (SSV-NF 7/46 ua; RIS-Justiz RS0076166). Da der Stichtag 1. März 1999 bereits nach dem Außerkrafttreten des AbkSozSi-Jugoslawien liegt, können - wie im Folgenden dargestellt wird - die vom Kläger im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zurückgelegten Versicherungs- zeiten für die Beurteilung der Erfüllung der Wartezeit nicht herangezogen werden (vgl 10 ObS 20/00i = SSV-NF 14/22 [in Druck] mwN).
Soweit der Revisionswerber einen Anspruch auf Berücksichtigung von in Jugoslawien erworbenen Verbesserungszeiten daraus ableitet, dass in Art 49 des AbkSozSi-Jugoslawien eine Regelung für den Fall des Außerkrafttretens dieses Abkommens getroffen worden sei, nach der während der Geltung des Abkommens erworbene Anwartschaften und Beitragsmonate in Jugoslawien auch nach der Kündigung des Abkommens anzurechnen seien, kann ihm nicht beigepflichtet werden.
Art 49 AbkSozSi-Jugoslawien lautet:
"(1) Im Falle des Außerkrafttretens dieses Abkommens bleiben alle in Anwendung seiner Bestimmungen erworbenen Leistungsansprüche aufrecht.
(2) Die Anwartschaften aus den Zeiten, die vor dem Außerkrafttreten zurückgelegt worden sind, werden durch das Außerkrafttreten nicht berührt; ihre Wahrung für den späteren Zeitraum wird durch Vereinbarung oder mangels einer solchen Vereinbarung durch die für den beteiligten Versicherungsträger geltenden Rechtsvorschriften bestimmt."
Hieraus lässt sich für den Standpunkt des Klägers nichts ableiten. Denn weder hat er bereits Leistungsansprüche in Anwendung der Bestimmungen des AbkSozSi-Jugoslawien erworben, die gemäß Art 49 Abs 1 AbkSozSi-Jugoslawien aufrecht bleiben könnten, noch ist ihm (derzeit) damit gedient, dass die Anwartschaften aus den Zeiten, die vor dem Außerkrafttreten zurückgelegt worden sind, durch das Außerkrafttreten des Abkommens per 30. September 1996 nicht berührt werden (Art 49 Abs 2 erster Halbsatz AbkSozSi-Jugoslawien). Ihre Wahrung für den späteren Zeitraum hängt nämlich von einer entsprechenden Vereinbarung ab (Art 49 Abs 2 zweiter Halbsatz AbkSozSi-Jugoslawien). Eine derzeitige Vereinbarung (vgl ähnliche Regelungen in den AbkSozSi-Irland [Art 23 Abs 4], AbkSozSi-USA [Art 27 Abs 3], AbkSozSi-Kanada [Art 27 Abs 4] ua) ist bisher allerdings nicht zustandegekommen. Mangels einer solcher Vereinbarung kann die Wahrung für den späteren Zeitraum nur durch die für den beteiligten Versicherungsträger geltenden Rechtsvorschriften bestimmt werden (Art 49 Abs 2 zweiter Halbsatz AbkSozSi-Jugos- lawien). In den für den beteiligten (österreichischen) Versicherungsträger geltenden Rechtsvorschriften findet sich aber derzeit keine Grundlage für die Berücksichtigung der jugoslawischen Versicherungszeiten des Klägers bei der Beurteilung der Wartezeit (10 ObS 58/00b).
Der Anspruch auf Leistung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 222 Abs 1 Z 1 lit e ASVG) ist an die allgemeine Voraussetzung geknüpft, dass die Wartezeit durch Versicherungsmonate im Sinne des § 235 Abs 2 ASVG erfüllt ist (§ 235 Abs 1 ASVG). Mangels einer positivrechtlichen Regelung kommt die vom Kläger angestrebte Zusammenrechnung der von ihm in Österreich erworbenen Versicherungszeiten mit jenen in Jugoslawien derzeit nicht in Betracht (vgl Siedl/Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Allgemeiner Teil - Pensionsversicherung 81). Allein mit den in Österreich erworbenen Versicherungszeiten wird die erforderliche Wartezeit aber nicht erfüllt.
Bei den mit der Bundesrepublik Jugoslawien geführten Regierungsverhandlungen wurde aber Einvernehmen darüber erzielt, dass - mit Ausnahme der Familienbeihilfe - durch den umgehenden Abschluss eines neuen Sozialversicherungsabkommens ein lückenloser sozialversicherungsrechtlicher Schutz der Versicherten zu gewährleisten ist. Es wird daher durch eine positivrechtliche Norm in einem neuen Abkommen sicherzustellen sein, dass dieses Abkommen rückwirkend ab 1. Oktober 1996 in Kraft tritt (vgl Linka, Kündigung einiger Abkommen über Soziale Sicherheit durch die Republik Österreich in SozSi 1996, 763; BMAS 24.930/3-4/97 vom 4. 3. 1997 in ARD 4825/9/97; SozSi 1999, 635 f; 10 ObS 20/00i = SSV-NF 14/22 [in Druck] mwN). Zur Sicherstellung dieser rückwirkenden Anwendung wurde allen in Betracht kommenden Versicherungsträgern die praktische Anwendung des bisherigen Abkommens - ohne den Bereich der Familienbeihilfe - empfohlen (vgl Linka/Siedl, Österreich-Mazedonisches Abkommen über Soziale Sicherheit, SozSi 1998, 430 [431]; 10 ObS 20/00i).
Das Revisionsgericht teilt auch nicht die vom Kläger dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung von Versicherungszeiten, die im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien erworben wurden.
Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand einer bestimmten Rechtslage genießt als solches - im Hinblick auf das Demokratieprinzip - keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (Walzel v. Wiesentreu, Vertrauensschutz und generelle Norm, ÖJZ 2000, 1 ff). Namentlich sieht Art 49 Abs 1 B-VG sogar die Möglichkeit der Erlassung rückwirkender Normen vor (vgl Thienel, Art 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161). Grundsätzlich muss sich auch jeder Normunterworfene auf Rechtsänderungen einstellen - im konkreten Fall nicht zuletzt deshalb, weil das AbkSozSi-Jugoslawien eine ausdrückliche Kündigungsmöglichkeit vorsah.
Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand einer einmal gegebenen Rechtslage ist nur unter besonderen Umständen zu berücksichtigen (Walzel v. Wiesentreu aaO 3, 10 mwN; Tomandl, Gedanken zum Vertrauensschutz im Sozialrecht, ZAS 2000, 129 [133]). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des VfGH können gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Konflikt geraten, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten. Dies kann bei schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriffen in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen konnte, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen.
Nach dem tragenden Gedanken des Vertrauensschutzes muss also verhindert werden, dass sich durch das positive Recht veranlasste langfristige Dispositionen letztlich als Fehldispositionen herausstellen (Tomandl aaO 134). Speziell bezogen auf das Sozialrecht ist jedoch dessen "dynamischer Charakter" zu bedenken. Außerdem wurde bereits auf die vorgesehene Möglichkeit der Kündigung des AbkSozSi-Jugoslawien hingewiesen, die als eine realistische Möglichkeit in Betracht gezogen werden musste, was die Berufung auf ein schutzwürdiges Vertrauen erheblich einschränkt, da niemand verlangen kann, einen Schutz für seine Dispositionen zu erhalten, wenn diese auf Hoffnungen und nicht auf begründeten Erwartungen beruhen.
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen österreichischen Staatsangehörigen und Staatsbürgern der Bundesrepublik Jugoslawien ist nicht erkennbar. Für beide gilt in gleichem Maße das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit. Eine wechselseitige Berücksichtigung von Versicherungszeiten bedürfte einer ausdrücklichen Anordnung, die aber im vorliegenden Fall - unter Bedachtnahme auf das Außerkrafttreten des AbkSozSi-Jugoslawien - fehlt.
Es besteht somit kein Anlass, einen Antrag gemäß Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Da die Vorinstanzen - ausgehend von der derzeit bestehenden Rechtslage - zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Invaliditätspension verneint haben, musste die Revision erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nicht vor und wurden auch nicht dargetan.
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