OGH 10ObS262/99y

OGH10ObS262/99y4.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und DI Werner Conrad (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Munib S*****, vertreten durch Dr. Alexander Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 1999, GZ 8 Rs 147/99t-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19. Jänner 1999, GZ 29 Cgs 102/98x-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Zu den sowohl unter diesem Rechtsmittelgrund als auch jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) erfolgten Rechtsausführungen ist der Revisionswerber auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen Folgendes entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung, ob Invalidität im Sinne des § 255 ASVG vorliegt, ist eine Rechtsfrage (Teschner/Widlar, ASVG 1303; SSV-NF 10/14). Es entspricht - wie auch der Revisionswerber einräumt - der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, dass in Zukunft trotz zumutbarer Krankenbehandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von jährlich sieben Wochen und darüber einen Versicherten vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen (SSV-NF 6/70, 6/82, 6/104, 8/25, 10/14, 12/52 ua; s. auch Übersicht der Rechtsprechung in RIS-Justiz RS0084429, RS0084855; der Kritik Mazals, Die Judikatur des Obersten Gerichtshofes in Pensionsversicherungssachen 1987 - 1992, in: Tomandl, Der Oberste Gerichtshof als Sozialversicherungshöchstgericht, 68 f, der - allerdings noch gegenüber der Judikatur, die einen Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt erst ab acht Wochen voraussichtlicher Krankenstände annahm - einen Wechsel in der zeitlichen Perspektive der Betrachtung und eine stärkere Bedachtnahme auf die Nachfrage nach Arbeitskräften forderte, ist der Senat nicht gefolgt). Dabei sind die durch andere Ursachen wie Erkältungen udgl hervorgerufenen Krankenstände nicht zu berücksichtigen (SSV-NF 6/70, 6/82, 6/104).

Der Revisionswerber missversteht offenbar die diesbezügliche Judikatur des Revisionsgerichtes. Bei der Frage, ob durch eine bestimmte Dauer von zu erwartenden Krankenständen ein Ausschluss vom Arbeitsmarkt anzunehmen sei, wird ausschließlich auf die leidensbedingt zu erwartenden Krankenstände abgestellt. Die Tatsache, dass daneben noch, wie bei jedem Arbeitnehmer, durch andere Gründe bedingte Krankenstände auftreten können, und sich dadurch die krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz verlängert, ist bei diesem Ergebnis bereits berücksichtigt (SSV-NF 3/152, 6/3). Entscheidend sind also nur die leidensbedingten Krankenstände, nicht die durch andere Ursachen wie Erkältungen hervorgerufen. Dass aber beim Kläger die leidensbedingten Krankenstände ein Ausmaß von sieben Wochen oder darüber erreichen könnten, steht hier gerade nicht fest. Vielmehr stellte das Erstgericht fest, dass beim Kläger, wenn sich seine Berufstätigkeit im Rahmen seines Leistungskalküls bewegt, lediglich Krankenstände im Ausmaß zwischen vier und sechs Wochen pro Jahr zu prognostizieren seien. Aus der vom Revisionswerber neu eingeführten Kategorie "arbeitsbedingter" Krankenstände, womit er Krankenstände meint, die durch die Arbeitstätigkeit verursacht werden, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Seine damit im Zusammenhang stehenden Überlegungen sind über das medizinische Leistungskalkül zu lösen, das darauf abstellt, welche Verrichtungen der Versicherte noch aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen ausüben kann (RIS-Justiz RS0084399, RS0084413). Hier ist damit festzuhalten, dass beim Kläger leidensbedingte Krankenstände, die über sonstige, aus anderen Gründen resultierende Krankenstände hinausgehen und ein Ausmaß erreichen, das bereits einen Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt bewirken würden, von den Tatsacheninstanzen nicht festgestellt wurden.

Zu Unrecht bestreitet der Revisionswerber schließlich seine Verweisbarkeit nach § 255 Abs 3 ASVG auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes kann der Kläger aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls beispielsweise noch die Tätigkeit eines Portiers verrichten. Bei allgemein gängigen Verweisungsberufen bedarf es keiner detaillierten Erhebung über die Anzahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätze. Wie der Senat wiederholt (auch erst jüngst) ausgesprochen hat, ist es offenkundig und daher nicht zweifelhaft, dass wesentlich mehr als hundert Arbeitsplätze für Portiere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (SSV-NF 8/28; 10 ObS 234/98d, 10 ObS 25/99w, 10 ObS 80/99h ua). Der Einwand des Revisionswerbers, es sei nicht auf die Existenz, sondern auf die freie Verfügbarkeit bzw das Freiwerden von Arbeitsplätzen abzustellen, schlägt nicht durch. Sollte es dem Kläger nicht gelingen, auf dem Arbeitsmarkt einen konkreten freien Posten zu erlangen, wäre er arbeitslos, aber noch nicht invalid (SSV-NF 4/140, 6/150, 7/68 ua). Aus seinen durch die Wirtschafts- und Sozialstatistischen Taschenbücher der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte belegten Überlegungen, dass die Zahl - offener - Stellen für Arbeitslose ohne abgeschlossene Schule im Abnehmen begriffen ist, ist daher für die Beurteilung der Invalidität nichts zu gewinnen. Damit sind aber beim Kläger zusammenfassend die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht gegeben.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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