Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Revisionskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 30.10.1967 geborene Klägerin leidet an einer infantilen Cerebralparese (spastische Tetraparese, das ist eine inkomplette Lähmung mit Befall sämtlicher Gliedmaßen), vermutlich auf der Basis einer prä- oder perinatalen Hirnschädigung. Sie leidet von Geburt an an einer spastischen Lähmung der oberen und unteren Extremitäten mit deutlicher Störung der Kraft- und Feinmotorik. Psychiatrisch gesehen ist sie zeitlich, persönlich und örtlich voll orientiert, ihre Stimmungslage ist ausgeglichen, der Affekt adäquat. Die anamnestischen Leistungen sind im Normbereich, der Denkablauf ist flüssig und ohne Verlust des Denkzieles. Die Intelligenz liegt leicht unter dem Streubereich der Norm (Intelligenzquotient 85). In der Zeit zwischen April 1987 und April 1988 unternahm die Klägerin einen Arbeitsversuch im Schuhgeschäft ihrer Eltern. Sie arbeitete ganztägig unter Einhaltung einer halbstündigen Mittagspause. Zu 70 % war sie mit dem Schreiben von Adressen beschäftigt; diese wurden mit der Maschine geschrieben und die Klägerin klebte dann die Adressenetiketten auf. Sie überprüfte die Richtigkeit der Adressen mit Hilfe eines Computerbildschirmes und korrigierte sie gegebenenfalls. Außerdem hatte sie Lieferscheine zu kontrollieren und zu vergleichen. Mit Hilfe einer Rechenmaschine kontrollierte sie auch Rechnungen, anschließend trug sie mit der Hand Zahlen in ein Heft ein. Alle 14 Tage fiel das Einfädeln oder Einpacken von Schuhen an. Zum Arbeitsplatz wurde sie von der Johanniterhilfe für Behinderte hingeführt und wieder abgeholt. Bis zum Ende des Jahres 1987 war die Klägerin in der Lage, derartige Tätigkeiten wie überhaupt leichte Arbeiten, die ausschließlich im Sitzen durchzuführen sind, ganztägig mit den gesetzlichen Arbeitspausen zu verrichten. Durch das ständige Sitzen - denn nur so konnte die Arbeit verrichtet werden - und die damit einseitige Belastung der Gelenke kam es zunehmend zu Beschwerden, so daß die Klägerin ab Jänner 1988 zunehmend Pausen im Liegen einschieben und schließlich die Arbeit ganz abbrechen mußte, um weitere Schmerzen, Kontrakturen und Gelenksbelastungen zu vermeiden. Etwa seit Jänner 1988 war sie nicht mehr in der Lage, leichte Arbeiten über wenigstens einen halben Tag auszuführen. Auf Grund ihres Leidens war die Klägerin niemals in der Lage, eine Wegstrecke zu Fuß zurückzulegen. Sie konnte auch nie ein öffentliches Verkehrsmittel ohne Rollstuhl und ohne fremde Hilfe benützen.
Mit Bescheid vom 5.8.1988 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 9.3.1988 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG ab. Die Klägerin sei niemals berufsfähig gewesen, so daß ihre Arbeitsfähigkeit seit Eintritt in die Beschäftigung nicht herabgesunken sei. Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe ab 1.4.1988 ab. Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit habe zur Voraussetzung, daß eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit, die zumindest die Hälfte jener eines körperlich und geistig gesunden Versicherten erreicht haben müßte, durch nachfolgende Entwicklungen beeinträchtigt worden sei. Im Sinne der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 2/105) sei jemand, der eine Wegstrecke von zumindest 500 m zu Fuß zurücklegen könne, vom allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen. Sei aber ein Versicherter nicht mehr imstande, eine solche Wegstrecke zu Fuß zu bewältigen, so seien die körperlichen Fähigkeiten so weit eingeschränkt, daß der schon nach allgemeiner Anschauung nicht mehr arbeitsfähig sei. Die Klägerin sei niemals in der Lage gewesen, ein öffentliches Verkehrsmittel ohne wesentliche Einschränkungen zu benützen und eine Wegstrecke von 500 m zu Fuß zurückzulegen; an diesem Zustand habe sich auch nach dem Beginn ihrer Arbeitstätigkeit keine Änderung ergeben. Berufsunfähigkeit liege daher nicht vor. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, mit der unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend gemacht wurde, nicht Folge. Es pflichtete dem Berufungsvorbringen darin bei, daß eine einmal bestandene Arbeitsfähigkeit der Klägerin nicht deshalb verneint werden könne, weil sie nie 500 m zu Fuß zurücklegen oder ein öffentliches Verkehrsmittel benützen konnte. Wenn eine solche Person vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei, heiße dies noch nicht, daß sie nicht doch einen bestimmten Arbeitsplatz ausfüllen könnte und hiefür arbeitsfähig wäre. Es wäre nicht einzusehen, warum ein Rollstuhlfahrer, der sonst in seiner Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt sei, nicht einen in seiner Umgebung befindlichen, für ihn erreichbaren und geeigneten Arbeitsplatz ausfüllen könnte. Dennoch sei die Berufung im Ergebnis nicht berechtigt. Die Klägerin sei nämlich in Wahrheit - auch abgesehen von der mangelnden Fähigkeit, Fußwege zurückzulegen - nie arbeitsfähig gewesen. Zwar habe sie tatsächlich durch etwa 8 Monate eine sitzende Arbeit durchgeführt. Das Erstgericht habe auch festgestellt, daß sie in der Lage gewesen sei, derartige Tätigkeiten, wie überhaupt leichte Arbeiten, ausschließlich im Sitzen ganztägig mit den gesetzlichen Arbeitspausen zu verrichten. Die Bedeutung dieses Satzes ergebe sich aber erst aus dem Zusammenhang mit der folgenden Feststellung, daß die Klägerin durch das ständige Sitzen eine einseitige Belastung der Gelenke erlitten habe, wodurch es zunehmend zu Beschwerden gekommen sei, so daß sie ab Jänner 1988 zunehmend Pausen im Liegen einschieben und schließlich die Arbeit ganz habe abbrechen müssen, um weitere Schmerzen, Kontrakturen und Gelenksbelastungen zu vermeiden. Das heiße, daß sie die sitzende Arbeit von Anfang an in Wahrheit nur durch eine gesundheitlich nicht vertrebare Belastung der Gelenke durchführen habe können, die zu Schmerzen geführt habe; die Klägerin sei daher nie in einem Zustand gewesen, in dem man ihr eine sitzende Arbeit, die nicht zum Nachteil ihrer Gesundheit gegangen wäre, hätte zumuten können. Bei dieser Sachlage sei die Klägerin nie arbeitsfähig gewesen; ihre Arbeitsfähigkeit habe daher auch nicht herabsinken können. Im Ergebnis habe daher das Erstgericht das Klagebegehren zutreffend abgewiesen.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die auf die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache und der Aktenwidrigkeit gegründete Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstettgebung abzuändern oder hilfsweise aufzuheben.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Eventualantragess berechtigt. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, setzt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit - sowohl nach § 255 ASVG wie auch nach § 273 ASVG - voraus, daß sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat (SSV-NF 1/33, 1/67, vgl auch SSV-NF 2/87 = JBl 1989, 334). Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist daher ausschlaggebend, ob die Klägerin ursprünglich arbeitsfähig gewesen ist, ihre Arbeitsfähigkeit jedoch durch eine nach Eintritt in das Berufsleben eingetretene Verschlechterung beeinträchtigt worden ("herabgesunken") ist.
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war die Klägerin von April bis Dezembert 1987 in der Lage, die von ihr ausgeübten Tätigkeiten, die als Kanzleiarbeiten iS des § 1 Abs 1 AngG qualifiziert werden können, wie überhaupt leichte Arbeiten ausschließlich im Sitzen ganztägig mit den gesetzlichen Arbeitspausen zu verrichten. Es gelangte deshalb zu einer Klagsabweisung, weil es als entscheidend ansah, daß die Klägerin niemals eine Wegstrecke zu Fuß zurücklegen oder ein öffentliches Verkehrsmittel ohne fremde Hilfe benützen konnte. Diesem Argument hat aber das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, daß die Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benützen, eine Person nicht von vornherein daran hindern kann, einen bestimmten Arbeitsplatz auszufüllen und alle dort erforderlichen Leistungen zu erbringen. Wäre die Ansicht des Erstgerichtes zutreffend, dann könnte bei einem Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz möglicherweise jahre- oder jahrzehntelang nur mit Hilfe eines Rollstuhles oder mit Hilfe anderer Personen zu erreichen imstande war, selbst dann der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht eintreten, wenn ihm aus anderen Gründen, wie etwa wegen eines schweren unabhängig von der bereits bestehenden Behinderung aufgetretenen zusätzlichen Leidens (man denke beispielsweise an einen Herzinfarkt mit bleibenden Folgen), eine Weiterarbeit unzumutbar würde. Dieses Ergebnis wäre nicht nur unsozial, sondern auch mit einem richtigen Verständnis der gesetzlichen Bestimmungen über den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (§§ 255, 273 ASVG) unvereinbar. Wenn daher ein Versicherter, der im Sinne der Entscheidung SSV-NF 2/105 vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre, weil er weder eine auch noch so geringe Wegstrecke zu Fuß zurücklegen noch ohne fremde Hilfe ein öffentliches Verkehrsmittel benützen kann, dennoch eine Berufstätigkeit ausgeübt hat (was bei zahlreichen Körperbehinderten - auch Rollstuhlfahrern - der Fall ist), dann muß diese unverändert bestehende Gehunfähigkeit bei Prüfung des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit außer Betracht bleiben. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist in einem solchen Fall davon auszugehen, daß bei dem Körperbehinderten Arbeitsfähigkeit bestanden hat und die mangelnde Fähigkeit, zu gehen und ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, bei der Beurteilung, ob der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit vorliegt, nicht als Ausschluß vom Arbeitsmarkt gewertet werden kann. Andernfalls hätte es nämlich ein Versicherter in der Hand, seine Invalidität im Sinne des § 255 ASVG oder Berufungsunfähigkeit im Sinne des § 273 ASVG bloß durch die Aufgabe seines bisherigen Arbeitsplatzes selbst herbeizuführen. Wer einerseits trotz bestehender Behinderung, die ihn an sich (SSV-NF 2/105) vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen würde, Versicherungszeiten erwirbt und damit die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension erfüllt, kann sich andererseits nach Erreichung dieser Voraussetzungen nicht darauf berufen, daß er
- ohne Änderung seines körperlichen oder geistigen Zustandes - wegen dieser Behinderung nunmehr invalid oder berufsunfähig sei.
Es kommt daher darauf an, ob die trotz der Körperbehinderung zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit durch nachfolgende Entwicklungen beeinträchtigt wurde, also "herabgesunken" ist, wobei der körperliche Zustand des Versicherten bei Aufnahme der Berufstätigkeit und Eintritt in das Versicherungsverhältnis jenem bei Antragstellung gegenüberzustellen ist. Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann daher, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SSV-NF 1/67), nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit führen.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann ist die Rechtssache jedoch nicht spruchreif.
Das Berufungsgericht gelangte lediglich deshalb im Ergebnis zu einer Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils, weil es annahm, daß die Klägerin die sitzende Arbeit von Anfang an "in Wahrheit" nur durch eine gesundheitlich nicht vertretbare Belastung der Gelenke habe ausführen können, sie sich aber nie in einem Zustand befunden habe, in dem man ihr eine sitzende Arbeit ohne Nachteil für ihre Gesundheit hätte zumuten können und daß bei dieser Sachlage die Klägerin nie arbeitsfähig gewesen sei. Die erstgerichtliche, von den Vorinstanzen nur verschieden interpretierte Feststellung, wonach nämlich die Klägerin bis Ende 1987 in der Lage gewesen sei, "derartige Tätigkeiten", wie überhaupt leichte Arbeiten im Sitzen, zu verrichten, reicht zur rechtlichen Beurteilung der Sache nicht aus; auch die bisherigen Ausführungen der ärztlichen Sachverständigen Dr.Karin T*** gehen letztlich über die zitierte Feststellung nicht hinaus und geben über die vom Berufungsgericht als entscheidend angesehene Frage, ob die Klägerin die sitzende Arbeit von Anfang an nur durch eine gesundheitlich nicht vertretbare Belastung der Gelenke habe durchführen können, ob also die Ausübung der Arbeit von Anfang an auf Kosten ihrer Gesundheit ging, keine ausreichenden Aufschlüsse, weshalb es einer Verfahrensergänzung vor dem Erstgericht, in erster Linie einer Ergänzung des ärztlichen Sachverständigengutachtens bedarf. Dabei wird von folgenden Grundsätzen auszugehen sein:
Ergibt sich demnach, daß die Klägerin auf Grund ihrer bei Eintritt in das Versicherungsverhältnis bestehenden Leidenszustände von Anfang an nur unter einer medizinisch nicht vertretbaren körperlichen Belastung arbeiten konnte und das Scheitern ihres Arbeitsversuches deshalb von Anfang an vorauszusehen war, dann muß davon ausgegangen werden, daß sie zu keinem Zeitpunkt, also auch nicht bei der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung, arbeitsfähig war und daß die Arbeitsfähigkeit auch nicht "herabsank", als die von Anfang an voraussehbaren und latent vorhandenen Beschwerden zunahmen. Ähnlich wie ein Versicherter nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden darf, deren Ausübung auf Kosten seiner Gesundheit geht (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung IV 28. Nachtrag 668 d IV, 682 g), ist ein Versicherter nicht als arbeitsfähig zu qualifizieren, der nur unter medizinisch nicht vertretbaren, weil in kürzerer Zeit zu schweren Schädigungen führenden Belastungen und - wie möglicherweise im Fall der Klägerin - nur unter besonderer Nachsicht des Dienstgebers zu arbeiten beginnt. Die Erwerbsfähigkeit muß auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten (§ 255 Abs 1 und 3, § 273 Abs 1 ASVG) herabgesunken sein. Bestand schon bei Antritt der Arbeit die Gewißheit, daß durch diese schon nach kürzerer Zeit Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit eintreten wird, so entsteht kein Anspruch auf Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension, wenn dieser Zustand in der Folge tatsächlich eintritt (vgl. Brackmann aaO 670 f VI). Problematisch ist allerdings, wie lange jener Zeitraum sein muß, nach dessen Ablauf der Arbeitsversuch - vorhersehbar - scheiterte. Da die Klägerin das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beträgt die Wartezeit nicht 60 Monate (§ 236 Abs 1 Z 1 lit a ASVG), sondern es entfällt gemäß § 235 Abs 3 lit b ASVG die Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (oder aus dem Versicherungsfall des Todes), wenn die Klägerin mindestens sechs Versicherungsmonate erworben hat. Diese - zunächst nur für Versicherte unter 21 Jahren geltende - Bestimmung wurde durch die 9. ASVG-Novelle geschaffen und sollte dieser Personengruppe einen besonderen Schutz gewähren (EB 517 BlgNR 9. GP S. 83). Von Landessozialreferenten und von Interessenvertretungen der Behinderten wurde angeregt, diese Altersgrenze von 21 Jahren, um den Versicherungsschutz eines Behinderten im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen nach beruflicher Eingliederung zu verbessern, auf das 27. Lebensjahr anzuheben, was mit der 41. ASVG-Novelle auch geschah (EB 774 BlgNR 16. GP S. 41). In diesem Zusammenhang wurde nach den Gesetzesmaterialien klargestellt, daß nicht jede Beschäftigung im Rahmen der beruflichen Eingliederung von vornherein als eine Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG anzusehen sein werde, vielmehr im Einzelfall geprüft werden müsse, ob diese Voraussetzungen tatsächlich erfüllt seien (EB aaO). Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus dem bisher Gesagten, daß es wesentlich darauf ankommt, ob das Scheitern des Arbeitsversuches der Klägerin schon für einen Zeitpunkt wenige Monate nach Zurücklegung der gesetzlichen Mindestzahl von sechs Versicherungsmonaten von Anfang an medizinisch vorhersehbar war, weil dann im Sinne der obigen Ausführungen davon ausgegangen werden müßte, daß die Klägerin von Anfang an nicht als arbeitsfähig angesehen werden konnte. War im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Klägerin der Eintritt der Berufsunfähigkeit innerhalb eines so kurzen Zeitraumes zu erwarten, so muß sie von Beginn an als zur Verrichtung der Tätigkeit nicht geeignet angesehen werden, auch wenn sie tatsächlich die Arbeit während dieses kurzen Zeitraumes verrichtete. Wenn sich nämlich auch aus den Materialien zur 41. ASVG-Novelle ableiten läßt, daß der Gesetzgeber behinderte Jugendliche besonders begünstigen wollte, kann dies doch nicht so weit ausgelegt werden, daß er diesem Personenkreis die Möglichkeit des Erwerbs einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ohne jede Rücksicht auf die schon bei Beginn der Arbeit absehbare völlige Arbeitsunfähigkeit durch eine nur kurzfristige Beschäftigung ermöglichen wollte. Dies würde auch den sonstigen Intentionen des Gesetzes widersprechen, wonach sich etwa bei höherem Alter die Wartezeit für diesen Versicherungsfall gemäß § 236 Abs 1 Z 1 lit b ASVG nicht unwesentlich erhöht, weil in diesem Alter die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles größer ist. Auch darf nicht übersehen werden, daß einer der Hauptgründe für die günstigere Regelung des § 235 Abs 3 lit b ASVG, vor allem in der ursprünglichen Beschränkung auf das 21. Lebensjahr, die Erwägung war, daß in diesem Alter die normale Wartezeit in einer Vielzahl von Fällen noch nicht erfüllt sein könnte. Diese Argumentation träte allerdings immer weiter zurück, je länger die Tätigkeit tatsächlich verrichlet worden wäre und könnte bei geschützten Jugendlichen jedenfalls dann nicht mehr ins Treffen geführt werden, wenn die Arbeit durch einen Zeitraum von fünf Jahren tatsächlich geleistet wurde. Eine starre zeitliche Grenze läßt sich freilich nicht festlegen, weil es auch hier immer auf die Umstände des Einzelfalles, vor allem auf Art und Ausmaß des bestehenden Leidens und der ausgeübten Tätigkeit ankommt. Da die Tatsachengrundlagen nicht ausreichen, kann aber zu diesen Fragen noch nicht abschließend Stellung genommen werden.
Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den Sachverhalt im aufgezeigten Sinn zu erörtern und das Beweisverfahren entsprechend zu ergänzen haben, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. In dieser Richtung erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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